12. Juni 2024
Urteil des OLG Schleswig-Holstein zu Kapitalerhöhungen einer GmbH mit mehreren Geschäftsanteilen
Inhaltsverzeichnis
Die Erhöhung des Kapitals in einer Gesellschaft kann aus den unterschiedlichsten Gründen erfolgen, z. B. dass neue Geschäftsanteile geschaffen werden, um weitere Gesellschafter:innen aufzunehmen, oder um die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft zu stärken. Dabei ist vorrangig das Quotalitätsgebot zu beachten, sodass durch die Kapitalerhöhung die Beteiligungsverhältnisse der Gesellschafter:innen nicht berührt werden. Welche Grenzen und Pflichten zu beachten sind und welche Rolle das Urteil des OLG Schleswig-Holstein dabei spielt, erfahren Sie hier.
Grundsätze bei Kapitalerhöhungen
Die Erhöhung des Kapitals kann von den derzeitigen Gesellschafter:innen auf verschiedenste Weisen herbeigeführt werden – hier exemplarisch durch weitere Einzahlungen in die Stammeinlage oder durch die Erhöhung der Stammeinlage aus einer bestehenden Gewinnrücklage. Zur Umsetzung sind verschiedene Akteur:innen zu beteiligen. Zunächst muss von den Gesellschafter:innen ein Kapitalerhöhungsbeschluss gefasst werden. Da es sich hierbei um eine Satzungsänderung handelt, ist dieser Beschluss zwingend notariell zu beurkunden, § 53 Abs. 2 GmbHG. Dieser wird sodann von den Notar:innen an das zuständige Registergericht weitergeleitet und zur Eintragung angemeldet.
Zwingend ist darauf zu achten, dass durch die Kapitalerhöhung die Beteiligungsverhältnisse zwischen den Gesellschafter:innen nicht verändert werden.
In der Praxis werden die Geschäftsanteile für eine effektive Verkehrsfähigkeit zu einem Nennwert von EUR 1,00 in der entsprechenden Menge des Stammkapitals eingeteilt.
Die darauf erfolgende Kapitalerhöhung kann sodann eine Nennwerterhöhung zur Folge haben oder eine proportionale Ausgabe neuer Geschäftsanteile entsprechend den bisherigen Beteiligungsverhältnissen.
Das Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 3.4.2024 zu Kapitalerhöhungen einer GmbH
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat am 3.4.2024 in seinem Urteil 2 Wx 57/23 entschieden, dass zwar eine proportionale Erhöhung des Stammkapitals den gesetzlich geregelten Normalfall nach § 57j GmbHG darstellt – „Die neuen Geschäftsanteile stehen den Gesellschafter:innen im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile zu.“, bei einem einstimmigen Gesellschafterbeschluss jedoch eine abweichende Verteilung vorgenommen werden kann.
Der Sachverhalt des entsprechenden Urteils beläuft sich darauf, dass eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, welche aus vier Gesellschafter:innen besteht, eine Kapitalerhöhung des Stammkapitals beschlossen hatte. Die Gesellschafter:innen hielten jeweils mehrere Geschäftsanteile an der Gesellschaft. Daher haben sie beschlossen, nur jeweils einen der von den jeweiligen Gesellschafter:innen gehaltenen Geschäftsanteile zu erhöhen, entsprechend den Beteiligungsverhältnissen in der Gesellschaft. Somit nahmen nicht alle Geschäftsanteile proportional an der Erhöhung teil.
In der ersten Instanz wurde daraufhin entschieden, dass dies gegen § 57j GmbHG verstößt und somit der Antrag auf Eintragung der Kapitalerhöhung nichtig sei. Das OLG Schleswig-Holstein hat jedoch verdeutlicht, dass eine solche proportionale Erhöhung aller Gesellschaftsanteile bei einem einstimmigen Gesellschafterbeschluss nicht notwendig sei. Bezugspunkt der Zuordnung der neuen Geschäftsanteile sind die Gesellschafter:innen und nicht die bisherigen Geschäftsanteile. Die Zuordnung der Kapitalerhöhung proportional zur bisherigen Beteiligung der jeweiligen Gesellschafter:innen entspringt somit der rechtlichen Systematik – sodass § 57j GmbH auch im Wege der Nennwerterhöhung anzuwenden ist.
Allerdings ist zu beachten, dass die Geschäftsanteile vollständig eingezahlt sind und keine unterschiedlichen Stimmrechte mit den Geschäftsanteilen verbunden sind, zudem keinerlei andere Unterschiede in den Rechten, Pflichten und Belastungen im Verhältnis der Gesellschafter:innen oder gegenüber Dritten vorliegen.
Auswirkungen für die Praxis
Durch das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein wird deutlich, dass das Quotalitätsgebot gewahrt, ist nach § 57j GmbHG, wenn die zuvor genannten Voraussetzungen vorliegen und die Nennwerterhöhung entsprechend der Beteiligungsverhältnisse in der Gesellschaft erfolgt. Die Kapitalerhöhung kann insbesondere bei Gesellschaften mit vielen Gesellschafter:innen und einer unterschiedlichen Verteilung der Geschäftsanteile rechnerisch einfach durchgeführt werden, ohne dass neue Geschäftsanteile geschaffen werden müssen.
Steuerliche Betrachtung
Bei der Durchführung einer Erhöhung des Kapitals ist auch die steuerliche Betrachtung nicht zu vernachlässigen. Einerseits kann die Erhöhung des Eigenkapitals zu einer verbesserten Eigenkapitalquote führen, was sich positiv auf die steuerliche Belastung durch die Gewerbesteuer auswirken kann. Andererseits sind die Einlagen der Gesellschafter:innen in der Regel nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, was die Steuerlast unmittelbar nicht mindert.
Zudem können bei der Ausgabe neuer Geschäftsanteile unter Umständen Schenkungsteuer oder Einkommensteuer anfallen, wenn die neuen Anteile zu einem Preis ausgegeben werden, der unter dem Verkehrswert liegt. Auch die steuerliche Behandlung von eventuellen Agiobeträgen, also der Differenz zwischen dem Nennwert und dem tatsächlich gezahlten Betrag, sollte beachtet werden. Hier empfiehlt es sich, frühzeitig steuerlichen Rat einzuholen, um mögliche steuerliche Nachteile zu vermeiden und die Erhöhung des Kapitals steuerlich optimal zu gestalten.
Unsere Einschätzung
Das Urteil des OLG Schleswig-Holstein ermöglicht GmbH-Gesellschaftern mehr Optionen, den Kapitalerhöhungsprozess durchzuführen. Da bei der GmbH-Kapitalerhöhung jedoch Gesellschafterbeschlüsse erforderlich sind und die zuvor genannten Maßregeln beachtet werden müssen, kann der Ablauf dieses Verfahrens sich komplizierter gestalten. Daher können Sie uns gerne bei Fragen in Bezug auf geplante Kapitalerhöhungen ansprechen.
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