Betriebsaufspaltung – Neues Urteil zum Durchgriffsverbot bei einer Kapitalgesellschaft
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3. August 2023

Betriebsaufspaltung – Neues Urteil zum Durchgriffsverbot bei einer Kapitalgesellschaft

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In Unternehmensgruppen kommt der erweiterten Kürzung der Gewerbesteuer bei Grundbesitzgesellschaften eine große Bedeutung zu. Durch ein nun beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängiges Revisionsverfahren steht nach der Entscheidung des Finanzgerichts München vom 25. Juni 2023 das sogenannte Durchgriffsverbot bei Kapitalgesellschaften erneut im Fokus. Was es damit auf sich hat und welche Folgen für eine Grundbesitzüberlassung an mittelbare Gesellschafter:innen einer Kapitalgesellschaft drohen, erfahren Sie hier.

Betriebsaufspaltung: Schädlich für die erweiterte Kürzung bei Grundbesitzgesellschaften

Die erweiterte Kürzung kann nur von Grundbesitzunternehmen beansprucht werden, die ausschließlich vermögensverwaltend ihren eigenen Grundbesitz nutzen. Darüber hinausgehende Tätigkeiten sind entweder partiell nicht begünstigt oder führen sogar zur vollständigen Versagung der erweiterten Kürzung. Die Begründung einer Betriebsaufspaltung führt zu einer Gewerblichkeit der Grundbesitzgesellschaft und damit zur vollständigen Versagung der erweiterten Kürzung.  

Was ist das Durchgriffsverbot bei Kapitalgesellschaften?

Voraussetzung für eine Betriebsaufspaltung ist die personelle und sachliche Verflechtung zwischen dem Grundbesitzunternehmen und der Betriebsgesellschaft. Bislang wurde für Gesellschaftskonstellationen, in denen eine Grundbesitzüberlassung von einer Kapitalgesellschaft an ihre Schwesterkapitalgesellschaft erfolgt, die sogenannte personelle Verflechtung verneint. Grund ist, dass die eine Kapitalgesellschaft die andere nicht „beherrscht“, da kein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis besteht. Das Durchgriffsverbot verbietet in dieser Konstellation bisher eine Zurechnung der Beherrschung der Schwestergesellschaft durch die gemeinsamen Gesellschafter:innen zur Grundbesitzgesellschaft.

Dies galt zunächst auch für Fälle, in denen der Grundbesitz durch eine Personengesellschaft überlassen wurde, sofern an dieser eine Kapitalgesellschaft beteiligt war.

Schrittweise Abkehr vom Durchgriffsverbot?

Mit dem Urteil vom 16.09.2021 (IV R 7/18) entschied der BFH abweichend von der bisherigen Praxis und wendete das Durchgriffsverbot im Urteilsfall nicht an. In dem entschiedenen Fall war das Besitzunternehmen eine Personengesellschaft, an welcher die Gesellschafter:innen des Betriebsunternehmens mittelbar über eine Kapitalgesellschaft beteiligt waren. Damit wurde eine personelle Verflechtung zwischen der Grundbesitz- und der Betriebsgesellschaft angenommen und infolgedessen eine Betriebsaufspaltung erkannt. Diese Entscheidung hat die weitreichende Folge, dass – nach Ablauf einer Billigkeitsmaßnahme der Finanzverwaltung – ab dem Veranlagungszeitraum 2024 in den oben genannten Fällen von der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nicht länger Gebrauch gemacht werden kann.

Nach diesem Urteil war zunächst unklar, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf Fallgestaltungen hat, in denen Grundbesitz zwischen Schwesterkapitalgesellschaften überlassen wird. Mit Erlass vom 22.11.2022 sprach sich das Bundesfinanzministerium (BMF) erfreulicherweise gegen die Annahme einer Betriebsaufspaltung zwischen Schwester-Kapitalgesellschaften aus.

Welche Bedeutung hat die anhängige Revision auf das Durchgriffsverbot?

Nun befasste sich das Finanzgericht München mit dem Fall, ob eine sogenannte umgekehrte Betriebsaufspaltung begründet wird, wenn eine Kapitalgesellschaft Grundbesitz an mittelbar über eine andere Kapitalgesellschaft beteiligte Anteilseigner:innen überlässt. Dem Urteil des Finanzgerichts München lag genau folgender Sachverhalt zugrunde:

  •   Die grundbesitzende A Immobilien GmbH überließ ein Grundstück an die F KG.
  •   Anteilseigner der A Immobilien GmbH waren zu rund 48 Prozent die Person F sowie zu rund 52 Prozent die B GmbH.
  •   Alleinige Gesellschafterin der B GmbH war die F KG. An der F KG waren wiederum die F Holding GmbH als Kommanditist zu 100 Prozent und die F GmbH zu 0 Prozent als Komplementär beteiligt. Alleiniger Anteilseigner der F Holding GmbH war die Person F.

Diese Konstellation ist zwar nicht mit Überlassungen zwischen Schwesterkapitalgesellschaften vergleichbar. Allerdings wird im Zuge dieses Verfahrens auf das Durchgriffsverbot bei konzerninternen Überlassungen von Grundbesitz zwischen Kapitalgesellschaften abgestellt. Diese Entscheidung könnte daher grundsätzliche Bedeutung für die Anwendung der erweiterten Kürzung bei Kapitalgesellschaften haben.

Durchgriffsverbot: Wie hat das FG München entschieden?

Das Finanzgericht hat entgegen der Auffassung des Finanzamts entschieden, dass keine Betriebsaufspaltung vorliegt. Durch das anzuwendende Durchgriffsverbot sei der A Immobilien GmbH als Kapitalgesellschaft die Beteiligungen ihrer Gesellschafter an der F KG als Betriebsgesellschaft nicht zuzurechnen. Mangels personeller Verflechtung läge somit keine für die Anwendung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG schädliche Betriebsaufspaltung vor. Nach Auffassung des Finanzgerichts steht die Entscheidung des BFH vom 16.09.2021 dem nicht entgegen, da es sich beim Fall des BFH um eine Besitz-Personengesellschaft gehandelt habe.

Durch die Finanzverwaltung wurde gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Das bedeutet, dass die Entscheidung des Finanzgerichts München nun vom BFH überprüft wird.

Unsere Einschätzung

Das nun beim BFH anhängige Revisionsverfahren zur Frage des Durchgriffsverbots bei Kapitalgesellschaften wird richtungsweisend für konzerninterne Grundbesitzüberlassungen sein. Eine weitere Abkehr vom Durchgriffsverbot durch den BFH könnte bedeuten, dass auch in Fällen der Vermietung zwischen Schwesterkapitalgesellschaften zukünftig eine Betriebsaufspaltung anzunehmen ist. Damit ist dieses Urteil auch entscheidend für die Frage nach der weiteren Anwendbarkeit der erweiterten Kürzung der Gewerbesteuer in dieser gängigen Gestaltung. Es bleibt zu hoffen, dass der BFH am Durchgriffsverbot bei Besitz-Kapitalgesellschaften festhält.

Falls er das nicht tut, könnte das Revisionsurteil des BFH auch für Ihre Unternehmensgruppe von großer steuerlicher Bedeutung sein. Ob und inwieweit sich die Entscheidung des BFH auf Ihre Unternehmen auswirken könnte, besprechen wir gerne bereits vorab mit Ihnen. Unser Team steht Ihnen jederzeit zur Verfügung.

Tim Weyers

Prokurist, Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation)

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