27. Januar 2022
Ungeklärte Rechtsfragen zur Besteuerung von Kryptowährungen
Inhaltsverzeichnis
- Finanzgericht Baden-Württemberg: Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen sind steuerpflichtig
- Ist die Besteuerung von Bitcoins verfassungswidrig? Finanzgericht Baden-Württemberg hat Revision zugelassen
- Aktiver Bitcoin-Handel: Noch private Tätigkeit oder ein Gewerbebetrieb?
- Besondere Behandlung bei indirektem Handel über Krypto-ETPs?
- Ausgestaltung der Finanzprodukte für Besteuerungsfolgen entscheidend
- Unsere Einschätzung
Auch wenn die Finanzverwaltung mit dem Entwurf eines BMF-Schreibens im Juni 2021 ihre Auffassung zur Besteuerung von Kryptowährungen in vielen Bereichen dargelegt hat, bleiben viele Fragen zur Besteuerung weiterhin offen.
Finanzgerichte müssen der Auslegung der Finanzbehörden nicht zwingend folgen. Sie sind an die Richtlinien und Schreiben der Finanzverwaltung nicht gebunden. Aus diesem Grund bleibt abzuwarten, wie die Finanzrechtsprechung zukünftig mit den Fragen zur Besteuerung von Kryptowährungen umgeht. Zum Beispiel zu der Frage, ob sich die Spekulationsfrist durch Lending auf zehn Jahre verlängert oder zu der Abgrenzung, ab wann der Handel mit Bitcoin bzw. das Mining im Einzelfall gewerblich ist, erwarten wir in Zukunft Rechtsprechung, die für weitere Klarheit im Umgang mit Bitcoin und anderen virtuellen Währungen sorgt.
Finanzgericht Baden-Württemberg: Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen sind steuerpflichtig
Ein interessantes Urteil gibt es aktuell aus Baden-Württemberg. Der Kläger hatte vor Gericht gelten gemacht, Kryptowährungen würden kein sonstiges Wirtschaftsgut darstellen, da es weder ein Recht noch eine Sache im Sinne des BGB sei. Damit würde auch kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vorliegen. Zuvor hatte bereits das Finanzgericht Nürnberg im April 2020 in einem Verfahren um die Aussetzung der Vollziehung der Besteuerung Zweifel an der Eigenschaft als Wirtschaftsgut von Kryptowährungen zugelassen.
In dem am 01. Dezember 2021 veröffentlichen Urteil vom 11.6.2021 (5 K 1996/19) führte das Finanzgericht Baden-Württemberg jedoch aus, dass Kryptowährungen grundsätzlich als immaterielle Wirtschaftsgüter anzusehen sind. Der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts ist laut Rechtsprechung weit zu fassen und auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. Er umfasst neben Sachen und Rechte im Sinne des BGB auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten. Dadurch seien insbesondere vermögenswerte Vorteile, die entgeltlich erworben werden, ein Wirtschaftsgut.
Der Senat des Finanzgerichts vertritt aus diesen Gründen die Auffassung, dass es sich bei Kryptowährungen um immaterielle Wirtschaftsgüter und damit um andere Wirtschaftsgüter im Sinne von § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Einkommensteuergesetz handelt. Veräußerungsgewinne aus Kryptowährungen stellen daher Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG dar.
Ist die Besteuerung von Bitcoins verfassungswidrig? Finanzgericht Baden-Württemberg hat Revision zugelassen
Die Klageschrift führte außerdem an, es läge bei der Besteuerung von Kryptowährungen grundsätzlich ein strukturelles Vollzugsdefizit vor. Eine Besteuerung würde allein von der Erklärungsbereitschaft der Steuerpflichtigen abhängen. Es gäbe keine Mitteilungspflichten über den Transfer von Bitcoin und anderen Kryptowährungen und Kryptobörsen unterlägen nicht dem automatisierten Kontenabruf. Das Entdeckungsrisiko im Fall einer Nichterklärung sei ausgesprochen gering, insbesondere beim Handel an ausländischen Börsen. Insofern sei die verfassungsrechtlich erforderliche Gleichheit der Besteuerung nicht gegeben. Die Besteuerung von Bitcoin und Co. sei damit verfassungswidrig.
Das Finanzgericht sah dies jedoch anders. Auch die Tatsache, dass sich die meisten Handelsplattformen für Kryptowährungen im Ausland befinden, ändert nichts an diesem Ergebnis. Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug ist die Finanzverwaltung regelmäßig auf eine erhöhte Mitwirkung der Steuerpflichtigen angewiesen. Darüber hinaus kann sie durch zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe oder Sammelauskunftsersuchen erforderliche Auskünfte bei Internethandelsplattformen einholen. Kryptobörsen sind als multilaterale Handelssysteme Finanzdienstleistungsinstitute und unterliegen daher der Identifizierungspflicht. Diese Daten könnte die Finanzverwaltung zumindest bei inländischen Börsen erheben.
Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und es zu den Rechtsfragen noch keine höchstrichterliche Entscheidung gibt, hat das FG Baden-Württemberg die Revision beim Bundesfinzanzhof (BFH) zugelassen. Wir erwarten hier jedoch kein abweichendes Urteil des obersten Gerichtshofs, sodass der Handel mit Kryptowährungen auch in Zukunft der Besteuerung unterliegen wird.
Aktiver Bitcoin-Handel: Noch private Tätigkeit oder ein Gewerbebetrieb?
Bei sehr aktiven Bitcoin-Tradern wird außerdem die Frage zu klären sein, ob die Tätigkeit noch als privat oder bereits als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren sind. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung zum Aktienhandel ist grundsätzlich auch eine hohe Anzahl an Transaktionen noch der privaten Sphäre zuzuordnen sein. Fraglich ist, ob dies auch beim Handel mit Kryptowährungen gilt, schließlich handelt es sich hier nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung nicht um Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Eine gewerbliche Tätigkeit erfordert eine selbstständige, nachhaltige und mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Tätigkeit unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Unternehmerrisiko und eigene Verantwortung (Unternehmerinitiative) sind beim Handel mit Bitcoin regelmäßig gegeben. Jedoch muss für eine Gewerblichkeit ausdrücklich der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten werden. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn die Vermögensmehrung durch Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte – also der Handel – in den Vordergrund tritt und die langfristige Nutzung dieses Vermögens überschattet.
Besondere Behandlung bei indirektem Handel über Krypto-ETPs?
In Deutschland bieten die ersten Broker sogenannte Krypto-ETPs (Exchange Traded Product) an. Mit diesen werden Kryptowährungen indirekt über deutsche Börsen gehandelt. Auch über ETFs (Exchange Traded Funds), ETCs (Exchanged Trades Commodities) und ETNs (Exchange Traded Notes) ist ein indirekter Handel mit Bitcoin und Co. möglich. Diese Finanzprodukte bilden die Kursentwicklung von Kryptowährungen in Echtzeit ab und sind dabei wie Aktien über eine Börse zu handeln. Das erspart Ihnen eine zusätzliches Krypto-Wallet. Oft sind die Produkte physisch hinterlegt. Das bedeutet einem ETP-Anteil steht eine feste Menge der Kryptowährung gegenüber, die über Verwahrstellen aufbewahrt werden.
Vergleichbar ist dieser indirekte Handel mit Xetra-Gold, welches Ihnen vielleicht bekannter ist. Auch hier wird kein physisches Gold, sondern ein Wertpapier gehandelt. Dieses Wertpapier ist mit physischen Goldbarren hinterlegt, auf die Anlager:innen schuldrechtlich Anspruch haben. Der BFH hatte 2020 klargestellt, dass die Veräußerung von Xetra-Gold (Anleihen über Gold-ETNs) nicht unter die Abgeltungssteuer fällt und bei einer Haltedauer von über einem Jahr steuerfrei erfolgen kann.
Ausgestaltung der Finanzprodukte für Besteuerungsfolgen entscheidend
Teilweise werben die Broker jedoch mit der einfachen Besteuerung von Krypto-ETPs: Anders als beim klassischen Handel über Krypto-Börsen würde den Anleger:innen die Besteuerung abgenommen und automatisch über die Depotbank durchgeführt. Das bedeutet, dass die Behörden Kapitalertragsteuer einbehalten und abführen. Damit würde jeder Gewinn aus der Veräußerung eines Krypto-ETPs – unabhängig von der Haltedauer – im Rahmen der Abgeltungssteuer in Höhe von 25% versteuert. Es greift der Sparerpauschbetrag von 801 Euro und Gewinne sind gegebenenfalls mit anderen Verlusten aus Wertpapiergeschäften verrechenbar.
Die Besteuerungsfolgen hängen von der konkreten Ausgestaltung des Finanzprodukts ab. Aktuell ist unserer Einschätzung nach davon auszugehen, dass Gewinne aus ETPs oder ETFs, welche die Wertentwicklung einer oder mehrerer Kryptowährung:en abbilden, grundsätzlich als Kapitaleinkünfte gem. § 20 EStG zu versteuern sind. Eine andere Qualifikation könnte jedoch für Finanzprodukte gelten, bei denen Kryptowährungen physisch hinterlegt sind – ähnlich wie bei Xetra Gold. Auch hier ist es nicht auszuschließen, dass sich die steuerliche Behandlung erst durch künftige Rechtsprechung festigt.
Unsere Einschätzung
Noch immer herrscht Unsicherheit im steuerlichen Umgang mit Kryptowährungen. Wir raten zur Vorsicht und zum vorausschauenden professionellen Umgang mit allen steuerlichen Fragen rund um Kryptowährungen. Wir stehen Ihnen bei der steuerlichen Ausgestaltung gerne zur Seite.