23. Februar 2021

Überlassung von Firmenwagen und das Urteil des EuGH

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Aktuell kursieren einige Fachbeiträge zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) C-288/19 vom 20.01.2021. Aus diesen Beiträgen kann man schlussfolgern, dass Arbeitgeber:innen Umsatzsteuer sparen können, wenn sie ihren Arbeitnehmer:innen Firmenfahrzeuge überlassen. Diese Einschätzung zur Versteuerung ist unseres Erachtens nicht zutreffend. Wie es zu dieser fehlerhaften Auslegung kommt und welche Rechtsfolgen sich tatsächlich ergeben, erfahren Sie in unserem Beitrag “Überlassung von Firmenwagen und das Urteil des EuGH”.

Grundsatz der umsatzsteuerlichen Versteuerung

Überlassen Arbeitgeber:innen ihren Arbeitnehmer:innen einen Firmenwagen und dürfen diese das Fahrzeug auch für private Zwecke nutzen, wird der privat genutzte Anteil der Umsatzsteuer unterworfen. Bislang unterstellte der deutsche Fiskus immer einen entgeltlichen Leistungsaustausch in Form einer PKW-Vermietung von Arbeitgeber:innen an deren Arbeitnehmer:innen. Gegenleistung dafür ist die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer:innen. Dadurch muss der private Nutzungsanteil der Arbeitnehmer:innen ausnahmslos der Umsatzsteuer unterworfen werden.
Wird ein Leistungsaustausch verneint, kann dennoch Umsatzsteuer im Rahmen einer sogenannten „Unentgeltlichen Wertabgabe“ anfallen. Voraussetzung dafür ist die Berechtigung zum zumindest teilweisen Vorsteuerabzug bei Anschaffung des Firmenwagens.
Beide gesetzlichen Grundlagen sind im Rahmen der europaweit harmonisierten Mehrwertsteuersystemrichtlinie sowie im nationalen deutschen Umsatzsteuergesetz verankert.

Überlassung von Firmenwagen und das Urteil des EuGH – was entschieden wurde

Der Europäische Gerichtshof hatte zu klären, ob in Fällen einer solchen Fahrzeugüberlassung tatsächlich eine umsatzsteuerliche Vermietung von Beförderungsmitteln an Arbeitnehmer:innen stattfindet.
Tenor der Entscheidung ist nun, dass eine Vermietung von Beförderungsmitteln (und somit eine umsatzsteuerpflichtige Vermietungsleistung) nur vorliegt, wenn Arbeitnehmer:innen laut Arbeitsvertrag einen Teil ihres Gehaltes für die Nutzung des Fahrzeugs abgezogen bekommen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass keine Vermietung von Beförderungsmitteln (und somit keine umsatzsteuerpflichtige Vermietungsleistung) vorliegt, wenn der Firmenwagen zusätzlich zum Gehalt und ohne eine Zuzahlung gewährt wird.

Mögliche fehlerhafte Auslegung des EuGH-Urteils

Viele Expert:innen leiten hieraus ab, dass Arbeitgeber:innen grundsätzlich keine Umsatzsteuer zahlen müssen, wenn sie ihren Arbeitnehmer:innen den Firmenwagen zusätzlich zum Gehalt gewähren – somit könnte die Zahlungsverpflichtung der Umsatzsteuer durch einfache Vertragsgestaltungen vermieden werden. Das ist unseres Erachtens nach allerdings nicht immer zutreffend.

Zu schön um wahr zu sein

Arbeitgeber:innen, die nun denken, dass dies zu schön ist, um wahr zu sein, liegen mit ihrer Vermutung richtig, denn:
Im Fall, über den das Gericht entschied, hatte der Arbeitgeber bei der Anschaffung keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Fahrzeuge. In diesen Fällen kann gemäß §3 Abs. 9a Nr. 1 Umsatzsteuergesetz beziehungsweise Artikel 26 Abs. 1 a der EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie keine „Unentgeltliche Wertabgabe“ vorliegen.
Wenn Arbeitgeber:innen bei der Anschaffung des Fahrzeuges die enthaltene Vorsteuer zumindest teilweise abziehen können, fällt also weiterhin Umsatzsteuer in Form von „Unentgeltlichen Wertabgaben“ für den privat genutzten Teil an. Das gilt auch, wenn keine Vermietung von Beförderungsmitteln vorliegt.

