24. September 2024
EuGH-Urteil 2024: Mehrwertsteuererstattung bei grenzüberschreitenden Leistungen – Was Unternehmen wissen müssen
Das jüngste EuGH-Urteil zur Mehrwertsteuererstattung bei grenzüberschreitenden Leistungen sorgt für Klarheit und wirft zugleich neue Fragen auf. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Auswirkungen das Urteil auf Unternehmen in Insolvenzfällen hat und wie Sie in der Praxis vorgehen sollten.
Überblick zum EuGH-Urteil 2024
Das Urteil des Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vom 5. September 2024 (C-83/23) bringt wichtige Klarstellungen zur Mehrwertsteuererstattung bei grenzüberschreitenden Leistungen. Für viele Unternehmen, insbesondere in Insolvenzfällen, ist dies von großer Bedeutung. In diesem Beitrag erläutern wir das Urteil und seine Konsequenzen für die Praxis – insbesondere für Unternehmen, die mit der Umsatzsteuer in internationalen Geschäften umgehen müssen.
Falsche Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitenden Geschäften
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein deutsches Unternehmen, die H GmbH, Boote von einer italienischen Firma erworben und diese in einem Sale-and-lease-back-Geschäft an ein weiteres deutsches Unternehmen verkauft. Dabei wurde der H GmbH irrtümlich deutsche Mehrwertsteuer berechnet, obwohl die Boote zum Zeitpunkt des Verkaufs in Italien waren.
Das Finanzamt ließ den Vorsteuerabzug der H GmbH aus der zu Unrecht in Rechnung gestellten deutschen Umsatzsteuer nicht zu, da diese in Italien fällig gewesen wäre. Später ging das verkaufende Unternehmen in Insolvenz, und die bereits abgeführte Umsatzsteuer wurde durch das Finanzamt an dessen Insolvenzmasse zurückgezahlt.
Das Urteil des EuGH
Der EuGH stellte in seinem Urteil fest, dass der Leistungsempfänger in solchen Fällen keinen direkten Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht entrichteten Mehrwertsteuer von der Finanzverwaltung seines Mitgliedstaates hat, wenn die Mehrwertsteuer bereits an den Insolvenzverwalter des Leistenden zurückgezahlt wurde. Dies gilt selbst dann, wenn der Empfänger keinen Zugriff mehr auf die Rückerstattung durch den Leistenden hat. Ein solcher Direktanspruch wäre nur möglich, wenn alle anderen Wege der Rückforderung unzumutbar oder erschwert wären.
Praxistipps: So vermeiden Sie Fehler bei grenzüberschreitender Rechnungsstellung
Das Urteil betont die Grenzen des Direktanspruchs auf Mehrwertsteuererstattung. Unternehmen, die von einer falschen Rechnungsstellung betroffen sind, sollten unbedingt prüfen, ob der Leistende – insbesondere in grenzüberschreitenden Fällen – die Umsatzsteuer im richtigen Land ausweist. Kommt es zu einem Fehler und der Leistende ist zahlungsunfähig, bleibt es oft beim Insolvenzverwalter, die falsche Rechnung zu korrigieren und die Steuer zu erstatten. Ein Direktanspruch gegen die Finanzverwaltung ist nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen möglich.
Das EuGH-Urteil als Warnung für die Praxis
Das EuGH-Urteil vom 5. September 2024 zeigt deutlich, dass bei grenzüberschreitenden Leistungen eine fehlerhafte Rechnungsstellung schwerwiegende Konsequenzen haben kann. Unternehmen sollten sicherstellen, dass die Umsatzsteuer in dem richtigen Land abgeführt wird und eventuelle Fehler frühzeitig korrigiert werden. In Insolvenzfällen sollten betroffene Unternehmen schnell handeln, um mögliche Rückforderungen geltend zu machen.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
- Frühzeitige Prüfung der Steuerpflicht: Unternehmen sollten vor grenzüberschreitenden Geschäften klären, wo die Mehrwertsteuer fällig wird.
- Rechnungsstellung: Achten Sie darauf, dass die Umsatzsteuer korrekt ausgewiesen ist, um spätere Komplikationen zu vermeiden.
- Korrektur bei Fehlern: Sollten falsche Rechnungen erstellt worden sein, sollte dies schnellstmöglich korrigiert werden.
- Zivilrechtliche Klage in Betracht ziehen: Bei einer Insolvenz des Leistenden ist eine zivilrechtliche Klage möglicherweise der einzige Weg, um finanzielle Verluste zu minimieren.
Unsere Einschätzung
Das EuGH-Urteil verdeutlicht, dass Unternehmen in solchen Fällen mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert sind. Für Mandant:innen bedeutet dies, dass bei der Rechnungsprüfung besondere Vorsicht geboten ist, um solche Komplikationen zu vermeiden. Wir empfehlen, bei Unsicherheiten in Bezug auf die Steuerpflicht des jeweiligen Landes eine frühzeitige Abstimmung mit Ihrem Steuerberater oder Ihrer Steuerberaterin vorzunehmen. Unternehmen sollten auch die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Klage gegen den Leistenden in Betracht ziehen, um finanzielle Verluste zu minimieren.
Dieses Urteil stellt eine wichtige Mahnung dar, in grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen stets eine präzise steuerliche Prüfung vorzunehmen. Bei Fragen stehen Ihnen unsere Steuerberater Marcus Sauer und Sebastian Raphael Vogt zur Seite.
Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.