EU-Meldepflichten im Fokus: A1-Bescheinigung und Posted-Workers-Notification
© Yaroslav Astakhov / Adobe Stock

11. Januar 2024

EU-Meldepflichten im Fokus: A1-Bescheinigung und Posted-Workers-Notification

Internationale Mitarbeiterentsendungen liegen nicht nur in der Hand der Unternehmen. Auch die Länder, in die sie ihre Mitarbeitenden entsenden, haben hier ein gewisses Mitspracherecht, vor allem in Sachen Sozialversicherung und Arbeitnehmerschutz. Wie die EU es geschafft hat, den Versicherungsstatus in der EU zu harmonisieren und ein Mindestmaß an Arbeitnehmerschutz zu gewährleisten, erfahren Sie hier.

Die Bestrebungen zur Koordinierung der europäischen Sozialversicherungssysteme 

Die EU reagierte 2004 auf zunehmende grenzüberschreitende Arbeitsmöglichkeiten innerhalb ihres Raums und dem EWR-Gebiet mit der europäischen Verordnung zur Koordinierung der Sozialversicherungssysteme. Diese brachte nicht nur die verschiedenen nationalen Systeme in Einklang, sondern schuf auch klare Regelungen für den Versicherungsstatus von Einzelpersonen bei internationalen Tätigkeiten. Die Verordnung legt fest, wann Versicherungspflicht im Wohnstaat und im Tätigkeitsstaat besteht, und regelt die Sozialversicherung für Arbeitnehmer:innen, die regelmäßig in mehreren Staaten arbeiten; bei Unklarheiten über die Sozialversicherungszugehörigkeit sind nationale Behörden für die Klärung zuständig.

Was ist eine A1-Bescheinigung und wie wird sie beantragt?

Sind alle Unklarheiten beseitigt und die Sozialversicherungspflicht im Inland gegeben, können entsendende Unternehmen eine A1-Bescheinigung beantragen. Diese dient als Nachweis dafür, dass die entsandten Arbeitnehmer:innen in einem anderen Mitgliedsland sozialversicherungspflichtig sind und dort bereits die entsprechenden Beiträge abführen.

Arbeitgeber:innen sind zu einer Beantragung der A1-Bescheinigung über ein elektronisches Verfahren verpflichtet. Viele systemgeprüfte Lohnabrechnungsprogramme ermöglichen die Beantragung direkt auf diesem Weg. Der Antrag kann aber auch online über das SV-Meldeportal gestellt werden.

Neben der „normalen“ A1-Bescheinigung gibt es seit 2023 die A1-Bescheinigung für Telearbeit. Dafür gibt es das Rahmenübereinkommen über die Anwendung von Artikel 16 Absatz 1 VO (EG) 883/04 bei gewöhnlicher grenzüberschreitender Telearbeit. Dieses ermöglicht Beschäftigten seit 01.07.2023, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen im Wohnstaat bis zu 49,99 Prozent der Gesamtarbeitszeit in Form von Telearbeit erbringen können und trotzdem das Sozialversicherungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin gilt. Die sozialversicherungsrechtliche Wirkung dieses Abkommens entfaltet sich nicht automatisch. Es muss auf dem Weg einer Ausnahmevereinbarung zwischen den deutschen Behörden und denen des jeweils anderen EU-Staates begründet werden.

Unternehmen müssen für diesen Antrag in Deutschland das übliche Antragsverfahren für Ausnahmevereinbarungen nutzen und einen entsprechenden Antrag an den GKV-Spitzenverband, DVKA, elektronisch übermitteln. 

Was ist eine Posted Workers Notification und wann ist sie erforderlich?

Während die A1-Bescheinigung mittlerweile in fast allen international agierenden Unternehmen bekannt ist, rückt eine andere EU-Meldepflicht in den Vordergrund: Die sogenannte „Posted Workers Notification“. Eigentlich ist diese EU-Meldung schon seit 1996 bei Entsendungen ins EU-Ausland zwingend erforderlich, wurde aber lange vernachlässigt.

Das liegt daran, dass die Meldepflicht drei erhebliche Komplikationen mit sich bringt:

  • Sie hat, anders als die A1-Bescheinigung, keinen einheitlichen Namen und Formulare.
  • Es gelten je nach Land unterschiedliche Zuständigkeiten, Voraussetzungen und Dokumentationserfordernisse.
  • Sie ist nicht in allen Branchen verpflichtend. Einige Länder, wie beispielsweise Deutschland, haben ausgewählte Branchen definiert. In anderen Ländern muss hingegen für alle Branchen die Meldung gemacht werden.

