Wie steht es um die DAC6: Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen?
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21. Juli 2023

Wie steht es um die DAC6: Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen?

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Die Ausgestaltung der Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltung wird als Tiefpunkt in der Steuergesetzgebung Deutschlands bezeichnet. Auch wenn die Sanktionsverschärfung vorerst abgewendet werden konnte, steht die Erweiterung der Mitteilungspflichten auf rein innerstaatliche Steuergestaltungen weiterhin zur Debatte.

Deutschland hat trotz der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht von der auf EU-Ebene beschlossenen Fristverschiebung Gebrauch gemacht. Darum gelten die Regelungen zur Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen seit dem 1. Juli 2020. Die Regelungen stehen aufgrund des hohen Abstraktionsgrads sowie einer Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen in der Kritik. Das zur Klärung ersehnte BMF-Schreiben lag noch lange nach dem 1. Juli 2020 nur in einer überarbeiteten Entwurfsfassung vor. Das offizielle BMF-Schreiben erschien erst mit knapp neun Monaten Verspätung am 29. März 2021 und enthielt keine substanziellen Änderungen. Die geforderten Klarstellungen blieben aus. Das BMF-Schreiben wurde seitdem zweimal im kleinen Rahmen angepasst.

Am 26. Juli 2022 erfolgte die Anpassung der Randnummer 255 des BMF-Schreibens. Da ging es um Ergänzungsmeldungen bei Hinzutreten neuer Nutzer im Rahmen marktfähiger Steuergestaltungen.

Am 23. Januar 2023 wurde die Randnummer 248 des BMF-Schreibens geändert. Dabei ging es um Informationspflichten des oder der mitteilenden Intermediär an den oder die Nutzer:in über die ans Bundeszentralamt für Steuern übermittelten Angaben. 

Weitere Konkretisierungen sowie die Beantwortung von Anwendungsfragen blieben aus.

Eingriff in die EU-Grundrechte durch DAC6

Mit Urteil vom 08.12.2022 in der Rechtssache C-694/20 (Orde van Vlaamse Balies u. a.) hat die große Kammer des Europäischen Gerichtshof (EuGH) die vielfach in der Literatur geäußerten Bedenken bestätigt. Es geht um die Unterrichtungspflicht des Intermediärs gem. Art. 8ab Abs. 5 der Richtlinie 2011/16/EU, die gegen das Berufsgeheimnis gem. Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstößt.

In dem durch den belgischen Verfassungsgerichtshof im Rahmen des sogenannten Vorabentscheidungsverfahren an den EuGH herangetragenen Fall wurde lediglich das garantierte Recht auf Achtung der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant als Ausfluss des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens behandelt. Ferner hatte Belgien im Gegensatz zu Deutschland bei der Umsetzung der DAC6-Richtlinie von der sogenannten Befreiungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Demnach waren Intermediäre, die einer nationalen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, von der grundsätzlichen Mitteilungspflicht befreit. Die befreiten Intermediäre mussten jedoch etwaige andere Intermediäre oder den Nutzer bzw. die Nutzerin über ihre Mitteilungspflichten unverzüglich unterrichten. 

Auch wenn der Fall originär den Berufsstand der Rechtsanwält:innen betrifft und die Befreiungsmöglichkeit im Rahmen des deutschen Umsetzungsgesetzes nicht in Anspruch genommen wurde, stärkt das Urteil grundsätzlich die gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung von Berufsgeheimnisträger:innen wie Steuerberater:innen und entfaltet Signalwirkung. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hat sich in seiner Stellungnahme vom 20.03.2023 zu diesem Urteil geäußert und ebenfalls erneut für eine Stärkung des Berufsgeheimnisses der steuerberatenden Berufe appelliert.

Im Rahmen der am 16.05.2023 von ECOFIN-Rat beschlossenen Anpassungen wird die EU-Amtshilferichtlinie in Einklang mit dem zuvor genannten Urteil gebracht.

EU-Kommission schlägt verschärfte Mindestsanktionen vor

Am 8. Dezember 2022 veröffentlichte die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine Änderungsrichtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (DAC8). Der Vorschlag enthielt unter anderem auch Regelungen zur DAC6. Die EU-Kommission schlägt vor, dass

  • bei Nichtmitteilung nach zwei gültigen amtlichen Mahnungen
  • oder wenn die übermittelten Informationen unvollständige, unrichtige oder falsche Angaben enthalten,

eine finanzielle Mindestsanktion verhängt werden muss, deren Betrag mehr als 25 Prozent der meldepflichtigen Informationen ausmacht. 

