9. Oktober 2024
Revolution im Fußball: EuGH-Urteil stellt Transfersystem der FIFA auf den Kopf
Am 04.10.2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein wegweisendes Urteil gefällt, das die Transferregeln des Weltfußballverbandes FIFA für teilweise rechtswidrig erklärt. Diese Entscheidung wird tiefgreifende Auswirkungen auf den Profifußball und das gesamte Transfersystem der FIFA haben.
Hintergrund des Rechtsstreits zum Transfersystem der FIFA
Der Fall des ehemaligen französischen Nationalspielers Lassana Diarra bildete den Ausgangspunkt für das Urteil. Diarra hatte seinen Vertrag bei Lokomotive Moskau vorzeitig ohne Grund gekündigt und die FIFA-Regeln verhinderten, dass er beim belgischen Klub Sporting Charleroi anheuern konnte. Denn nach den FIFA-Regeln drohten Sporting Charleroi die Übernahme von Diarras Entschädigungszahlungen an seinen alten Verein in Höhe von über 10 Millionen Euro und eine mögliche einjährige Transfersperre.
Kernpunkte des EuGH-Urteils
Der EuGH befand, dass die FIFA-Regeln gegen zwei fundamentale Prinzipien des EU-Rechts verstoßen:
- Arbeitnehmerfreizügigkeit: Die Bestimmungen behindern die Beschäftigungsmöglichkeiten von Berufsfußballspieler:innen innerhalb der EU.
- Wettbewerbsrecht: Die Regeln schränken den grenzüberschreitenden Wettbewerb zwischen Vereinen erheblich ein.
Rechtliche Begründung des EuGH
Der EuGH argumentierte, dass die FIFA-Regeln aufgrund ihres wirtschaftlichen und sportlichen Drohpotentials geeignet seien, die Freizügigkeit von Berufsfußballspieler:innen zu behindern. Obwohl der EuGH ein allgemeines Interesse an der Aufrechterhaltung einer gewissen Beständigkeit in den Mannschaften anerkannte, befand er, dass die gegenwärtigen Bestimmungen über das erforderliche Maß hinausgingen.
Zudem sah der EuGH den grenzüberschreitenden Wettbewerb durch die FIFA-Regeln beeinträchtigt. Die Möglichkeit, bereits ausgebildete Spielerinnen und Spieler zu verpflichten, spiele im heutigen Profifußball eine wichtige Rolle. Die Bestimmungen, die diese Art des Wettbewerbs beschränken, würden einem Abwerbeverbot gleichen, was mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sei.
Auswirkungen auf den Fußballmarkt durch das Transfersystem der FIFA
Das Urteil wird voraussichtlich massive Veränderungen im Transfersystem nach sich ziehen:
- Mehr Freiheit für Spielerinnen und Spieler: Fußballspielende können künftig leichter den Verein wechseln, auch mit laufendem Vertrag.
- Steigende Gehälter: Besonders Topspielerinnen und Topspieler könnten von noch höheren Gehältern profitieren.
- Neue Chancen für den Fußball-Nachwuchs: Weniger bekannte Spielerinnen und Spieler erhalten größere Entwicklungsmöglichkeiten.
Vergleich zum Bosman-Urteil
Die aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) erinnert an das EuGH-Urteil vom 15. Dezember 1995, welches ebenfalls einen Wendepunkt in der Geschichte des Profifußballs begründete. Benannt nach dem belgischen Fußballspieler Jean-Marc Bosman, hatte diese Entscheidung ebenfalls weitreichende Folgen für den Transfermarkt und die Zusammensetzung von Fußballmannschaften in Europa.
Kernpunkte des Urteils:
- Ablösefreie Transfers: Fußballspielende dürfen nach Vertragsende ablösefrei zu einem anderen Verein wechseln.
- Aufhebung der Ausländerbeschränkung: Die Begrenzung der Anzahl von EU-Ausländern in einer Mannschaft wurde für rechtswidrig erklärt.
- Auswirkungen auf den Fußballmarkt: Stärkung der Spielerposition: Fußballspielende erhielten mehr Verhandlungsmacht gegenüber den Vereinen.
- Internationalisierung der Ligen: Die Aufhebung der Ausländerbeschränkung führte zu einer starken “Europäisierung” der nationalen Ligen.
- Veränderung der Transferpolitik: Vereine begannen, verstärkt auf den internationalen Transfermarkt zu setzen.
- Gehaltsexplosion: Die Gehälter der Profis nahmen massiv zu, da Spielerinnen und Spieler nun in der Lage waren, bessere Konditionen auszuhandeln.
Das Bosman-Urteil hat den Fußball nachhaltig verändert und die Grundlage für den modernen, internationalen Profifußball gelegt. Das neue EuGH-Urteil im Fall Diarra könnte ähnlich weitreichende Folgen haben wie das Bosman-Urteil. Es stellt das bestehende Transfersystem erneut infrage und könnte zu einer weiteren Liberalisierung des Fußballmarktes führen. Expert:innen sehen darin sogar noch größere Auswirkungen als beim Bosman-Urteil.
Unsere Einschätzung
Während die FIFA das Urteil herunterspielt und betont, dass nur zwei Absätze von zwei Artikeln des Reglements beanstandet wurden, feiern Spielergewerkschaften und Anwält:innen einen großen Sieg. Sie erwarten große Veränderungen im FIFA-Transfersystem und sehen Auswirkungen, die über den Fußball hinausgehen und auch andere Sportverbände betreffen könnten.
Für Vereine bedeutet das Urteil, dass sie neue Wege finden müssen, um Spielerinnen und Spieler an sich zu binden. Nicht nur finanzielle Anreize, sondern auch weiche Faktoren wie Vereinskultur und persönliche Betreuung könnten in Zukunft eine größere Rolle spielen.
Das EuGH-Urteil markiert einen Wendepunkt im Profifußball und wird das Transfergeschäft noch schnelllebiger und dynamischer machen. Es bleibt abzuwarten, wie Verbände, Vereine und Fußballprofis auf diese neue Ära reagieren werden.