Wie kompliziert die Einhaltung der EU-Meldepflicht sein kann, zeigt sich am Beispiel Dienstreisen. Die Meldepflicht gilt in manchen EU-Staaten uneingeschränkt auch für Dienstreisen, in anderen Ländern werden bestimmte Tätigkeiten davon ausgeschlossen. Das ist beispielsweise die Teilnahme an Kongressen und Besprechungen. Wieder andere Länder stellen auch bei Dienstreisen allein auf die Branchenzugehörigkeit ab oder es gelten ab einem bestimmten Gehalt Befreiungen von der Meldepflicht.

Wann genau also eine EU-Meldung vorgenommen werden muss, muss für den Einzelfall länderbezogen geprüft werden.

Welche Rechtsgrundlagen gibt es und für wen gilt die Meldepflicht?

Ihre Rechtsgrundlage findet die EU-Meldepflicht in der Entsenderichtlinie 96/71/EG. Diese wurde in Deutschland durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AentG) umgesetzt. Der Gesetzgeber konkretisierte die EU-Meldepflicht durch die Mindestlohnmeldeverordnung (MiLoMeldV). Die EU-Entsenderichtlinie gilt für alle EU-Unternehmen, die Arbeitnehmer:innen in einen anderen Mitgliedstaat entsenden.

Warum gibt es die EU-Meldepflicht

Das Ziel der EU-Meldepflicht ist, dass die gleiche Arbeit am gleichen Ort mit gleichem Lohn vergütet wird. Sie ist aber nicht nur auf eine faire Entlohnung gerichtet, sondern soll auch Mindeststandards bei Arbeitszeiten, Urlaubsregelungen und Arbeitssicherheit gewährleisten. Durch die Meldepflicht sind Arbeitgeber:innen also verpflichtet, die Behörden im Gastland über den Aufenthalt ihrer entsandten Arbeitnehmer:innen zu informieren, damit das Gastland auf diesem Wege die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Mindeststandards überprüfen kann.

Welche Sanktionen drohen?

Auch die Handhabung der Sanktionen bei Missachtung der EU-Meldepflicht unterscheidet sich in den Ländern. Die Missachtung der Meldepflicht kann zu weitreichenden Konsequenzen führen. Diese beinhalten beispielsweise 

  • Sanktionszahlungen, 
  • Einreiseverbote, 
  • Schadensersatzforderungen von Mitarbeitenden bei Verletzung von Fürsorgepflichten und 
  • den Ausschluss vom lokalen Markt.

Unsere Einschätzung

Auch wenn die EU-Meldepflicht erhebliche Komplikationen mit sich bringt, sollten Sie diese nicht ignorieren. Arbeitgeber:innen können die Meldungen für nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer:innen online im Mindestlohnmeldeportal übermitteln. Informieren Sie sich rechtzeitig über die Übermittlungsmöglichkeiten in den jeweiligen Ländern, wenn Sie Ihre Mitarbeitenden ins EU-Ausland entsenden. Dabei gehen wir und unsere internationalen Partner:innen Ihnen gerne weltweit zur Hand.

 

 

Expert:innen zu diesem Thema

Das könnte Sie auch interessieren

  • Internationale Mitarbeiterentsendung bei ECOVIS KSO

    Der grenzüberschreitende Einsatz von Mitarbeitenden kann ein gewinnbringendes Vorhaben sein. Jedoch stehen sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter:innen vor vielen steuerlichen, arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen. Darum finden Sie bei uns nun ein erweitertes Team mit dem Schwerpunkt Internationale Mitarbeiterentsendung. Welche Unterstützung [...]

    Julia Brey

    16. Nov 2023

  • Die Mitarbeiterentsendung im steuerrechtlichen Sinne

    Eine Mitarbeiterentsendung liegt vor, wenn sich Arbeitnehmer:innen zur Ausübung ihrer Tätigkeit für einen befristeten Zeitraum ins Ausland begeben. Dabei unterscheiden sich Inbounds, bei denen es sich um ausländische Arbeitnehmer:innen in Deutschland handelt, und Outbounds, die ihre Tätigkeit im Rahmen einer [...]

    Stephan Kollenbroich

    30. Nov 2023

  • Abfindung und Tantiemen: Besonderheiten der Lohnsteuer bei einer Mitarbeiterentsendung

    Neben den zu beachtenden lohnsteuerlichen Besonderheiten für die korrekte Besteuerung des laufenden Arbeitslohns von Arbeitnehmer:innen, gelten insbesondere im Bereich der Besteuerung nachlaufender Zahlungen besondere Vorschriften. Dies gilt beispielsweise für die Besteuerung von Tantiemen oder Abfindungen. Diese sollten insbesondere bei der [...]

    Stephan Kollenbroich

    07. Dez 2023