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hat diese hohe Strafandrohung für Intermediäre, insbesondere Steuerberater:innen, bei bestimmten Verstößen gegen die Mitteilungspflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen scharf kritisiert. Die Mindeststrafen sahen im Vergleich zu den bestehenden Regelungen in Deutschland teilweise eine Vervielfachung des Sanktionsmaßes vor. Der Rat der EU folgte der Stellungnahme des DStV und fordert in dem neuesten Entwurf zur Änderungsrichtlinie vom 05.05.2023, dass die Mitgliedstaaten nun wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Strafen einführen. In Deutschland dürfte daher wenig Veranlassung bestehen, die bisherigen Regelungen wesentlich abzuändern.

Zur Erinnerung: Liegen vorsätzlich oder fahrlässig etwaige Mitteilungspflichten zu grenzüberschreitenden Steuergestaltungen nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, sind das Ordnungswidrigkeiten , die in Deutschland mit einer Geldbuße von jeweils bis zu 25.000 Euro geahndet werden können.

Evaluation der DAC6-Regelungen in Deutschland

Nach Angaben von VinciWorks hatte das BZSt bis zum 11.10.2021 insgesamt 14.047 deutsche DAC6-Meldedatensätze erhalten und verarbeitet. Weitere Daten zwecks Evaluation der deutschen DAC6-Umsetzung lieferte die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU vom 08.05.2023 (Drucksache 20/6734).

Bis zum 31.03.2023 sind nach Angaben der Bundesregierung beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) insgesamt 26.921 Meldungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen eingegangen. 

Zusätzlich hat das BZSt weitere 1.967 Mitteilungen aus dem Zentralverzeichnis der Europäischen Union heruntergeladen, bei denen Deutschland als betroffener Mitgliedstaat einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung gekennzeichnet wurde.

Insgesamt wurden bis dato lediglich 24 grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle identifiziert, bei denen rechtspolitischer Handlungsbedarf bestehe. Die Informationen zu diesen Gestaltungen hat das BZSt an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) weitergeleitet. Das BMF hat die Finanzbehörden der Länder in diesen 24 Fällen über die Ergebnisse der Auswertung informiert, da in den mitgeteilten Steuergestaltungen Steuern betroffen waren, die ganz oder teilweise den Ländern oder Gemeinden zustehen.

Eine direkte Weiterleitung von Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen durch das BZSt an die Landesfinanzbehörden erfolgt nicht. Es werden lediglich die Registrier- und Offenlegungsnummer mitgeteilt sowie die Information, dass Angaben über mitgeteilte grenzüberschreitende Steuergestaltungen vorliegen. Ergänzend stellt das BZSt auch die Angaben nach § 138f Abs. 3 AO, eigene Ermittlungsergebnisse und die Ergebnisse der Auswertung zum Abruf bereit.

Für die 24 grenzüberschreitenden Steuergestaltungsmodellen gilt, dass die hiermit zusammenhängenden Regelungslücken in den Steuergesetzen zwischenzeitlich geschlossen werden konnten, zum Beispiel durch das Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb (StAbwG).

Ferner wurde mitgeteilt, dass mittlerweile 76,5 Prozent der Mitteilungen von Intermediären und nur 22,9 Prozent von Nutzer:innen einer Steuergestaltung stammen. Zum I. Quartal 2021 erfolgte die Mehrheit der Meldungen noch durch Nutzer:innen statt durch Intermediäre.

Hintergrund der Anfrage seitens der Fraktion war eine Auswertung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Nach Angaben der Bundesregierung flossen durch die Einführung der Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen zwischen den Jahren 2019 und 2022 im BZSt und beim ITZBund insgesamt 44,5 Millionen Euro Haushaltsmittel für einmalige Kosten ab. 

Zu Steuermehreinnahmen durch die Bekämpfung und Aufdeckung von identifizierten grenzüberschreitenden Steuergestaltungen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Wie viele Betriebsprüfungen oder Steuerstrafverfahren durch eingegangene Mitteilungen ausgelöst wurden, konnte bisher ebenfalls nicht beantwortet werden.

Ausweitung auf rein innerstaatliche Steuergestaltungsmodelle

Die kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU hinsichtlich der Evaluation der deutschen DAC6-Umsetzung erfolgte zudem auch vor dem Hintergrund der geplanten Ausweitung der Mitteilungspflichten auf rein innerstaatliche Steuergestaltungsmodelle.

Auf Vorschlag der Finanzministerkonferenz vom 21.06.2018 enthielt der Referentenentwurf des Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung von Steuergestaltungen vom 30.01.2019 konkrete Vorschriften hinsichtlich rein innerstaatlicher Steuergestaltungen. Aufgrund berechtigter Kritik und der erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Schrifttum wurde der Vorschlag bereits im nächsten Entwurf wieder fallen gelassen.

Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vom 24.11.2021 wurde die Einführung einer Mitteilungspflicht für nationale Steuergestaltungen erneut angekündigt. Die Ausweitung der bestehenden Mitteilungspflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen soll für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro gelten.

Aufgrund des hohen Erfüllungsaufwandes auf allen Seiten durch die Mitteilungspflichten sowie der bevorstehenden Einführung der globalen Mindestbesteuerung, welche für Unternehmen, Berater:innen und Finanzverwaltung weiteren Aufwand erwarten lässt, sollte vor der Ausweitung der Mitteilungspflicht zunächst eine umfangreiche Evaluation abgewartet werden.

Verfahren, Rückmeldungen und Analysemöglichkeiten durch das BZSt

Das Verfahren zur Mitteilung von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ist standardisiert und digitalisiert. Die Mitteilungen werden mithilfe von XML-Datensätzen übermittelt. Zu jeder Datenlieferung erhalten Meldende vom BZSt mehrere technische Rückmeldungen.

Im BZSt erfolgt zudem eine manuelle Prüfung im Fachverfahren. Neben technischen Rückfragen stellt das BZSt insbesondere auch Rückfragen inhaltlicher Natur. Primär wird die Nachbesserung hinsichtlich einer hinreichend konkreten sowie nachvollziehbaren Beschreibung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung sowie die korrekte Benennung aller einschlägigen Rechtsvorschriften, die durch die Gestaltung stehen, gefordert.

Das BZSt kann folgende analytische Verfahren für DAC6-Datensätze einsetzen: 

  • Schlagwortanalyse
  • Kennzahlenanalyse
  • Zeitreihenvergleich
  • Externer Betriebsvergleich
  • Ziffernanalyse
  • Identifikation risikobehafteter Sachverhalte

Folgen des Ukraine-Kriegs

Aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine hat das BMF im Einklang mit der schwarzen Liste der EU zum 21.02.2023 eine überarbeitete Liste der nicht kooperierenden Steuerhoheitsgebiete in Bezug auf die DAC6-Meldepflichten als Anlage zum BMF-Schreiben veröffentlicht. Somit greift nun auch in Bezug auf Russland die Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, sofern Zahlungen an ein verbundenes Unternehmen mit Ansässigkeit in diesem Staat getätigt werden (§ 138e Abs. 2 Nr. 1 lit. a sublit. bb AO).

Angabepflicht in der Steuererklärung 

Deutschland hat im DAC6-Umsetzungsgesetz zudem in § 138k AO eine Pflicht zur Angabe der grenzüberschreitenden Steuergestaltung in der Steuererklärung kodifiziert. Solch eine Angabepflicht ist in der EU-Richtlinie nicht vorhanden. Gemäß § 138k AO hat ein:e Nutzer:in bei Verwirklichung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung diese in der Steuererklärung für die Steuerart und den Besteuerungszeitraum oder den Besteuerungszeitpunkt, in der sich der steuerliche Vorteil der grenzüberschreitenden Steuergestaltung erstmals auswirken soll, anzugeben. Hierzu genügt die Angabe der zugeteilten Registriernummer und Offenlegungsnummer. Verstöße können auch hier mit einer Geldbuße von jeweils bis zu 25.000 Euro geahndet werden.

Unsere Einschätzung

Die mangelnde Bestimmtheit der Hallmarks erschwert die Identifizierung grenzüberschreitender Steuergestaltungen. Aufgrund der Komplexität sind umfassende Kenntnisse im nationalen und internationalen Steuerrecht gefordert. Sie erhalten durch die interdisziplinäre Fach- und Branchenexpertise unserer Steuerberater:innen, Wirtschaftsprüfer:innen, Rechtsanwält:innen sowie Unternehmensberater:innen umfassende Unterstützung. Aufgrund der kurzen Fristen von lediglich 30 Tagen nach Auslösen des maßgeblichen Ereignisses sowie der empfindlichen Geldbußen ist eine laufende Überwachung unumgänglich. Je nach Unternehmensgröße kann daher auch die Implementierung eines Tax-CMS empfehlenswert sein. In jedem Fall entsteht für alle Beteiligten ein erhöhter Compliance-Aufwand. Im Rahmen unserer Mandatsbetreuung überwachen wir neben den Mitteilungspflichten auch die erweiterten Angabepflichten im Rahmen der Steuerdeklaration. Sofern keine Mitteilungspflicht besteht, erstellen wir Ihnen gerne eine Negativdokumentation. Sprechen Sie uns gerne an

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In unserem Blogbeitrag vom 20. April 2021 zum Thema DAC6 – Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen haben Sie bereits einen Überblick zu den geltenden Bestimmungen erhalten.

Tim Nöhring

Steuerassistent, LL.M

Julian Heesemann

Associate Partner und Steuerberater

Expert:innen zu diesem Thema

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