13. September 2024
ESG und Recht: Wichtige Standards und Normen für Unternehmen
Aufgrund des fortschreitenden Klimawandels werden Unternehmen immer mehr dazu aufgefordert, diesbezügliche Regularien einzuhalten. Das Problem hierbei ist jedoch, dass die Anzahl an Richtwerten und Vorgaben sich sehr unübersichtlich gestaltet. Ob die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft die Möglichkeit hat, auf ESG-Belange Einfluss zu nehmen oder ob die Unternehmensleitung zu klimafreundlichem Handeln verpflichtet ist, sind umstrittene Fragen. Welche Bedeutung hinter den Begriffen ESG und CSR steckt und was sie bedeuten, erfahren Sie hier.
Bedeutung von ESG und CSR
Der Begriff ESG – Environmental, Social, Governance – bedeutet übersetzt so viel wie: umweltfreundliche und sozialorientierte Unternehmensführung. Unternehmen sind durch Regelungen im ESG-Bereich dazu angehalten, gerechtere und sozialere Umstände zu schaffen und klimaneutral zu handeln. Corporate Social Responsibility (CSR), oft im Zusammenhang mit ESG verwendet, betont die Verantwortung der Unternehmensleitung für das Gemeinwohl.
Regelungen im deutschen Gesellschaftsrecht
Die wohl wichtigste Regelungen im deutschen Gesellschaftsrecht in Bezug auf die ESG-Thematik stellen die §§ 289b bis 289e Handelsgesetzbuch (HGB) dar. Diese Gesetze beschäftigen sich mit der nichtfinanziellen bzw. nachhaltigen Berichterstattung von Kapitalgesellschaften.
Durch diese Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen Unternehmen verpflichtet werden offen zu legen, in welchem Umfang oder ob sie überhaupt Umwelt- oder Sozialbelange innerhalb ihrer Organisationsstruktur beachten und inwiefern sie negative Auswirkungen bekämpfen. Hierbei ist anzumerken, dass nicht zwingend jedes Unternehmen zu einer solchen Berichterstattung verpflichtet ist, sondern meist nur die größeren Kapitalgesellschaften und Konzerne. Durch eine neue Vorgabe der Europäischen Union wird sich dies jedoch in Zukunft ändern. In unserer Einschätzung erfahren Sie mehr dazu, inwiefern die geplanten neuen Regelungen eine Problematik für die Unternehmenswelt darstellen.
Die Vorschriften der §§ 289b ff., 315b HGB haben erstmalig im deutschen Recht gesetzlich festgehalten, dass Unternehmen unter anderem auch dazu verpflichtet sind, Menschenrechte zu achten und im gleichen Zug diese auch zu stärken. Die §§ 289b bis 289e HGB sollen weiterhin auch dazu dienen, transparentere Unternehmenshandlungen zu garantieren.
In Hinblick auf die soziale und klimafreundliche Unternehmensleitung sind bei Aktiengesellschaften die allgemeinen Sorgfaltspflichten des Vorstandes und Aufsichtsrates zu beachten. Die §§ 76, 93, 111, 116 AktG stellen Vorschriften dar, die die Leitungsaufgaben, Sorgfaltspflichten und Verantwortlichkeiten von Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft normieren. Da mit fehlerhaften Verhalten hohe Haftungsrisiken verbunden sein können, ist von hoher Relevanz, dass die Führungsorgane der Aktiengesellschaft deutliche Aufgabenzuteilungen und Leitlinien für ihre Pflichten vorgelegt bekommen.
Der Vorstand ist demnach dazu verpflichtet, das Unternehmen in einer ordentlichen und gewissenhaften Weise zu leiten. Im Rahmen der Beachtung des Gesellschaftszweckes durch die Vorstandsmitglieder können auch nachhaltige Ziele gesetzt werden, welche wiederum durch den Vorstand nach § 93 AktG sodann zu beachten sind.
Auch dem Aufsichtsrat und der Hauptversammlung kommen zumindest mittelbare Möglichkeiten zur Einflussnahme hinzu. In Bezug auf die CSR-Berichterstattung hat der Aufsichtsrat beispielsweise das Recht eine inhaltliche Überprüfung durchzuführen. Da dem Aufsichtsrat weiterhin ein Zustimmungsvorbehalt und somit ein Mitspracherecht bei zentralen Geschäftsleitungshandlungen nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zukommt, kann er auch hierdurch mittelbar Einfluss auf ESG-Thematiken nehmen.
