Laptop mit Grafen: Minderheitsaktionäre: Tantieme & verdeckte Gewinnausschüttung
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22. April 2025

vGA-Rechtsprechung BFH: Nicht jede Tantieme an AG-Vorstände ist eine verdeckte Gewinnausschüttung

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Inhaltsverzeichnis

Am 24. Oktober 2024 hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil I R 36/22 entschieden, unter welchen Voraussetzungen umsatz- und gewinnabhängige Tantiemezahlungen an Vorstände von Aktiengesellschaften, die zugleich Minderheitsaktionäre sind, eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen können.  

Worüber hatte der BFH im Fall zu entscheiden? 

Im Streitfall hatte eine AG durch ihren Aufsichtsrat mit dem alleinvertretungsberechtigten Vorstand X eine Vergütungsvereinbarung getroffen, die umsatz- und auch gewinnabhängige Tantiemezahlungen vorsah. Zwei der drei Mitglieder des Aufsichtsrats waren neben Vorstand X Minderheitsaktionäre, das dritte Mitglied war an der AG nicht beteiligt. Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Vorstand X und den Mitgliedern des Aufsichtsrats bestanden nicht. Das Finanzamt und in der Folge das Finanzgericht (FG) behandelten die umsatz- und gewinnabhängigen Vergütungszahlungen an Vorstand X als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Das führte bei der AG zu einer höheren Körperschaftsteuer. Dem ist der BFH entgegengetreten. 

Wie begründet der BFH seine Entscheidung? 

Zwar seien insbesondere umsatzabhängige Tantiemen wegen der Gefahr einer Gewinnabsaugung nur ausnahmsweise steuerrechtlich anzuerkennen. Jedoch habe die Vorinstanz (das Finanzgericht) die Besonderheiten einer AG nicht beachtet, sondern eine Rechtsprechung herangezogen, die die Vergütung des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH betroffen habe.  

AG oder GmbH: Warum ist die Rechtsform bei der Tantieme entscheidend? 

Zwar gelten grundsätzlich die Regeln zur vGA auch für Aktiengesellschaften (AG) – allerdings nicht uneingeschränkt. Ein Aufsichtsrat kontrolliert die AG. Dieser ist für die Gehälter und Vergütungen des Vorstands verantwortlich (§ 87 AktG). Dadurch soll sichergestellt werden, dass Vergütungen angemessen sind und die Gesellschaft nicht benachteiligt wird. 

Sollte der Aufsichtsrat nicht unabhängig handeln und die Interessen eines Vorstandsmitglieds bevorzugen, das gleichzeitig Mehrheitsaktionär ist, könnten überhöhte Gehälter oder Bonuszahlungen eine vGA darstellen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen “Unabhängigkeit des Aufsichtsrats” vs. “verdeckte Gewinnausschüttung”. 

Wie viel Einfluss hat eine Mehrheits- und Minderheitsaktionärin oder ein Mehrheits- und Minderheitsaktionär auf den Aufsichtsrat? 

Eine Mehraktionärin oder ein Mehrheitsaktionär hat großen Einfluss auf das Unternehmen, vornehmlich auf die Wahl des Aufsichtsrats. Wenn eine Mehraktionärin oder ein Mehraktionär als Vorstand tätig ist, kann sie oder er theoretisch Entscheidungen zu ihren oder seinen Gunsten beeinflussen. 

Eine Minderheitsaktionärin oder ein Minderheitsaktionär hingegen hat weniger Einfluss auf den Aufsichtsrat. Mangels Mehrheit in der Hauptversammlung kann eine Minderheitsaktionärin oder ein Minderheitsaktionär nicht ihr oder ihm genehme und seinen Wünschen geneigte Personen zu Aufsichtsratsmitgliedern zu wählen. Da sie oder er nicht die Mehrheit der Stimmen kontrolliert, kann sie oder er den Aufsichtsrat nicht so leicht beeinflussen. Dies stellt zunächst ein sehr starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen einer zweiseitigen Interessenswahrnehmung und damit für die Fremdüblichkeit der Vergütungsvereinbarung dar. Gleichzeitig kann eine vGA nicht per se ausgeschlossen werden und ist einzelfallabhängig.  

Warum bei Tantiemezahlungen immer der Einzelfall entscheidet 

Im konkreten Fall hatte das FG nicht ausreichend geprüft, ob der Aufsichtsrat tatsächlich unabhängig war oder ob er sich nur an den Interessen des Vorstandsmitglieds (dem Minderheitsaktionär) orientiert hat. Aus diesem Grund hat der BFH das Verfahren an die Vorinstanz zurückverwiesen. 

Was bedeutet das BFH-Urteil für Ihre Tantieme-Vereinbarung? Unsere Einschätzung: 

Der BFH stellt klar, dass die Rechtsgrundlagen zur vGA, die er im Zusammenhang mit Gesellschafter-Geschäftsführer:innen einer GmbH erarbeitet hat, nicht uneingeschränkt auf die Rechtsform der AG übertragen werden können. 

Auch wenn die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats ein sehr starkes Beweisanzeichen gegen das Vorliegen einer einseitigen Interessenswahrnehmung darstellt, kann eine vGA durch Tantiemezahlungen an eine Aktionärin oder einen Aktionär selbst bei unabhängigen Aufsichtsräten nicht per se ausgeschlossen werden. 

Haben Sie Fragen zu Tantiemezahlungen und zu verdeckten Gewinnausschüttungen? Wir unterstützen Sie bei der Überprüfung Ihrer Strukturen und helfen Ihnen, diese – wenn nötig – anzupassen. Ebenso prüfen wir gerne für Sie, inwieweit sich das Urteil zu Ihren Gunsten anwenden lässt. Steuerberater Magnus Petter steht Ihnen für Fragen zur Verfügung.

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