
3. November 2025
Verlustnutzung nach Beendigung einer zweigliedrigen KG durch Anwachsung auf eine GmbH – BFH schafft Klarheit
Inhaltsverzeichnis
Verluste aus Personengesellschaften – und insbesondere aus Kommanditgesellschaften (KG) – sind in der Steuerpraxis stets ein sensibles Thema: Wie und wann können diese Verluste nutzbar gemacht werden, was passiert bei gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen und wie wirken sich gesetzliche Grenzen aus?
Das Urteil XI R 2/23 des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. März 2025 bringt hierzu Klarheit in einem Fall, in dem eine KG mit zwei Gesellschaftern (sog. zweigliedrige KG) durch Anwachsung auf die allein verbliebene Kommanditistin in der Rechtsform einer GmbH voll beendet wird. Zentral war die Frage, ob und in welchem Umfang die bei der KG festgestellten verrechenbaren und gewerbesteuerlichen Verluste auf die GmbH übergehen und von dieser bei Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer genutzt werden können.
FG München: Verlustverrechnung auf Ebene der GmbH möglich
Die Klägerin war eine GmbH, die Kommanditistin einer GmbH & Co. KG (hier: eine zweigliedrige KG) war. Neben ihr bestand die KG aus einer Komplementär-GmbH, die jedoch nicht am Kapital beteiligt war. Mit Gesellschafterbeschluss trat die Komplementär-GmbH zum Stichtag 30.12.2011 „entschädigungslos“ aus der KG aus. Dadurch wurde die KG liquidationslos beendet: Es erfolgte eine Anwachsung des Vermögens der KG auf die verbleibende Kommanditistin.
Die GmbH beantragte in der Steuererklärung für 2011 die Berücksichtigung eines Verlusts in Höhe des bislang nicht genutzten Verlustanteils nach § 15a Einkommensteuergesetz (EStG) sowie eines Gewerbeverlusts nach § 10a Gewerbesteuergesetz (GewStG), der bei der KG bis zum Beendigungszeitpunkt entstanden war. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung dieser Verluste jedoch – zumindest für das Jahr der Anwachsung (2011) – in wesentlichen Teilen ab.
Nachdem das folgende Einspruchsverfahren erfolglos blieb, klagte die GmbH vor dem Finanzgericht München, das der Klage zugunsten der Klägerin stattgab. Die Verluste können laut des Gerichts zwar nicht im Jahr 2011, aber ab dem Jahr 2012 auf Ebene der GmbH verrechnet werden. Gegen die Entscheidung legte das Finanzamt Revision vor dem BFH ein.
Wie hat der BFH zur Behandlung nach § 15a EStG und § 10a GewStG sowie zur Unternehmensidentität und zeitlichen Verlustverrechnung entschieden?
Der Bundesfinanzhof hat das Urteil des Finanzgerichts München bestätigt und im Wesentlichen folgende Grundsätze entschieden:
a) Verlustnutzung bei Körperschaftsteuer (§ 15a EStG)
Der verrechenbare Verlust, den die GmbH als Kommanditistin der KG nach § 15a Abs. 4 EStG festgestellt hatte, geht im Fall der Anwachsung auf die GmbH über und kann von dieser mit künftigen Gewinnen verrechnet werden.
Es erfolgt dabei keine Umqualifikation des Verlusts: Der übergegangene Verlust bleibt als verrechenbarer Verlust bestehen und wird nicht zu einem ausgleichsfähigen Verlust. Damit wird gewahrt, dass die spezifischen Regeln und Beschränkungen für zurechenbare Verlustanteile weiter gelten.
Die Verrechnung kann jedoch nicht im Jahr der Anwachsung bereits in vollem Umfang stattfinden, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt sind oder der Gewinn erst im Folgejahr realisiert wird. Im vorliegenden Fall konnte der Verlust erst für das Streitjahr 2012 verwendet werden.
b) Gewerbesteuerliche Verlustnutzung (§ 10a GewStG) und Unternehmensidentität
Auch der vortragsfähige Gewerbeverlust der KG zum Zeitpunkt der Anwachsung steht der GmbH zu. Der BFH entschied, dass die GmbH diesen Verlust für die Gewerbesteuer erst ab dem Veranlagungszeitraum nach der Anwachsung nutzen kann, soweit die Voraussetzungen erfüllt sind.
Ein wichtiges Kriterium war die Unternehmensidentität bzw. der Grundsatz der Unternehmenskontinuität. Das Finanzamt hatte argumentiert, dass nach der Anwachsung bzw. Übernahme durch die GmbH der Betrieb nicht mehr hinreichend identisch sei oder ein einheitlicher Gewerbebetrieb nicht gegeben sei. Der BFH hält dem entgegen: Es sei nicht erforderlich, dass die GmbH exakt dieselben Tätigkeiten wie die KG fortführt, solange der Betrieb der KG zum Zeitpunkt der Anwachsung nicht vollständig eingestellt war.
Die Bindungswirkung des Feststellungsbescheids spielt eine Rolle: Der festgestellte Gewerbeverlust sowie der verrechenbare Verlust waren in bestandskräftigen Bescheiden (§ 15a EStG und § 10a GewStG) festgestellt worden, die für die Nutzung durch die GmbH entscheidend sind.
c) Zeitpunkt und Grenzen der Verlustverrechnung
Obwohl die Anwachsung zum 30.12.2011 stattfand, konnte der Verlust für das Jahr 2011 nicht voll berücksichtigt werden. Der BFH betonte, dass die Nutzung frühestens im Veranlagungszeitraum nach dem Jahr der Anwachsung möglich ist – im vorliegenden Fall also 2012.
Eine vollständige Einstellung des Betriebs der KG zum Zeitpunkt der Anwachsung würde allerdings eine andere Bewertung erfordern. Der Senat ließ offen, wie in solchen Fällen entschieden werden muss, betonte aber, dass hier der Betrieb weitgehend, aber nicht vollständig eingestellt war. Damit war die Voraussetzung erfüllt, dass noch ein Gestaltungsspielraum für die GmbH besteht.
Welche praktischen Handlungsempfehlungen für eine steuerlich optimierte Umstrukturierung von Personengesellschaften lassen sich aus dem BFH-Urteil für die Praxis ableiten?
- Frühzeitige Planung: Vor einer geplanten Umstrukturierung sollte geprüft werden, ob und welche steuerlichen Verlustvorträge vorhanden sind, ob sie festgestellt werden können, und ob Bescheide noch ergehen und bestandskräftig werden können.
 
