11. November 2022

Krisenfrüherkennung – Haftungsvermeidung für Vorstände und Geschäftsführer

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Seit dem Inkrafttreten des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz StaRUG am 01.01.2021 schreibt der Gesetzgeber nicht nur Vorständ:innen, sondern auch Geschäftsleiter:innen von GmbHs und GmbH & Co. KGs die Einrichtung von Systemen zur Krisenfrüherkennung ins Pflichtenheft. Aber was bedeutet die individuelle Krise während der gesamtwirtschaftlichen Krise und wie weit kann Früherkennung im dichten Nebel reichen? Antworten darauf finden Sie hier.

Krisenfrüherkennung: Langfristige Planungen sind häufig ungenau

Ein Krisenfrüherkennungssystem soll die Geschäftsleiter:innen in die Lage versetzen, rechtzeitig Entwicklungen zu erkennen, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden. Dies dient dazu, geeignete Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Doch in der aktuellen Situation ist die Früherkennung mehr eine Glaskugel, als ein valides Dokument. Es ist nahezu unmöglich, 12 Monate oder gar zwei Jahre im Voraus zu planen, da sich die Planungsgrundlagen beinahe wöchentlich ändern. Dennoch sollten Geschäftsleiter:innen angesichts der geänderten Bedingungen nicht aufgeben, ein solches Früherkennungssystem zu pflegen oder gar neu zu implementieren. Nur für den Fall, dass es irgendwann einmal „schiefgehen“ sollte, lohnt sich die Implementierung und die damit einhergehende Dokumentation ständig veränderter Annahmen.

Verkürzte Prognosezeiträume durch SanInsKG

Der Gesetzgeber kommt nun der schwierigen Situation mit dem Sanierungs- und insolvenzrechtlichen Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG) entgegen. Dieses passierte am 28.10.2022 den Bundesrat und trat am 09.11.2022 in Kraft. Das SanInsKG sieht mit einer Verkürzung des Prognosezeitraums im Falle der Überschuldung nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO von 12 auf 4 Monate bis zum 31.12.2023 eine Erleichterung bei der Beurteilung der Fortführungsfähigkeit vor. Dieser verkürzte Prognosezeitraum kann mittels einer rollierenden Ertrags- und Liquiditätsplanung – bestenfalls mit einer integrierten Unternehmensplanung –  praktisch umgesetzt werden. Der inzwischen etablierte und auf Wochenbasis geführte Betrachtungszeitraum von 13 Wochen sollte unter Berücksichtigung des neuen Prognosezeitraums des SanInsKG auf 17 Wochen (eben diese 4 Monate) erweitert werden.

Was ist in der praktischen Umsetzung zu beachten?

  • Treffen und dokumentieren Sie realistische Annahmen
  • Planen Sie mindestens 17 Wochen auf Wochenbasis
  • Stellen Sie für diese mindestens 17 Wochen eine Liquiditätsplanung auf
  • Bestimmen Sie innerhalb der Organisation eindeutige Zuständigkeiten (Wer liefert welche Daten? Wer dokumentiert die Arbeitsergebnisse?)
  • Speichern Sie separat, kein „Daten-Überschreiben“ der Vorplanung

Haftungsrisiken nach Eintritt der Insolvenz

Die geänderte Rechtsprechung des BGH vom 28.06.2022 (II ZR 112/21) erlaubt es Insolvenzverwalter:innen für die Haftungsinanspruchnahme der Geschäftsführung mittels mehrerer Finanzstatus an vier Stichtagen von der Zeitraumbetrachtung auf die Zeitpunktbetrachtung zu wechseln. Diese Möglichkeit erleichtert die Ermittlung des vermeintlichen Zeitpunktes der Zahlungsunfähigkeit zugunsten der Insolvenzverwalter:innen erheblich. Dies liegt daran, dass die retrograde Ermittlung des Zeitpunktes der Zahlungsunfähigkeit in rollierenden Ertrags- und Liquiditätsplanungen wesentlich komplexere Berechnungen erfordert. Dieser vom BGH anerkannten Ermittlungsvereinfachung kann nur mit einem gut dokumentierten Früherkennungssystem entgegengetreten werden, das weiter auf einem Planungszeitraum von 13, noch besser 17 Wochen aufsetzt. Die Geschäftsleitung hat hierdurch nicht nur den Vorteil, kurzfristig gefährdende Entwicklungen früher erkennen zu können, sondern auch persönliche Haftung zu minimieren.

Unsere Einschätzung

Vorständ:innen und Geschäftsführer:innen müssen sicherstellen, dass sie in Krisensituationen entsprechend kurzfristig die notwendigen Planungen aufstellen können. Wer sich erst in der Krise damit befasst, kommt meistens zu spät. Wir unterstützen Sie gerne bei dem Aufbau und der Implementierung der notwendigen Prozesse. Sollten Sie Fragen rund um das Thema Krisenfrüherkennung haben, sprechen Sie uns gerne an.

Dieser Beitrag stammt von Dipl.-Kfm. Bernhard Görg, Senior Manager, Unternehmensberater und zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsberater (IfUS-Institut) der döhmen consulting gmbH. Die döhmen consulting gmbh ist eine Tochter von ECOVIS NRW und berät Unternehmen in Ausnahmesituationen.

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