Auch die Hauptversammlung kann mittelbar auf die Unternehmensführung einwirken. Vor allem im Rahmen des „Say-on-Climate“ wird diese Möglichkeit zurzeit viel diskutiert. Hierbei geht es darum, ob die Aktionäre das Recht haben, bei der nachhaltigen Unternehmensgestaltung mitzuwirken im Rahmen ihrer Rechte als Hauptversammlung. Ob es ein solches „Say-on-Climate“ gibt, ist noch umstritten. Zumindest ist festzustellen, dass durch den Umstand, dass die Hauptversammlung den Aufsichtsrat wählt und diesem wiederum ein bestimmtes Mitspracherecht in ESG-Belangen zukommt, eine geringe Möglichkeit der Einflussnahme besteht.
Entwicklungen der CSR-Debatte
Die CSR- Debatte beschäftigt das deutsche Gesellschaftsrecht seit dem 19. Jahrhundert. Schon zu Zeiten des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches war die Unternehmensleitung dazu angehalten, im Namen des Allgemeinwohles zu handeln. Auch der ehemalige Außenminister Walther Rathenau hat schon Anfang des 20. Jahrhunderts die Rolle der Aktiengesellschaften im Hinblick auf deren soziale Verantwortung erkannt. Es wird daher deutlich, dass nicht lediglich durch die Europäisierung des deutschen Rechts der Wille nach einer gerechteren Unternehmenswelt aufkam.
Die CSR-Reporting-Richtlinie von 2014 stellt jedoch den Grundbaustein für die aktuellen Entwicklungen der ESG-Debatte dar. Die CSR-Reporting-Richtlinie ist ein Regelungskonstrukt, welches den europäischen Unternehmen Offenlegungs- und Transparenzpflichten in Bezug auf Nachhaltigkeit auferlegt. Auf ihr beruhen auch die oben beschriebenen §§ 289b bis 289e HGB.
Auch die europäische Taxonomie Verordnung von 2020 soll bei der Förderung privater Investitionen in nachhaltige Projekte unterstützen. Die Regelungen sollen Kriterien festlegen, die bestimmen sollen, ob und wann eine wirtschaftliche Tätigkeit als nachhaltig einzustufen ist.
Auswirkungen auf die Praxiswelt
In Bezug auf die Unternehmenswelt stellen die nachhaltigen Berichterstattungspflichten einen Grundbaustein für die Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen im Umwelt- und Sozialbereich dar. Auch Anlageentscheidungen können durch die Erfüllung bzw. Nichterfüllung von Berichterstattungspflichten beeinträchtigt werden. Ein Beispiel hierfür stellt das „Naming and Shaming“ dar. Hierbei werden Unternehmen beim Namen benannt und ihre Fehler öffentlich gemacht. Dies kann tatsächliche finanzielle Auswirkungen haben, wenn Anleger sich aufgrund dieser Informationen gegen eine Investition in das Unternehmen entscheiden.
Als eine Hürde für vor allem kleinere Unternehmen könnte auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) angesehen werden, da hiermit ein hoher bürokratischer Aufwand verbunden ist und nicht beziehungsweise nicht vollständig kontrolliert werden kann, ob die Lieferkette frei von Verletzungen ist. Erkennbar ist daher, dass ein Diskussionsinteresse besteht in Hinblick auf die Frage, ob die Kontrolle der Lieferketten und der dadurch bezweckte Schutz der Menschenrechte nicht staatliche Aufgabe sei.
Es ist daher anzumerken, dass die Auflagen in Bezug auf ESG für Unternehmen oftmals mit einem hohen bürokratischen Aufwand einhergehen. Jedoch kann im gleichen Atemzug gesagt werden, dass die Konzentration auf Umwelt- und Sozialbelange in jedem Fall wichtig für eine gerechtere Unternehmenskultur ist.
Unsere Einschätzung
ESG und CSR werden auch in Zukunft das deutsche Gesellschaftsrecht beeinflussen. Gesellschaftlicher Druck und technische Entwicklungen führen zu einer schnell fortschreitenden Veränderung der Bedeutung von Klima- und Sozialbelangen.
Die Europäische Union hat in ihrer sogenannten CSRD- Richtlinie aus dem Jahr 2022 versucht den Umfang der zur Berichterstattung verpflichteten Unternehmen zu erweitern, da den Großteil des Marktes die kleineren und mittleren Unternehmen bilden.
Dies löste berechtigterweise große Empörung bei den Unternehmen in verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU aus. Unser derzeitiger Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann versprach den deutschen Unternehmen jedoch, dass sie nicht fürchten müssen, zusätzliche Bürden in Bezug auf die nachhaltige Berichterstattung auferlegt zu bekommen, da eine Art Mikroregulierung vermieden werden soll. Haben Sie weitere Fragen zu dem Thema, wenden Sie sich an unsere Rechtsanwältin Paola Koudela.