11. März 2021

Ist ein Vorsteuerabzug über eine Vorschalt-Holding möglich?

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Können nicht vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer durch eine Vorschalt-Holding doch zum Vorsteuerabzug kommen? Dieser Frage geht der Europäische Gerichtshof (EuGH) aktuell nach. Wir liefern Ihnen alle Hintergrundinfos. 

In unseren Blogbeiträgen präsentieren wir Ihnen eigentlich immer eine durch die Rechtsprechung geklärte Rechtsfrage oder die Antwort der Finanzverwaltung auf eine bis dato offene Rechtsfrage. Ausnahmsweise werden wir von diesem Ansatz abweichen und uns einem beim EuGH laufenden Verfahren zum Thema Vorsteuerabzug durch eine Vorschalt-Holding widmen, welches der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 23. September 2020 dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt hat. Hintergrund des Verfahrens ist eine umsatzsteuerliche Gestaltung, die weitreichende Folgen haben könnte, sofern der EuGH den Vorsteuerabzug der Funktionsholding bejahen sollte. Um die Tragweite der Gestaltung zu verstehen, werden wir Ihnen zunächst kurz den aktuellen Stand des Verfahrens darlegen.

Mittels vorgeschalteter Funktionsholding zum Vorsteuerabzug?

Eine Personengesellschaft (Bauträger) tätigte überwiegend umsatzsteuerfreie Umsätze (§ 4 Nr.9 a. UStG), die den Vorsteuerabzug grundsätzlich ausschließen. Über der Personengesellschaft war eine Funktionsholding vorgeschaltet. Durch steuerpflichtige Umsätze war die Funktionsholding grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigt.
Die steuerpflichtigen Umsätze der Funktionsholding waren verschiedene Dienstleistungen, wie Geschäftsführungsleistungen oder die Erbringung von Buchhaltungsleistungen gegenüber der Personengesellschaft (Tochtergesellschaft).
Diese Leistungen rechnete die Funktionsholding gegenüber der Tochtergesellschaft mit Umsatzsteuer ab. Eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Funktionsholding und der Tochtergesellschaft bestand nicht.

Des Weiteren bezog die Funktionsholding verschiedene Dienstleistungen von fremden Dritten und machte aus diesen Leistungen den Vorsteuerabzug geltend. Dabei ging es um nicht direkt zuordenbare Allgemeinaufwendungen. Die Funktionsholding berechnete allerdings die Kosten aus diesen Dienstleistungen der fremden Dritten nicht weiter. Stattdessen vereinbarte sie mit der Tochtergesellschaft, diese Dienstleistungen unentgeltlich als Gesellschafterbeitrag bei der Tochtergesellschaft einzulegen.

Zum besseren Verständnis nehmen wir auf das nachfolgende Schaubild Bezug.

Finanzamt kürzte der (Vorschalt-) Funktionsholding den Vorsteuerabzug 

Im Zuge einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung griff das Finanzamt den Sachverhalt auf und kürzte der Funktionsholding den Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen der Dienstleister:innen, soweit diese von der Funktionsholding bei der Tochtergesellschaft unentgeltlich eingelegt worden waren.
Dabei vertrat das Finanzamt den Standpunkt, dass die Gesellschafterbeiträge nicht der Erzielung von Einnahmen dienten und somit zum nichtunternehmerischen Bereich gehörten. Sie seien auch nicht unternehmensfremd. Daher handele es sich bei der Erbringung der Gesellschafterbeiträge um eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit im engeren Sinne.
Vorsteuerbeträge aus Eingangsleistungen, die direkt und unmittelbar mit diesen unentgeltlichen Gesellschafterbeiträgen zusammenhängen würden, seien daher nicht abzugsfähig. Das Finanzamt kürzte den Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen und ging von einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit aus. Ferner führte das Finanzamt an, dass ein Fall des Gestaltungsmissbrauchs im Sinne § 42 AO vorläge.

Finanzgericht Niedersachsen ging vom Vorsteuerabzugsrecht der (Vorschalt-) Funktionsholding aus

Das Finanzamt änderte daraufhin die Umsatzsteuerbescheide, worauf die Funktionsholding gegen die geänderten Bescheide Klage erhob. Das Finanzgericht Niedersachsen folgte der Ansicht der Funktionsholding und ging von dem Vorsteuerabzugsrecht der (Vorschalt-) Funktionsholding aus. Gegen die Entscheidung des FG Niedersachsen legte das Finanzamt Revision ein.