- Dokumentation des fortbestehenden Betriebs: Bilanzaktivitäten, Geschäftstätigkeit, Mitarbeiter, laufende Projekte etc. sollten belegt werden, damit bei Außenprüfungen der Nachweis gelingen kann, dass der Betrieb nicht vollständig eingestellt war.
 
- Gesellschaftsrechtliche Gestaltung: Beschlüsse über Ausscheiden oder Anwachsung müssen korrekt und formal wirksam sein; bei Beteiligungen, Kapitalanteilen und Haftung sind klare Regelungen erforderlich.
 
- Steuerliche Gutachten oder Beratung einholen: Gerade bei komplexeren Strukturen lohnt es sich, einen spezialisierten Steuerberater einzuschalten, um Risiken zu erkennen und Gestaltungsspielräume zu nutzen.
 
Warum sich ein strategisches Vorgehen bei Umstrukturierungen lohnt: Unsere Einschätzung zur Verlustnutzung
Mit dem Urteil BFH XI R 2/23 vom 19. März 2025 hat der Bundesfinanzhof eine zentrale Frage zur Verlustnutzung bei Personengesellschaften und deren Umstrukturierung beantwortet. Das Urteil sorgt dafür, dass bei einer liquidationslosen Beendigung einer KG durch Anwachsung auf die verbleibende Kommanditistin GmbH festgestellte verrechenbare Verluste und Gewerbeverluste nicht verloren sind, sondern unter bestimmten Voraussetzungen weiter genutzt werden können.
Für Mandant:innen heißt das: Wer strategisch vorgeht, kann bei Umstrukturierungen steuerliche Nachteile vermeiden. Das Urteil stärkt die Rechtssicherheit und schafft einen Rahmen, in dem Verluste nicht schon durch formale Änderungen verloren gehen, sondern nutzbar bleiben. Gleichzeitig erfordert dieses Urteil aber, dass Steuerpflichtige und Steuerberater:innen sorgfältig arbeiten – insbesondere bei Feststellungsverfahren, beim Nachweis der Betriebsfortführung und beim Timing.
In Summe eröffnet dieses Urteil Chancen, die bislang unsicher waren, bringt aber auch klare Bedingungen mit sich. Wer diese beachtet, kann Verluste fortführen, statt sie schlicht verfallen zu lassen.
Sie haben Fragen zu der Verlustverrechnung bei Umstrukturierungen oder Unternehmenstransaktionen? Unsere Kanzlei unterstützt Sie mit fundierter steuerlicher und gesellschaftsrechtlicher Expertise – von der Analyse über die Gestaltung bis hin zur laufenden Begleitung. Nehmen Sie gern Kontakt zu Julian Heesemann oder Peter Beckermann auf.


                        
                        


