
21. Oktober 2024
BFH-Urteil: Unternehmensidentität bei GmbH unerheblich für Nutzung von Gewerbeverlusten
Inhaltsverzeichnis
Mit kürzlich veröffentlichtem Urteil entschied der Bundesfinanzhof (BFH) am 25.04.2024, (Az. III R 30/21), dass die Änderung der wirtschaftlichen Betätigung einer Kapitalgesellschaft und die Übertragung einer betrieblichen Einheit auf eine andere Kapitalgesellschaft, die für die Nutzung des Gewerbeverlusts notwendige Unternehmensidentität der übertragenden Kapitalgesellschaft nicht berühre. Dies ist für die Verlustnutzung bei Kapitalgesellschaften von großer Bedeutung. Daneben stellte der BFH zudem klar, dass gewerbesteuerliche Verlustvorträge bei Anwachsung einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft im Umfang der bisherigen Beteiligung der Kapitalgesellschaft bei dieser fortgeführt werden können.
Der Urteilsfall: Hintergrund und Entscheidung des BFH
Die Klägerin war eine GmbH. Bis 2010 war die GmbH mit einem Anteil von 100% Kommanditistin der A GmbH & Co. KG. Steuerlich lag eine Mitunternehmerschaft vor. Die Komplementärin mit einem Anteil von 0% war die B Verwaltungsgesellschaft mbH. Zum 31.12.2010 wurde für die KG ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von 34.793.699 Euro festgestellt.
Im Jahr 2011 erfolgte die Verschmelzung der B Verwaltungsgesellschaft mbH auf die Klägerin, wodurch das Vermögen der KG in Wege der Anwachsung auf die GmbH überging. Der von der KG übernommene Betrieb wurde von der GmbH zunächst fortgeführt. Auch eine Fortführung der gewerbesteuerlichen Verlustvorträge erfolgte in den Feststellungsbescheiden. Zum 31.12.2012 wurde ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von 43.554.465 Euro festgestellt.
Im Jahr 2013 veräußerte die Klägerin ihr operatives Geschäft im Rahmen eines Asset Deals zu Buchwerten an eine andere GmbH. Die Klägerin bestand zwar als Kapitalgesellschaft fort, der Betrieb der KG wurde aber infolgedessen nicht mehr durch sie weitergeführt. Die Klägerin änderte ihren Unternehmensgegenstand und firmierte nun als C-GmbH.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 2011 bis 2013 kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Asset Deals ein Wegfall der Unternehmensidentität vorlag und somit die von der KG übernommenen gewerbesteuerlichen Verluste in Höhe von 34.793.699 Euro wegfallen. Der BFH hat nun klargestellt, dass sowohl die Fortführung der gewerbesteuerlichen Verlustvorträge nach der Anwachsung möglich ist als auch – entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung – eine Veräußerung des bei Anwachsung übernommenen Betriebs nicht zu einem Wegfall der gewerbesteuerlichen Verlustvorträge führt.
Was bedeutet Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft?
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Berücksichtigung des Gewerbeverlusts aus vorherigen Erhebungszeiträumen die Unternehmeridentität und die Unternehmensidentität voraus.
Die Unternehmensidentität meint, dass der Gewerbebetrieb im Jahr der Anrechnung des Verlusts identisch sein muss mit dem Betrieb im Jahr der Entstehung des Verlusts. Als Gewerbebetrieb ist dabei grundsätzlich die ausgeübte gewerbliche Betätigung zu verstehen.
Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft unterliegt jedoch allein aufgrund ihrer Rechtsform vollumfänglich der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 2 GewStG). Demzufolge kann die Kapitalgesellschaft nur einen Betrieb haben, unabhängig von einer Anzahl von unterschiedlichen Tätigkeiten, die im Erhebungszeitraum ausgeübt werden. Änderungen im Unternehmenszweck führen aufgrund dessen, nach Auffassung der Rechtsprechung, nicht zu einer Änderung der Unternehmensidentität. Die Unternehmensidentität stellt somit, im Gegensatz zu Einzelunternehmen und Personengesellschaften, bei Kapitalgesellschaft in der Regel kein Kriterium für die Verlustberücksichtigung dar.
