25. August 2023
Sozialversicherungspflicht bei Ein-Personen-GmbHs: Aktuelles Urteil und Auswirkungen
Inhaltsverzeichnis
Am 20. Juli 2023 traf das Bundessozialgericht (BSG) eine Entscheidung: Eine Vertragsverbindung mit einer Ein-Personen-GmbH führt nicht zwangsläufig zur Befreiung von der Sozialversicherungspflicht. Dies hat weitreichende Konsequenzen für zahlreiche bestehende Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Ein-Personen-GmbHs. Welche Auswirkungen dieses Urteil hat, erfahren Sie hier.
Ein-Personen-GmbHs: Grundlagen und Besonderheiten
Die betroffenen Einpersonengesellschaften sind allgegenwärtig. Hierbei gründet eine natürliche Person eine Kapitalgesellschaft, bevorzugt UG oder GmbH, deren einziger Gesellschafter und Geschäftsführer sie ist. Ebenfalls typisch ist, dass in vielen Einpersonengesellschaften der Gesellschafter-Geschäftsführer auch als einzige Person arbeitet. Beauftragen Dritte eine Einpersonengesellschaft, so läuft die Beauftragung faktisch darauf hinaus, dass die Gesellschaft zwar Vertragspartnerin wird, aber der einzige Geschäftsführer sämtliche vereinbarten Handlungen vornimmt.
Die Gründe sind vielfältig und reichen von der Haftungsbeschränkung bis zur, hier in Rede stehenden, Fragestellung: Kann durch Zwischenschaltung einer Einpersonengesellschaft die Sozialversicherungspflicht umgangen werden? Denn rein rechtlich gesehen besteht keine Bindung zwischen Gesellschaft und der dahinterstehenden, natürlichen Person – faktisch aber sehr wohl.
Aktuelles Urteil zur Sozialversicherungspflicht bei Ein-Personen-GmbHs: Hintergründe und Inhalt
Das BSG entschied nun, mit weitreichenden Folgen: Auch wenn ein Vertrag zwischen einem Auftraggeber und einer juristischen Person als Auftragnehmer geschlossen wird, kommt eine Sozialversicherungspflicht in Betracht. Vorzunehmen sei hier eine Gesamtabwägung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung anhand der konkreten Umstände der Tätigkeit, der hinter der juristischen Person stehenden, natürlichen Person.
Dem lag folgender Fall zugrunde: Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH schloss in deren Namen mit Dritten Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen. Tatsächlich erbracht wurden die Tätigkeiten aber ausschließlich von dem Geschäftsführer-Gesellschafter selbst. Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte deshalb die Versicherungspflicht des Betroffenen fest.
Auswirkungen des Urteils auf Ein-Personen-GmbHs
Bisher wurde häufig versucht, die Sozialversicherungspflicht durch gesellschaftsrechtliche Strukturen zu umgehen. Der Ansatz war: Wird ein Vertrag nicht zwischen der ausführenden natürlichen Person und dem Auftraggeber, sondern zwischen einer GmbH und einem Auftraggeber geschlossen, so liege keine abhängige Beschäftigung vor.
Diesem Ansatz hat das BSG nun eine klare Absage erteilt und das Vorliegen einer Sozialversicherungspflicht insoweit weniger auf die rechtliche, sondern vielmehr auf eine rein faktische Grundlage gestellt. Es wird nun eine Prüfung im Einzelfall notwendig sein, um die Sozialversicherungspflicht festzustellen – dass der Vertrag mit einer juristischen Person geschlossen wurde, ist kein K.O.-Kriterium!
Handlungsempfehlungen für Unternehmer:innen: Umgang mit der neuen Rechtslage
Hierdurch entsteht Prüfungsbedarf auf beiden Seiten – sowohl beim Auftraggeber als auch beim Auftragnehmer. Insbesondere sind Auftraggeber nun gezwungen, eine Prüfung im Einzelfall vorzunehmen, statt sich schlicht auf die gesellschaftsrechtliche Gestaltung zu berufen. Sie müssen prüfen, ob der allein tätige Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH oder UG weisungsgebunden und ihre betriebliche Organisation eingegliedert ist. Andernfalls drohen sie, sozialversicherungsrechtliche Vorschriften zu verletzen.
Unsere Einschätzung
Die Entscheidung des BSG beseitigt die vormals bestehende Rechtsklarheit. Auch wenn der Ansatz aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht Zuspruch finden muss, entsteht für Unternehmen Handlungsbedarf.
Nötig werden spezifische Einzelfallprüfungen, die die Besonderheiten der jeweiligen Vertragsverhältnisse berücksichtigen und insbesondere die praktische Umsetzung bewerten. Aufgrund der strengen Vorgaben und Sanktionen des Sozialversicherungsrechts sollte zu deren Prüfung unbedingt juristischer Beistand gesucht werden – andernfalls drohen unter Umständen empfindliche und unerwartete Nachzahlungen.