Kurzfristige Dienstplanänderungen nach Feierabend: Wie weit geht das Direktionsrecht des/der Arbeitgeber:in? - Dienstplanänderung - Dienstplan scaled
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18. Januar 2024

Kurzfristige Dienstplanänderungen nach Feierabend: Wie weit geht das Direktionsrecht des/der Arbeitgeber:in?

Nach dem am 23.08.2023 veröffentlichten Urteil des Bundesarbeitsgerichts müssen Arbeitnehmer:innen unter bestimmten Bedingungen auch nach Feierabend eintreffende Änderungen des Dienstplans beachten. Die Einzelheiten des Urteils und die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis erfahren Sie hier.

Kurzfristige Dienstplanänderung: Womit befasst sich das BAG?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied kürzlich über die Klage eines in Vollzeit beschäftigten Notfallsanitäters. Dieser hatte zwei Änderungen seines Dienstplans erst kurz nach regulärem Dienstbeginn zur Kenntnis genommen und ist somit nicht rechtzeitig zu seiner Schicht erschienen.

Der Arbeitgeber trug den Kläger am 07.04.2021 um 13:20 Uhr für einen Dienst am 8. April 2021 in der Tagesschicht ein (Beginn um 6 Uhr morgens) und versuchte nach eigenen Angaben diesen vergeblich zu erreichen.  Der konnte den aktuellen Dienstplan jederzeit online abrufen und einsehen.

Am 08.04.2021 zeigte der Kläger seine Arbeitsbereitschaft erst um 7:30 Uhr an. Deshalb erteilte der Arbeitgeber ihm eine Abmahnung und zog zwei Stunden vom Arbeitszeitkonto des Klägers ab. Dagegen klagte der Arbeitnehmer. Er vertrat die Ansicht, nicht verpflichtet zu sein, während seiner Freizeit auf Anweisungen bezüglich der Dienstzeiten zu achten.

Ein weiterer Fall von kurzfristiger Dienstplanänderung

In einem weiteren Fall, welcher durch das Urteil des BAG mitentschieden wurde, war der Kläger als sogenannter „Springer“ eingetragen. Er hatte aufgrund seines Urlaubs nicht gesehen, dass sein Arbeitsbeginn von 8:30 Uhr auf 6:30 Uhr verlegt wurde.

Die Zeit dazwischen wertete der Arbeitgeber als unentschuldigtes Fehlen, zog 1,93 Stunden vom Arbeitszeitkonto des Klägers ab und erteilte eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens.

Der Kläger erhob Klage auf Gutschrift der abgezogenen Arbeitsstunden und auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Er begründet dies damit, dass er sein Handy zwischen den Dienstzeiten lautlos stelle, um sich um seine Kinder zu kümmern.

Kurzfristige Dienstplanänderung: Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das vorinstanzliche Landesarbeitsgericht (LAG) sprach sich mit Urteil vom 16.05.2017 für ein „Recht auf Unerreichbarkeit“ von Arbeitnehmer:innen aus. Der Arbeitnehmer müsse in seiner Freizeit nicht erreichbar sein. Das Gericht begründete diese Einschätzung unter anderem mit den Persönlichkeitsrechten und dem Schutz der Arbeitnehmer:innen. Diese müssten sich nicht während ihrer Ruhezeit über Arbeitszeiten informieren und damit ihre Freizeit unterbrechen.

Das Bundesarbeitsgericht kippt die Entscheidung des LAG zu kurzfristiger Dienstplanänderung

Das BAG hat nun entschieden, dass der Kläger mit dem Lesen der Konkretisierung der Arbeitszeit in seiner Freizeit keine Arbeitsleistung erbringt.

Im vorliegenden Fall hatten der Arbeitgeber und der bei ihm gebildete Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen. Diese konkretisiert eine Soll-, Rahmen- und Ist-Dienstplanung und beinhaltet die Handhabung der Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmer:innen.