Stimmen in der steuerlichen Fachliteratur und verschiedene Finanzgerichte vertraten bisher jedoch die Meinung, dass auch bei einer Kapitalgesellschaft (wie auch bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen) hinsichtlich der Unternehmensidentität auf, die im Erhebungszeitraum tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abzustellen sei. Dementgegen stehe auch nicht § 2 Abs. 2 GewStG, da aus der Regelung nicht zu entnehmen sei, dass bei einer Änderung der Tätigkeit weiterhin der gleiche Gewerbebetrieb vorläge. Eine Änderung der Unternehmenstätigkeit führe demzufolge dazu, dass die Voraussetzung der Unternehmensidentität nicht mehr erfüllt sei.
Auf die Meinungsverschiedenheit in Literatur und Rechtsprechung wird auch im vorliegenden Urteil eingegangen, wobei die erstere Auffassung vertreten wird. Der BFH beruft sich dahingehend insbesondere auf das Urteil des FG München vom 25.01.2023 (6 K 1787/19). Demzufolge sei die Unternehmensidentität so lange gewahrt, bis der gesamte Betrieb der Kapitalgesellschaft aufgegeben oder veräußert wird. Der BFH begründet ebenfalls seine Auffassung mit dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs nach § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG. Die Unternehmensidentität bleibe nämlich unabhängig von ihrer Tätigkeit erhalten (anders bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen).
Auswirkungen von Anwachsungen und Geschäftsumwandlungen auf Gewerbeverluste
Nach Auffassung des BFH wird nach der Anwachsung der KG auf die GmbH der Geschäftszweck der KG nicht als gesonderter Betrieb in der GmbH fortgeführt. Für diese Ansicht gäbe es im Gesetz keine Grundlage. Viel mehr geht der angewachsene Betrieb in die GmbH derart über, dass die GmbH weiterhin einen einheitlichen Gewerbebetrieb darstellt. Für diese Auffassung spricht auch die Verlustfeststellung, die nicht zwischen Verlusten der GmbH und Verlusten des Betriebs der KG unterscheidet, sondern eine einheitliche Feststellung für den Erhebungszeitraum vornimmt. Allein aufgrund der Veräußerung dieses Geschäftsbereichs kann somit nicht geschlussfolgert werden, dass auch die in dem Zusammenhang entstandenen Fehlbeträge untergehen. Die gewerbesteuerlichen Verlustvorträge können daher weiterhin mit einem zukünftigen Gewerbeertrag verrechnet werden.
Eine andere Auffassung würde dazu führen, dass Verlustfeststellungen derart erfolgen müssten, dass innerhalb eines Erhebungszeitraums eine Unterscheidung zwischen allen Geschäftszwecken einer GmbH vorgenommen werden müsste. Dies wiederum hätte zur Folge, dass es auch einer Regelung bedürfte, in welcher Reihenfolge die Verluste verrechnet werden.
Die GmbH veräußerte im Rahmen des Asset Deals zwar ihr operatives Geschäft, wird jedoch nach einer Änderung des Unternehmensgegenstands und der Firma weitergeführt. Demzufolge wurde die GmbH nicht beendet. Das Fortbestehen der GmbH führe dazu, dass die Unternehmensidentität gewahrt ist und der Verlust nicht untergeht. Die Gesellschaft kann somit zukünftige Erträge mit den in der Vergangenheit auf Ebene der KG entstandenen gewerbesteuerlichen Verlusten verrechnen und dadurch ihre Steuerbelastung mindern.
Unsere Einschätzung: Was das BFH-Urteil für Kapitalgesellschaften bedeutet
Das Urteil des BFH beseitigt die bisher bestehende Rechtsunsicherheit aus der Meinungsverschiedenheit in der steuerlichen Fachliteratur und der Finanzgerichtsrechtsprechung in Bezug auf die Anwendung der Unternehmensidentität als Kriterium für den Gewerbebetrieb der GmbH und ist daher zu begrüßen. Es schafft mehr Handlungsspielraum beim Bestehen von gewerbesteuerlichen Verlustvorträgen bei der Veräußerung einzelner Geschäftsbereiche. Auch für Umstrukturierungen durch Anwachsungen besteht nun mehr Klarheit über den Erhalt von Verlustvorträgen. Die Finanzverwaltung hat sich bisher leider noch nicht dazu geäußert, ob sie die Rechtsprechung über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwenden wird. Eine zeitnahe Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt wäre aus Sicht der Steuerpflichtigen und der Steuerberatung wünschenswert.
Haben Sie Fragen zum Erhalt steuerlicher Verlustvorträge oder Strukturveränderungen in Ihrer Unternehmensstruktur? Unsere steuerlichen Expert:innen Julian Heesemann und Aleksandra Curi der ECOVIS KSO beraten Sie gerne.