12. Oktober 2020

Unterschlagungsprüfungen können Wirtschaftskriminalität in Unternehmen wirksam bekämpfen  

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Der Betrug am Arbeitsplatz ist die größte und am weitesten verbreitete Bedrohung durch Wirtschaftskriminalität. Die Täter sind entweder die eigenen Mitarbeiter oder die gesetzlichen Vertreter, namentlich die Vorstände und Geschäftsführer. Nicht zuletzt der Skandal um Wirecard hat dies wieder anschaulich gezeigt. Hier erfahren Sie, wie Unterschlagungsprüfungen Wirtschaftskriminalität im Unternehmen wirksam bekämpfen können. 

 

Gerade mittelständische Unternehmen sind besonders anfällig für Unterschlagungsdelikte. Denn hier ist es in der Regel so, dass meist keine durchgängigen und funktionierenden internen Kontrollen etabliert sind. Bei betroffenen Unternehmen stellen sich meist gleich mehrere negative Effekte ein. Da neben der wirtschaftlichen Lage und der Reputation auch die Arbeitsatmosphäre unter dieser besonders verbreiteten Form der Wirtschaftskriminalität leidet. Hier kommen die sogenannten „Unterschlagungsprüfungen“ ins Spiel.

Ziel von Unterschlagungsprüfungen ist zum einen die Ermittlung des Schadensausmaßes, wenn ein Schaden bereits entstanden ist. Unterschlagungsprüfungen können aber auch präventiv durchgeführt werden, um Schwachstellen im internen Kontrollsystem zu identifizieren und abzustellen.

Was sind Unterschlagungen?

Eine kurze Definition zu “Unterschlagung”: Unterschlagung im Sinne des Strafrechts meint die rechtswidrige Zueignung einer fremden beweglichen Sache für sich oder einen Dritten. Der Unterschied zum Diebstahl besteht darin, dass der Täter die tatsächliche Sachherrschaft über die betreffende Sache bereits innehat und sich diese nicht erst beschaffen muss.

Unterschlagung im wirtschaftlichen Sinne geht über diesen Straftatbestand hinaus. Demnach wird unter der Unterschlagung jede bewusste Handlung verstanden, die gleichzeitig zu einer persönlichen Bereicherung und einer Schädigung des Unternehmens führt. Diese sogenannten „dolosen Handlungen“ umfassen Diebstahl, Betrug, Untreue, Urkundenfälschung und ähnliches.

Wirtschaftskriminalität: Wie sehen dolose Handlungen aus?

Dolose Handlungen reichen vom einfachen Griff in die Kasse bis zur Ergebnismanipulation durch das Management. In der Konsequenz führt ein höheres Ergebnis meistens zu erhöhten Tantiemenzahlungen an die Täter. Unterschlagungsdelikte fallen damit unter einen breiten Anwendungsbereich und sehen ganz unterschiedlich aus.

In der Regel treffen drei Faktoren zusammen, das sogenannte „Fraud-Triangle“ (Fraud = Betrug):

  • Motivation – jemand fühlt sich im Unternehmen übergangen oder nicht ausreichend gewertschätzt
  • Gelegenheit – das Kontrollumfeld ist schwach, der Täter fühlt sich unbeobachtet
  • Rechtfertigung – der Täter ist überzeugt, dass ihm das widerrechtlich Erlangte zusteht

Präventive und anlassbezogene Unterschlagungsprüfungen

Präventive Prüfungen betreffen das interne Kontrollsystem. Dieses wird auf seine Wirksamkeit zur Vermeidung und Aufdeckung doloser Handlungen überprüft. Dabei werden insbesondere die Bereiche geprüft, bei denen keine IT-Kontrollen greifen.

Anlassbezogenen Prüfungen liegen konkrete Verdachtsmomente zugrunde, die aufgeklärt werden müssen. Dazu kann auch die Überwachung der im Unternehmen tätigen Personen zählen, um in der Folge die oder den Täter zu überführen. Darüber hinaus müssen besonders gefährdete Werte gesichert und die offensichtlich vorhandenen Schwachstellen im internen Kontrollsystem aufgedeckt werden.

Prüfungshandlungen im Rahmen einer Unterschlagungsprüfung

Im Rahmen der Prüfung werden direkte oder indirekte Prüfungshandlungen vorgenommen. Direkte Prüfungshandlungen umfassen beispielsweise die Durchführung von ungeplanten Inventuren, Belegprüfungen oder das Einholen von Bestätigungen Dritter um sicherzustellen, dass bei Dritten verwahrtes Vermögen (Bankguthaben, Lagerhaltung) tatsächlich vorhanden ist. Indirekte Prüfungshandlungen umfassen in erster Linie Verplausibilisierungen, Analysen von Kennziffern und KPIs (Key Perfomance Indicators) und Kontrollsystemprüfungen.

Grundsätzlich umfasst das Prüfprogramm in der ersten Phase eine globale Lokalisierung, die dann zu einer Detailplanung übergeht. Mit der globalen Lokalisierung werden bei Ungereimtheiten in der Finanzbuchführung die dazu gelieferten Erklärungen genauer untersucht.

Zu beachten ist, dass Unterschlagungsprüfungen nicht vollständig planbar sind, sondern laufend an die bereits gewonnenen Erkenntnisse angepasst werden müssen. Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:

  • Unterschlagungen sind häufig eher unkompliziert zu finden

Häufig gibt es Lücken im internen Kontrollsystem, die eine unkomplizierte Schädigung ermöglichen.

  • Unterschlagungen finden in „Geldnähe“ statt

„Geldnähe“ beschreibt in diesem Zusammenhang den Zugriff auf Gegenstände, die der Täter privat veräußern kann (bspw. Handys, Webcams).

  • Unterschlagungen finden wiederholt statt

Sobald Täter Erfolg bei der ersten Unterschlagung hatten, sinkt die Hemmschwelle für weitere Taten dramatisch.

Wer führt diese Prüfungen durch?

Dolose Handlungen erwecken meist den Anschein der Ordnungsmäßigkeit. Sie können also nur aufgedeckt werden, wenn man sich mit dem Zahlenmaterial und dem internen Kontrollsystem des Unternehmens vertraut macht. Unterschlagungsprüfungen werden deshalb in der Regel von Wirtschaftsprüfern oder von der internen Revision des Unternehmens durchgeführt.

Unsere Einschätzung

Der Aufbau eines effektiven und IT-gestützten internen Kontrollsystems ist unerlässlich im Kampf gegen Unterschlagungen im eigenen Unternehmen. An den Stellen, an denen IT-Kontrollen nicht greifen, ist zwingend ein Vier-Augen-Prinzip als „Mindestkontrolle“ einzuführen. Je mehr Personen für eine Unterschlagung zusammenwirken müssen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Vermögensschaden kommt.

Falls Sie Fragen zum Thema haben oder konkrete Hilfen benötigen, sprechen Sie uns gerne an!

 

 

Thilo Marenbach

Partner, Vorstand, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sustainability Auditor

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