Kurzfristige Änderungen sowie Krankheitsausfälle sollten im Sinne dieser Betriebsvereinbarung in den Ist-Dienstplan eingetragen werden. Laut der Vereinbarung konnten schichtgleiche Änderungen im Dienstplan nur aus dringenden betrieblichen Gründen vorgenommen werden. Da die Beklagte den Dienstplan wirksam innerhalb des Zeitfensters bis 20.00 Uhr des Vortages konkretisiert hatte, war die Änderung gültig.

Der Kläger vertrat die Auffassung, der Gesundheits- und Persönlichkeitsschutz stehe dem entgegen. Daran würde auch der zeitlich minimale Aufwand der Erfassung der Mitteilung nichts ändern. Das BAG befand, dass Freizeitplanung trotz kurzfristiger Konkretisierung des Springerdienstes möglich sei.

Kurzfristige Dienstplanänderung: Was bedeutet das Urteil für Arbeitnehmer:innen?

Ist Arbeitnehmer:innen bekannt, dass der/die Arbeitgeber:in die Arbeitsleistung konkretisieren wird, müssen sie eine per SMS oder E-Mail mitgeteilte Weisung auch in ihrer Freizeit zur Kenntnis nehmen. Das BAG stellte weiterhin fest, dass das reine Lesen der Konkretisierung der Weisung nicht als Arbeitszeit zählt. Dies hat zur Folge, dass Beschäftigte auch in ihrer Freizeit Dienstplananweisungen für den Folgetag zur Kenntnis nehmen müssen. Dies gilt zumindest dann, wenn der/die Arbeitnehmende aufgrund einer betrieblichen Regelung weiß, dass eine Konkretisierung seines/ihres Dienstes erfolgen wird.

Eine Kollision mit den Regelungen des Arbeitsgesetzes ist ausgeschlossen, weil es sich nicht um Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne handelt. Die gesetzlich erforderliche Ruhezeit wird laut BAG nicht unterbrochen. Denn die Arbeitnehmenden könnten frei wählen, wann sie die Weisung zur Lage der Arbeitszeit lesen. Die Arbeitnehmer:innen seien keinesfalls dazu verpflichtet, den ganzen Tag auf ihr Mobiltelefon zu schauen und sich dienstbereit zu halten.

Im Ergebnis musste in dem konkreten Fall das Unternehmen das Arbeitszeitkonto des Klägers nicht korrigieren, da er seine vertragsgemäße Arbeitsleistung nicht tatsächlich angeboten hatte.

Unsere Einschätzung

Die Kenntnisnahme der Änderungen beziehungsweise Konkretisierungen der Schichten kann laut BAG eine leistungssichernde Nebenpflicht des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin darstellen, die im vorliegenden Fall verletzt wurde. Dann ist der/die Arbeitgeber:in berechtigt, den/die Arbeitnehmer:in auf diese Pflichtverletzung hinzuweisen und abzumahnen.

Der/die Arbeitnehmer:in muss Dienstplanänderungen annehmen, jedoch nur im Rahmen der vom BAG festgelegten Grenzen. Voraussetzung ist, dass es durch eine kollektivrechtliche Vereinbarung erlaubt ist, dem/der Arbeitnehmer:in auch in seiner/ihrer Freizeit Vorgaben zu machen. Das ist grundsätzlich nur bei Arbeitnehmergruppen der Fall, in denen bereits flexible Dienste vorgesehen sind (wie beispielsweise Rettungssanitäter:innen).

Es handelt sich jedoch nicht um eine allumfassende Regelung, die die Verlagerung arbeitsvorbereitender Tätigkeiten in die Freizeit des/der Arbeitnehmer:in gestattet. Vielmehr ist die Regelung für den Fall vorgesehen, in dem die Weisung den Arbeitsbeginn am nächsten Tag feststellt. Dies ist vor allem bei den sogenannten Springerdiensten relevant.

Wenn Sie Fragen zum Arbeitsrecht haben, sprechen Sie uns gerne an.

 

 

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