Bundesfinanzhof legt dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zu Vorsteuerabzug der (Vorschalt-) Funktionsholding vor

Der 11. Senat des BFH sah sich daraufhin veranlasst, die folgenden zwei Fragen dem EuGH vorzulegen:

  1. Sind unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens Art. 168 Buchst. a in Verbindung mit Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG dahin gehend auszulegen, dass einer geschäftsleitenden Holding, die steuerpflichtige Ausgangsumsätze an Tochtergesellschaften ausführt, das Recht auf Vorsteuerabzug auch für Leistungen, die sie von Dritten bezieht und gegen die Gewährung einer Beteiligung am allgemeinen Gewinn in die Tochtergesellschaften einlegt, zusteht, obwohl die bezogenen Eingangsleistungen nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holding, sondern mit den (weitgehend) steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften stehen, die bezogenen Eingangsleistungen in den Preis der (an die Tochtergesellschaften erbrachten) steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang finden und nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding gehören?
  2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Stellt es einen Rechtsmissbrauch im Sinne der Rechtsprechung des EuGH dar, wenn eine geschäftsleitende Holding derart in den Leistungsbezug von Tochtergesellschaften “zwischengeschaltet” wird, dass sie die Leistungen, für die den Tochtergesellschaften bei unmittelbarem Leistungsbezug kein Recht auf Vorsteuerabzug zustünde, selbst bezieht, in die Tochtergesellschaften gegen Beteiligung an deren Gewinn einlegt und anschließend unter Berufung auf ihre Stellung als geschäftsleitende Holding den vollen Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen geltend macht, oder kann diese Zwischenschaltung durch außersteuerrechtliche Gründe gerechtfertigt werden, obwohl der volle Vorsteuerabzug an sich systemwidrig ist und zu einem Wettbewerbsvorteil von Holding-Konstruktionen gegenüber einstufigen Unternehmen führen würde?

Rückschlüsse und spannende Aussagen in der Vorlage des Bundesfinanzhofs zu Vorsteuerabzug und Vorschalt-Holding

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Vorlage des BFH nicht nur im Hinblick auf die Vorlage an den EuGH spannende Aussagen enthält, sondern auch abseits der Vorlagefragen die bisherige Rechtsprechung bestätigt und konkretisiert. So scheint das bisherige Dauerthema der Unternehmereigenschaft einer Funktionsholding hoffentlich endgültig geklärt.
Wenn eine Funktionsholding gegenüber ihrer Tochtergesellschaft entgeltlich steuerpflichtige Leistungen erbringt, geht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung mittlerweile von der Unternehmereigenschaft der Funktionsholding aus.
Dementsprechend geht die Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, dass einer Funktionsholding das Vorsteuerabzugsrecht dem Grunde nach zusteht. Allerdings werden sich in Zukunft noch einige Verfahren mit der Rechtsfrage beschäftigen, ob einer Funktionsholding das Vorsteuerabzugsrecht auch vollumfänglich der Höhe nach zusteht.

Erzeugt die (Vorschalt-) Funktionsholding ein systemwidriges Ergebnis?

Hinsichtlich der Vorlage des BFH an den EuGH ist anzumerken, dass das Konstrukt der Vorschalt-Holding auf den ersten Blick zu einem systemwidrigen Ergebnis führt. Denn dadurch, dass eine Vorschalt-Holding Leistungen bezieht und diese dann unentgeltlich als Gesellschafterbeitrag in eine nichtvorsteuerabzugsberechtige Tochtergesellschaft einlegt, wird die Umsatzsteuerbelastung auf Ebene der Tochtergesellschaft vermieden. Im Ergebnis sprechen einige Argumente dafür, dass der EuGH das Konstrukt der Vorschalt-Holding verwerfen wird und den Vorsteuerabzug verneinen wird.

Gleichwohl ist auch zu konstatieren, dass das FG Niedersachsen sich nicht vom „systemwidrigen Ergebnis“ blenden ließ und juristisch sauber das Ergebnis begründete. Insbesondere lagen in dem gegenständlichen Verfahren genügend außersteuerliche Gründe vor, dass das FG Niedersachsen keinen Missbrauch im Sinne des § 42 AO annehmen konnte.

Vor diesem Hintergrund ist auch die zweite Vorlagefrage spannend, da die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie keinen Missbrauchstatbestand enthält. Zwar kennt die Rechtsprechung des EuGHs das Kriterium des Gestaltungsmissbrauchs, jedoch handelt es sich dabei um ein nicht niedergeschriebenes Rechtsinstitut.

Unsere Einschätzung

Ob und inwieweit sich dieses Rechtsinstitut auf das Konstrukt der Vorschalt-Holding anwenden lässt, bleibt abzuwarten. Nach unserer Einschätzung spricht vieles gegen den Vorsteuerabzug der (Vorschalt-) Funktionsholding.
Sollte der EuGH dennoch das Vorsteuerabzugsrecht der Vorschalt-Holding bejahen, kann es ratsam sein, bisherige Holdingstrukturen zu überdenken.

Haben Sie Fragen? Dann kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

Sebastian Raphael Vogt

Prokurist, Head of Indirect Tax, Rechtsanwalt (Syndikusanwalt)

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