27. Oktober 2022

Garantie und Umsatzsteuer – wichtige Übergangsfrist endet

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Geben Unternehmen eine Extra-Garantie und erbringen so eigenständige Garantieleistungen, so unterliegen diese der Umsatzsteuer. Dies folgerte das Bundesministerium der Finanzen aus einem Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2018. Nun endet eine wichtige Übergangsfrist. Lesen Sie hier, was das konkret für Unternehmer:innen bedeutet.

Hintergrund zu Garantie und Umsatzsteuer – das Urteil des Bundesfinanzhofs

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in einem Urteil vom 14. November 2018 (XI R 16/17) entschieden, dass eine entgeltliche Garantiezusage eine selbstständige umsatzsteuerliche Leistung ist. Das heißt auch, dass sie keine unselbstständige Nebenleistung zur Hauptleistung (der Lieferung) darstellt.

Auf Basis des Urteils hatte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 11. Mai 2021 ein Schreiben verfasst, in dem es bestimmte Garantieleistungen eines Unternehmers als selbstständige Leistungen qualifiziert.
Dafür gilt eine Übergangsfrist, die am 31. Dezember 2022 endet.

Garantieleistungen als selbstständige umsatzsteuerliche Leistung

Wenn die Übergangsfrist endet, gelten ab dem 1. Januar 2023 neue Grundsätze für Garantieleistungen. Konkret:

  • Wenn Unternehmer:innen eine entgeltliche Garantieleistung erbringen, die über den gesetzlichen Standard von zwei Jahren hinausgeht, gilt dies als Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungssteuergesetzes (VersStG). Laut BMF gilt dies sowohl in Fällen, in denen die Garantieleistung durch Geldleistungen als auch durch Sachleistungen besteht.

Steuerliche Auswirkungen von entgeltlichen Garantieleistungen

Garantieleistungen, die über den gesetzlichen Mindestanspruch von zwei Jahren hinausgehen, sind Versicherungsleistungen im Sinne des Versicherungssteuergesetzes (VersStG). Das bedeutet auch, dass diese Leistungen nach § 4 Nr. 10 UStG umsatzsteuerfrei sind. Unternehmer:innen erbringen also umsatzsteuerfreie Ausgangsleistungen, die den Vorsteuerabzug ausschließen.

Bei der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 10 UStG handelt es sich um eine unechte Umsatzsteuerbefreiung, die den Vorsteuerabzug ausschließt. Dies hat zur Folge, dass die Umsatzsteuer auf Eingangsleistungen, die unmittelbar den Garantieleistungen zugeordnet werden können (z. B. Ersatzteile), nicht als Vorsteuer abzugsfähig ist. Für Unternehmer:innen entsteht ein Vorsteuerschaden. Darüber hinaus ist für Gemeinkosten ein Vorsteuer-Schlüssel zu bilden, der sich aus dem Verhältnis der umsatzsteuerfreien zu den umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsumsätzen zusammensetzt. Umsatzsteuer auf Gemeinkosten sind anteilig – anhand des Vorsteuer-Schlüssels – als nicht abzugsfähige Vorsteuerbeträge zu qualifizieren. Eine weitere Schwierigkeit entsteht, wenn Eingangsleistungen (z. B. Ersatzteile) bezogen werden und noch nicht klar ist, ob diese für Garantieleistungen verwendet werden, die innerhalb der gesetzlichen Garantiezeit erbracht werden (= steuerpflichtige Nebenleistung zur Hauptleistung und somit Vorsteuerabzug), oder für Garantieleistungen verwendet werden, die im Rahmen der erweiterten Garantieleistung verwendet werden (= selbstständige steuerfreie Leistung ohne Vorsteuerabzug).

