21. September 2022
Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführer:innen
Die Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführer:innen ist ein lebhaft diskutiertes Thema. In der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Sozialversicherungspflicht kommt es zur Beurteilung maßgeblich darauf an, ob der/die Geschäftsführer:in weisungsgebunden tätig ist. Offen bleibt aber die Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur steuerrechtlichen Gleichstellung von Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer mit Mehrheits-Gesellschafter-Geschäftsführer auch auf die Sozialversicherungspflicht übertragbar ist.
Bundessozialgericht: Keine Berücksichtigung von Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags
Die aktuelle Rechtsprechung des BSG sagt, dass die Weisungsgebundenheit das maßgebliche Kriterium ist, an dem sich die Frage der Sozialversicherungspflicht entscheidet. Die sozialversicherungsfreie Tätigkeit eines/einer GmbH-Geschäftsführer:in wird nur dann angenommen, wenn diese:r in der Lage ist, ausnahmslos gegen den Willen der übrigen Gesellschafter:innen zu handeln.
Voraussetzung für die sozialversicherungsfreie Tätigkeit ist, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer Beschlüsse der Gesellschaft ausnahmslos verhindern kann. Besonders jene, die ihn bzw. sie in der Ausübung der Geschäftsführertätigkeit binden und damit weisungsgebunden machen würden.
Das ist der Fall, wenn der/die GmbH-Geschäftsführer:in die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung hat oder eine im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Sperrminorität der Stimmrechte hält.
Das BSG stellte in seinen jüngsten Entscheidungen jedoch klar, dass bei der Beurteilung der Weisungsgebundenheit nur satzungsmäßige Vereinbarungen, aber keine außerhalb des Gesellschaftsvertrags geschlossenen Verträge zu berücksichtigen sind. Das ist der Fall, wenn der/die Geschäftsführer:in als Minderheitsgesellschafter:in ohne Sperrminorität aufgrund von Stimmbindungs-, Treuhand- oder sonstigen vertraglichen Vereinbarungen mit Mitgesellschafter:innen Beschlüsse zuverlässig verhindern kann. Dies folgt aus dem Massenverwaltungscharakter des Sozialversicherungsrechts und dem damit einhergehenden Bedürfnis nach Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit (vgl. PräsBSG Schlegel in NZA 2021, 310, 311). Verträge außerhalb des Gesellschaftsvertrags sind aber nicht im Handelsregister publiziert und können aus wichtigem Grund jederzeit gekündigt werden.
BFH: Stimmbindungs- und Treuhandvereinbarungen können beherrschende Stellung begründen
Der Bundesfinanzhof legt andere Maßstäbe im Kontext des Anfalles der Lohnsteuer an. Diese entsteht mit dem Zufluss des Entgelts beim Empfänger oder bei der Empfängerin, also mit der Erlangung der tatsächlichen Verfügungsmacht über die Leistung. Eine andere Möglichkeit ist das buchmäßige Festhalten einer Verpflichtung, wenn die tatsächliche Auszahlung danach allein durch den/die Empfänger:in herbeigeführt werden kann.
Ungeachtet dessen wird der Zufluss laut Bundesfinanzhof bereits bei Fälligkeit der Vergütung fingiert, wenn es sich beim Empfänger bzw. der Empfängerin um eine:n Gesellschafter:in mit beherrschendem Einfluss handelt. Diese:r kann aufgrund seiner/ihrer beherrschenden Gesellschafterstellung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit selbst über die geschuldete Vergütung verfügen.
Ein beherrschender Einfluss liegt laut BFH vor, wenn der/die Gesellschafter:in über mehr als 50 Prozent der Stimmrechte verfügt. Ein:e Minderheitsgesellschafter:in kann einem/einer beherrschenden Gesellschafter:in aber gleichgestellt werden. Das ist nach dem BFH bereits dann möglich, wenn er mit anderen Gesellschafter:innen gleichgerichtete finanzielle Interessen verfolgt und mit ihnen im Rahmen von Gesellschafterbeschlüssen zusammenwirkt. Gleiches gilt für ein Zusammenwirken im Rahmen von vertraglichen Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags.
Unsere Einschätzung:
Das BSG stellt besonders hohe Anforderungen an die Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit von Tatsachen, wenn diese der Entscheidung über die Sozialversicherungspflicht zugrunde gelegt werden. Eine Anwendung der vom BFH entwickelten Grundsätze zur Gleichstellung von Minderheitsgesellschafter:innen mit beherrschenden Gesellschafter:innen kommt damit nicht in Betracht. Schuldrechtliche Stimmbindungs- oder Treuhandverträge genügen den Anforderungen an Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit im Sozialversicherungsrecht nicht. Gleiches gilt, wenn lediglich ein faktisches Zusammenwirken aufgrund gemeinsamer Interessen (die sich jederzeit ändern können) besteht.
Es bleibt bei der durch das BSG vorgegebenen und in den letzten Entscheidungen konsequent bekräftigten Linie, dass GmbH-Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer regelmäßig sozialversicherungspflichtig sind. Dies gilt, wenn sie nicht über eine umfassende, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende Sperrminorität verfügen. Gleiches gilt entsprechend für UG (haftungsbeschränkt)-Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer.
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