1. August 2022

Fehlende Angaben zum steuerlichen Einlagekonto – BFH bestätigt offenbare Unrichtigkeit

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Beim steuerlichen Einlagekonto haben fehlende Angaben in der Vergangenheit immer wieder Fragen und Probleme hervorgerufen. Jetzt gibt es eine neue Entwicklung: Der Bundesfinanzhof (BFH) schließt in seinem Urteil vom 08.12.2021, I R 47/18 (veröffentlicht am 28.07.2022) eine offenbare Unrichtigkeit (§ 129 Satz 1 AO) nicht aus. Was diese Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für Sie bedeutet, fassen wir in diesem Beitrag zusammen.

Das steuerliche Einlagekonto (§ 27 Abs. 2 KStG) ist bei Kapitalgesellschaften im Rahmen der Körperschaftsteuer dafür gedacht, dass die von den Gesellschafter:innen geleisteten Einlagen in das Eigenkapital von den durch die Gesellschaft selbst erwirtschafteten Gewinnen getrennt werden. Dieses steuerliche Einlagekonto ist jährlich fortzuschreiben und gesondert festzustellen. Die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos und die Einstellung sind dem Finanzamt jährlich mit der Körperschaftsteuererklärung mitzuteilen. Fehlen dazu Angaben und das Finanzamt hat den jährlichen Bestand somit nicht richtig feststellen können, gibt es bei bestandskräftigen, also grundsätzlich nicht mehr änderbaren Steuerbescheiden, Probleme. Die fehlerhafte Feststellung führt gegebenenfalls zu steuerlichen Nachteilen, wenn Gewinnausschüttungen anstehen oder aber eine Kapitalgesellschaft liquidiert wird.

Erst jetzt veröffentlicht – neues BFH Urteil zum Einlagekonto

Der BFH hat in seinem Urteil vom 08.12.2021 (I R 47/18) ein für die Steuerpflichtigen positives Urteil gesprochen. Veröffentlicht wurde das Urteil am 28.07.2022. Der BFH zeigt darin einen Lösungsansatz auf.

Streitig war, ob der Steuerbescheid der klagenden Kapitalgesellschaft über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (zum steuerlichen Einlagekonto) zu ändern ist. Im Urteilsfall hatte die Klägerin den Bestand des steuerlichen Einlagekontos in der entsprechenden Steuererklärung fehlerhaft erklärt, was aus den Erläuterungen in der in Papierform eingereichten Bilanz (Jahresabschluss) zu erkennen war.

Das steuerliche Einlagekonto wurde vom zuständigen Finanzamt entsprechend mit den fehlerbehafteten Angaben in der Steuererklärung festgestellt. Das zuständige Finanzamt (Einspruchverfahren) sowie das angerufene Finanzgericht (Klageverfahren erste Instanz, Finanzgericht München, Urteil vom 17.09.2018, 7 K 2805/17) lehnten jeweils eine nachträgliche Änderung des erklärten Einlagekontos nach § 129 AO (Offenbare Unrichtigkeit) ab. Begründet wurde dieses jeweils damit, dass die richtige Höhe der erbrachten Einzahlungen in die Kapitalrücklage aus der Bilanz nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen sei.

Was ist eine offenbare Unrichtigkeit?

Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO).

Nun hat der BFH entschieden, dass doch eine offenbare Unrichtigkeit vorliegen könne. Der BFH schreibt dazu in seinem Leitsatz: Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage ausreiche, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich seien, schließe eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 AO nicht aus.

Weiter begründet der BFH: „Zumindest in denjenigen Fällen, in denen die offenbare Unrichtigkeit auf der versehentlichen Nichtangabe eines Werts in der Steuererklärung beruht, ist § 129 Satz 1 AO bereits dann anwendbar, wenn für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar ist, dass die Nichtangabe fehlerhaft ist (Anschluss an BFH, Urteil v. 22.5.2019 – XI R 9/18, BStBl II 2020, 37). Entsprechendes muss gelten, wenn (nur) die Angabe einer Endsumme mit 0 € erfolgt und dies erkennbar unrichtig ist.“

Der BFH hat das Urteil des Finanzgerichts München aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzgericht München zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Nun muss das Finanzgericht München im zweiten Rechtsgang die tatsächliche Höhe des steuerlichen Einlagekontos ermitteln. Dazu sind weitere Sachverhaltsermittlungen notwendig.

Unsere Einschätzung

Der Bundesfinanzhof hat sich wieder einmal gegen die Meinung der Finanzverwaltung sowie gegen ein Urteil eines Finanzgerichts gestellt. Daraus kann man schließen, dass man nicht in allen Fällen „klein beigibt”. Es kann sich tatsächlich lohnen, den Rechtsweg im Rahmen der Finanzgerichtsbarkeit bis zum Ende zu gehen.

Mit dem jetzt veröffentlichten Urteil kann man, unter Beachtung der Verjährungsregeln, noch fehlerhafte Bescheide zum steuerlichen Einlagekonto ändern lassen. Diese Problematik taucht in der Steuerberaterpraxis häufig auf.

Haben Sie Fragen dazu? Sprechen Sie uns gerne an.

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