Überdies ergeben sich weitere Compliance-Verpflichtungen für die Unternehmer:innen. Da die Leistungen als Versicherungsleistungen im Sinne des VersStG verstanden werden, sind sie verpflichtet, Versicherungssteuer-Anmeldungen abzugeben. Verantwortliche Stelle für diese Anmeldungen ist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Um die Versicherungssteuer-Anmeldungen abgeben zu können, ist daher eine Registrierung beim BZSt notwendig.

Mögliche Auswege bei Problemen mit Umsatzsteuer und Garantie – Vollwartungsvertrag oder Unentgeltlichkeit

Das BMF selbst hat in seinem Schreiben vom 11. Mai 2021 klargestellt, dass die genannten Grundsätze nicht greifen, wenn die Garantiezusage in Verbindung mit dem Abschluss eines Vollwartungsvertrages für den Kaufgegenstand erteilt wird. In diesen Fällen ist die Garantieleistung wieder (steuerpflichtige) Nebenleistung zur Hauptleistung „Vollwartungsvertrag“.

Weitere Ausführungen hierzu sind im BMF-Schreiben leider nicht zu finden. Überdies gibt es keine gesetzlichen Normen für den Begriff “Vollwartungsvertrag”. Daher bleibt unklar, wann ein Vertrag als Vollwartungsvertrag angesehen wird und die damit verbundene Garantieleistung umsatzsteuerpflichtig und damit nicht mehr vorsteuerschädlich ist.
Aus unserer Sicht zeichnet sich ein Vollwartungsvertrag insbesondere durch einen stark ausgeprägten Service-Aspekt aus. Auch wenn unklar ist, wie ein solcher Vertrag im Detail ausgestaltet sein muss.

Eine weitere Möglichkeit, die umsatzsteuerfreie Garantieleistung zu vermeiden, wäre die Unentgeltlichkeit der Garantieleistung. Da vom BMF-Schreiben ausdrücklich nur entgeltliche Garantieleistungen erfasst werden, werden unentgeltliche Leistungen hiervon nicht berührt. Die Entgeltlichkeit der Leistung zeichnet sich dadurch aus, dass Kund:innen für die erweiterte Garantie ein separates Entgelt bezahlen. Ist die Leistung mit dem Entgelt für die Lieferung des Gegenstands abgegolten, wäre diese als unentgeltliche Leistung zu verstehen.

Allerdings ist an dieser Stelle Vorsicht geboten, da es in der einschlägigen Literatur Stimmen gibt, die eine Unentgeltlichkeit in dieser Konstellation ablehnen. Grund: Jeder und jede kaufmännische Unternehmer:in wird die Garantieleistung in den „Gesamtpreis“ der Lieferung einkalkulieren. Somit wäre die Leistung dann wohl faktisch entgeltlich und die genannten Grundsätze des BMF-Schreibens anwendbar.

Unsere Einschätzung

Die Anwendung der Grundsätze des beschriebenen BMF-Schreibens stellt Unternehmer:innen vor massive Herausforderungen, die sowohl im administrativen als auch wirtschaftlichen Bereich liegen.

Derzeit unklar ist noch, ob die Anwendung der Grundsätze des BMF-Schreibens noch einmal hinausgeschoben werden. Daher sind alle Unternehmer:innen, die erweiterte entgeltliche Garantieleistungen anbieten, von den umsatzsteuerlichen Auswirkungen des BMF-Schreibens betroffen.
Deshalb empfehlen wir Ihnen dringend, Ihre Verträge über die Garantieleistungen zu überprüfen, um mögliche umsatzsteuerliche Konsequenzen noch rechtzeitig zu erkennen.

Haben Sie Fragen rund um die Themen Garantie, Garantieleistungen und Umsatzsteuer? Dann kommen Sie Sie jederzeit gerne auf uns zu!

 

Marius Bensmann

Prokurist, Steuerberater

Marcus Sauer

Partner, Steuerberater, Diplom-Volkswirt

Sebastian Raphael Vogt

Prokurist, Head of Indirect Tax, Rechtsanwalt (Syndikusanwalt)

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