Kein privates Veräußerungsgeschäft bei Anschaffung eines Erbanteils und späterer Veräußerung eines Grundstücks
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23. Januar 2024

Veräußerung von Immobilien: BFH-Urteil gibt Klarheit bei Erbengemeinschaften

Kategorien: Steuerberatung

Gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) werden realisierte Wertsteigerungen von bestimmten Wirtschaftsgütern auch besteuert, wenn diese Wirtschaftsgüter dem Privatvermögen des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind. Aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ergibt sich das Tatbestandsmerkmal der Nämlichkeit. Es erfordert eine wirtschaftliche Identität zwischen dem angeschafften und veräußerten Wirtschaftsgut. Mit dem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 26.09.2023 hat der BFH Stellung genommen. Was Sie dazu wissen sollten, finden Sie hier:

Kein privates Veräußerungsgeschäft: das BFH-Urteil vom 26.09. 2023

Mit dem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 26.09.2023 hat der BFH Stellung zum Tatbestandsmerkmal der Nämlichkeit bezogen. Die Entscheidung: Es liegt kein steuerpflichtiger Vorgang nach § 23 EStG vor, wenn dies gilt:

Ein Anteil an einer Erbengemeinschaft wird entgeltlich erworben

und

ein zuvor zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörendes Grundstück wird innerhalb von zehn Jahren nach dem entgeltlichen Erwerb des Anteils an der Erbengemeinschaft wieder veräußert.

Private Veräußerungsgeschäfte nach § 23 Einkommensteuergesetz

Nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG sind Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten steuerpflichtig, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung des Grundstücks nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Als Anschaffung oder Veräußerung gilt dabei die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf einen Dritten.

Wirtschaftliche Identität des angeschafften und veräußerten Wirtschaftsgutes

Ein nach § 23 EStG steuerpflichtiger Vorgang kann allerdings nur vorliegen, wenn das angeschaffte und das veräußerte Wirtschaftsgut identisch sind. Das bedeutet Nämlichkeit. Maßgebliche Kriterien für den Vergleich des angeschafften und des veräußerten Wirtschaftsgutes sind

die Gleichartigkeit, die Funktionsgleichheit sowie die Gleichwertigkeit.

Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft führt nicht zur anteiligen Anschaffung der Wirtschaftsgüter

Eine Beteiligung an einer Erbengemeinschaft stellt eine gesamthänderische Beteiligung dar. Beteiligungen an Erbengemeinschaften werden jedoch nicht (anteilig) als Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte angesehen, auch wenn sich im Gesamthandsvermögen Grundstücke befinden.

Der Tatbestand des § 23 EStG wird zivilrechtlich verstanden. Im Zivilrecht vermittelt die gesamthänderische Beteiligung aber keinen fassbaren Anteil und somit auch kein Verfügungsrecht an den einzelnen Gegenständen des Gesamthandsvermögens. Daher kann die Beteiligung einem grundstücksgleichen Recht nicht gleichgestellt werden.

Im Ergebnis kann der entgeltliche Erwerb eines Erbanteils nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks führen und somit auch die nach Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erfolgte Veräußerung eines solchen Grundstück keinen Vorgang i.S.d. § 23 EStG auslösen.

Zurechnung von Wirtschaftsgütern: Keine Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung

Nach Auffassung des BFH wird die anteilige Zurechnung bei Wirtschaftsgütern der Gesamthand in solchen Fällen nicht angewendet. Die Vorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO findet keine Anwendung, wenn der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts deshalb nicht erfüllt ist, weil kein Grundstück, sondern ein Anteil an einer Erbengemeinschaft angeschafft worden ist.

Die Beteiligung an einer Erbengemeinschaft entspricht zivilrechtlich auch nicht der Beteiligung an einer „klassischen“ Personengesellschaft wie beispielsweise der GbR oder OHG. Die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG, nach der die Anschaffung oder Veräußerung von Anteilen an einer Personengesellschaft als anteilige Anschaffung oder Veräußerung der Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft gelten, findet nach Auffassung des BFH auf den besonderen Fall der Erbengemeinschaft keine Anwendung.

Unsere Einschätzung

Besonders mit der Auffassung, dass der Erwerb eines Erbanteils nicht zur anteiligen Anschaffung der im Gesamthandsvermögen enthaltenen Wirtschaftsgüter führt, widerspricht der BFH der im BMF-Schreiben vom 14.03.2006 dargelegten Verwaltungsauffassung. Nach unserer Einschätzung entspricht dieses Urteil allerdings dem Sinn und Zweck der zugrundeliegenden Vorschriften, da durch den Erwerb des Erbanteils lediglich eine Anschaffung der Beteiligung, nicht jedoch eine Anschaffung der einzelnen Wirtschaftsgüter entsteht. Ist das Grundstück über zehn Jahre im steuerlichen Privatvermögen, kann es zurecht ertragsteuerfrei veräußert werden.

Dieses Urteil eröffnet neue Möglichkeiten in der Beratung zur Unternehmens- und Vermögensnachfolge, da Grundstücke und daraus resultierende steuerliche Belastungen nun leichter in die Nachfolgeplanung einfließen können. Ob sich die Finanzverwaltung dieser Auffassung anschließen wird, bleibt jedoch noch abzuwarten.

Für Fragen stehen Ihnen Akram Juja und Julian Heesemann zur Verfügung.

Akram Juja

Associate Partner und Steuerberater

Julian Heesemann

Associate Partner und Steuerberater

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