Rechtsprechungsänderung zum GmbH-Gesellschafterausschluss 
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29. Januar 2024

Rechtsprechungsänderung zum GmbH-Gesellschafterausschluss 

Kategorien: Allgemein

Das am 11.07.2023 veröffentlichte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) (Az: II ZR 116/21) gibt die jahrelange Rechtsprechung zur Bedingungslösung bei Ausschließung eines Gesellschafters/einer Gesellschafterin durch Gestaltungsurteil auf. Alles, was Sie über die grundsätzliche Problematik des GmbH-Gesellschaftserausschlusses aus Sicht der ausschließenden und der ausgeschlossenen Seite wissen müssen, erfahren Sie hier.

GmbH-Gesellschafterausschluss: Rechtsprechung im Spannungsfeld

Der auszuschließende Gesellschafter fordert eine angemessene Absicherung seines Abfindungsanspruchs und möchte vorübergehend weiter Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Die übrigen Gesellschafter:innen beabsichtigen einen schnellen Ausschluss und die Verhinderung der Ausübung von Gesellschafterrechten durch den auszuschließenden Gesellschafter.

Worum ging es im BGH-Urteil zum GmbH-Gesellschafterausschluss? 

Der II. Zivilsenat hatte über die Klage eines zur Hälfte an einer GmbH beteiligten Gesellschafters auf Ausschluss seines Mitgesellschafters zu entscheiden. Der Gesellschaftsvertrag enthielt weder eine Regelung zum Ausschluss eines Gesellschafters noch zur Einziehung von Geschäftsanteilen. Der Kläger beantragte den Ausschluss des Beklagten und die Einziehung oder Abtretung seines Geschäftsanteils.

GmbH-Gesellschafterausschluss: Einführung in den Streitstand

Nach der herrschenden Meinung kann ein:e GmbH-Gesellschafter:in trotz Fehlens spezifischer gesetzlicher Regelungen im Gesellschaftsvertrag aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Dementsprechend muss die Gesellschaft, vertreten durch die Geschäftsführung, grundsätzlich eine Gestaltungsklage auf Vollzug des Ausschlusses erheben.

Das Ausschlussurteil hat rechtsgestaltende Wirkung. Mit Rechtskraft des Urteils scheidet der beklagte Gesellschafter grundsätzlich unmittelbar aus der Gesellschaft aus. Folglich verliert der Auszuschließende mit Rechtskraft des Urteils seine Rechtsstellung als Gesellschafter unmittelbar, ohne eine Abfindung für seine Gesellschaftsanteile und eine Kompensation als Gegenwert für den Verlust seiner Rechte zu erhalten.

Die ursprünglich vom BGH vertretene Bedingungslösung, dass der Ausschluss durch Urteil nur mit Zahlung einer Abfindung wirksam wird, hat er inzwischen aufgegeben. Vielmehr sind nach neuer Rechtsprechung des BGH nun folgende Aspekte zu beachten:

Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum GmbH-Gesellschafterausschluss:

Für den wirksamen Ausschluss eines/einer GmbH-Gesellschafter:in ergeben sich zwei Grundsätze:

  1.     Es muss ein wichtiger Grund für den Ausschluss vorliegen.

Der besteht, wenn Umstände in der Person oder im Verhalten des/der Gesellschafter:in den Fortbestand der Gesellschaft unmöglich machen oder ernsthaft gefährden. Und darüber hinaus den übrigen Gesellschafter:innen der weitere Verbleib des/der Gesellschafter:in in der Gesellschaft nicht zuzumuten ist.

  1.     Die Zahlung einer Abfindung beeinflusst die Wirksamkeit des Urteils nicht.

Der Ausschluss ist auch zulässig, wenn eine Abfindung nicht aus dem ungebundenen Gesellschaftsvermögen gezahlt werden kann.

Unsere Einschätzung für ausschließende Gesellschafter:innen

Vor dem Hintergrund der Bedeutung für den/die betroffene:n Gesellschafter:in braucht eine Ausschließung einen triftigen Grund. Ein Ausschluss verstößt nicht gegen die im GmbHG festgelegten Kapitalerhaltungsgrundsätze, da die Kapitalerhaltung aufgrund der Übertragung der Geschäftsanteile des/der ausgeschlossenen Gesellschafter:in gesichert bleibt, wenn durch den/die Erwerber:in die zu leistende Abfindung geschuldet wird. Eine Verknüpfung zwischen ungebundenem Vermögen und zu zahlender Abfindung besteht darum nicht.

Aus Sicht der/die den Ausschluss betreibenden Gesellschafter:in sollten drei Schritte erfolgen:

  1. Verfassen eines Gesellschafterbeschlusses über die Ausschließung des/der betroffenen Gesellschafter:in 
  2. Das bestätigende Gestaltungsurteil wird rechtskräftig 
  3. Die Geschäftsanteile des/der ausgeschlossenen Gesellschafter:in werden verwertet

Im zweiten Teil wechseln wir die Perspektive. Dort erfahren Sie, wie ausgeschlossene Gesellschafter:innen in einer solchen Situation selbstbewusst und entschlossen handeln können.

Unsere Einschätzung für ausgeschlossene Gesellschafter:innen

Wer von einem Gesellschaftsausschluss betroffen ist, braucht rechtlichen Beistand. Die Gesellschafterrechte eines/einer ausgeschlossenen Gesellschafter:in gehen auch während des Prozesses nicht verloren. Sie können und sollten gegen den ausschließenden Beschluss Widerspruch einlegen, gleichzeitig sollten Sie Klage erheben. 

Es gibt weitere Möglichkeiten, zum Beispiel können Sie um einstweiligen Rechtsschutz im Falle der besonderen Eilbedürftigkeit ersuchen. Zur Sicherung der eigenen Rechtsposition raten wir zur Benachrichtigung des Handelsregisters und gegebenenfalls zu rechtlichen Schritten gegen das bevorzugt konsultierte Notariat der Gesellschaft. Unter Umständen kann es auch angezeigt sein, Gegenansprüche gegen die ausschließenden Gesellschafter:innen geltend zu machen. Auch in diesem Fall beraten wir Sie gerne.

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