Chancen und Herausforderungen für Arbeitgeber:innen ohne Vorsteuerabzug

Arbeitgeber:innen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind (beispielsweise Ärzt:innen oder Versicherungsmakler:innen), mussten bislang ausnahmslos Umsatzsteuer abführen, wenn sie ihren Arbeitnehmer:innen einen Firmenwagen zur Verfügung gestellt haben, den diese auch privat nutzen durften. Das neue Urteil des EuGH besagt, dass in diesen Fällen lediglich noch Umsatzsteuer anfällt, wenn eine umsatzsteuerliche Vermietung vorliegt, der Firmenwagen also vom Gehalt der Arbeitnehmer:innen abgezogen wird.
Bevor Arbeitgeber:innen die Arbeitsverträge so gestalten, dass keine Umsatzsteuer anfällt, sollten sie bedenken:
Unterliegt die Überlassung des Firmenwagens der Umsatzsteuer, ist ein korrespondierender Abzug der Vorsteuern für Fahrzeugkosten (Anschaffungskosten, laufende KFZ-Kosten etc.) möglich. Sobald eine umsatzsteuerpflichtige Vermietungsleistung nicht mehr vorliegt, entfällt die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug bei Arbeitgeber:innen ohne Vorsteuerabzugsberechtigung.

Eine weitere Herausforderung könnte in Zukunft die Ermittlung der Höhe der Umsatzsteuer darstellen. Bislang wurde es nicht beanstandet, die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage (1%-Regelung oder Fahrtenbuchmethode) auch für die Umsatzsteuer zugrunde zu legen. Durch das Urteil könnten sich Berechnungs-Problematiken im Zusammenhang mit der “Unentgeltlichen Wertabgabe” ergeben. Hier kommt es aber auf die Auslegung der Finanzverwaltung an.

Arbeitgeber:innen oder Arbeitnehmer:innen im Ausland

Bislang war der Ort der Leistung bei langfristiger Nutzungsüberlassung eines Firmenwagens an Arbeitnehmer:innen am Wohnort der jeweiligen Person. Somit mussten Arbeitgeber:innen die Umsatzsteuer in dem Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers abführen.

Gewähren Arbeitgeber:innen den Firmenwagen nun zusätzlich zum Gehalt, liegt gemäß des EuGH-Urteils keine entgeltliche PKW-Vermietung vor. Dadurch richtet sich der umsatzsteuerliche Leistungsort nach dem Ort des Arbeitsgebers („B2C-Grundregel“ nach §3a Abs. 1 UStG / Artikel 45 MwStSystRL). Nach der neuen Rechtsprechung müssen Arbeitgeber:innen die Umsatzsteuer im eigenen Staat abführen. Arbeitgeber:innen sollten daher prüfen, ob Sie hiervon betroffen sind.

Unsere Einschätzung 

Es kursieren derzeit vor allem in Presseartikeln widersprüchliche Aussagen zur Auslegung des EuGH-Urteils. Grund hierfür ist in erster Linie die umständliche Urteilsbegründung. In der Urteilsbegründung wird die fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug bei Anschaffung nicht eindeutig als wesentlich für die Entscheidungsfindung herausgestellt.
Unseres Erachtens hebelt das Urteil die „Unentgeltliche Wertabgabe“ nicht aus. Denn in den meisten Fällen (Arbeitgeber:innen sind zum Vorsteuerabzug berechtigt) ändert sich nichts an der umsatzsteuerlichen Würdigung der Fahrzeugüberlassung an Arbeitnehmer:innen.
Besondere Bedeutung kommt dem Urteil bei Arbeitgeber:innen mit grenzüberschreitenden Arbeitnehmer:innen zu.
Außerdem können Arbeitgeber:innen ohne Vorsteuerabzug die Auslegung des EuGH gestalterisch nutzen. Allerdings müssen Unternehmer:innen den korrespondierenden Ausschluss vom Vorsteuerabzug beachten.

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