9. Dezember 2024
Verlustvortrag bei Anwachsung einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft
Inhaltsverzeichnis
- Doch kein Untergang des verrechenbaren und gewerbesteuerlichen Verlustvortrags
- Finanzamt: Keine Berücksichtigung übernommener Verluste in Steuererklärung
- FG München widerspricht und stärkt Rechte bei Umstrukturierung
- Nutzung von Verlusten für Steueroptimierung erlaubt
- Unsere Einschätzung
- Kontaktformular
Das FG München hat klargestellt, dass verrechenbare und gewerbesteuerliche Verluste bei Anwachsung einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft erhalten bleiben – unabhängig davon, ob der Gewerbebetrieb der Personengesellschaft anschließend identisch fortgeführt wird oder nicht. Was das für die Steueroptimierung bedeutet, erfahren Sie hier.
Doch kein Untergang des verrechenbaren und gewerbesteuerlichen Verlustvortrags
In einem wegweisenden Urteil (Az.: 6 K 1787/19) vom 25. Januar 2023 hat das Finanzgericht München entschieden, wie verrechenbare Verluste nach § 15a EStG und gewerbesteuerliche Verlustvorträge nach § 10a GewStG im Fall einer Anwachsung einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft behandelt werden. Die Entscheidung hat besondere Relevanz für die steuerliche Behandlung von Personengesellschaften, die durch Anwachsung auf Kapitalgesellschaften übergehen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Fragestellungen wurde die Revision zugelassen, sodass der Fall beim BFH unter dem Az. XI R 2/23 anhängig ist. Der BFH hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung bereits zur Frage von Gewerbeverlusten nach § 10a GewStG in einem anderen Fall entschieden. Alle wichtigen Informationen darüber finden Sie in unserem Beitrag zum Thema.
Finanzamt: Keine Berücksichtigung übernommener Verluste in Steuererklärung
Das Verfahren beim FG München wurde durch eine Klägerin, eine GmbH, die alleinige Kommanditistin einer GmbH & Co. KG war, ausgelöst. Nach dem Austritt der nicht am Kapital beteiligten Komplementär-GmbH zum Ende des Jahres 2011 ging das gesamte Vermögen der Kommanditgesellschaft (KG), einschließlich der Verlustvorträge, durch Anwachsung auf die Klägerin über, wodurch die KG liquidationslos beendet wurde.
Das Finanzamt verweigerte jedoch die Berücksichtigung der übernommenen Verluste in den Steuererklärungen der GmbH. Es argumentierte, dass verrechenbare Verluste nach § 15a Abs. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) nur von Gewinnen des aufgenommenen Betriebs abgezogen werden können. Aufgrund der Betriebseinstellung könne auch nicht von einer Unternehmensidentität zwischen der KG und der GmbH gesprochen werden, die gewerbesteuerrechtlich für den Verlustabzug nach § 10a Gewerbesteuergesetz (GewStG) Voraussetzung sei. Die Klägerin widersprach und reichte Klage vor dem Finanzgericht München ein.
FG München widerspricht und stärkt Rechte bei Umstrukturierung
Das Finanzgericht München stellte klar, dass eine Verlustverwertung auf Ebene der GmbH möglich ist. Nach Auffassung des Gerichts führt die Anwachsung einer KG auf eine GmbH nicht zum Untergang der Verluste. Die Verluste bleiben erhalten und können von der übernehmenden Gesellschaft mit zukünftigen Gewinnen als Verlustvorträge verrechnet werden.
Einer der zentralen Streitpunkte war die Frage der Unternehmensidentität. Das Finanzamt war der Meinung, dass die Klägerin die Tätigkeiten der KG nicht in ausreichendem Umfang fortgeführt hätte, um eine Identität zwischen den Unternehmen zu begründen.
Das Gericht wies dieses Argument zurück. Es erklärte, dass bei einer GmbH aufgrund der Regelung des § 8 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) stets von einem einheitlichen Gewerbebetrieb auszugehen sei. Das bedeutet, dass sämtliche Gewinne und Verluste der GmbH als aus einer einzigen Einkunftsquelle stammend betrachtet werden. Diese Regelung macht es möglich, Verluste einer aufgelösten KG auch dann zu nutzen, wenn die ursprünglichen Tätigkeiten der KG nur teilweise oder gar nicht fortgeführt werden.
Das Finanzgericht München urteilte außerdem, dass die Verrechnung der übernommenen Verluste erst ab dem Jahr nach der Anwachsung möglich ist. Für den Verlustabzug im Jahr 2011 bestand keine Grundlage, da die Verlustfeststellung der KG erst zum Jahresende abgeschlossen war. Die GmbH konnte einen Verlustausgleich somit erstmals in ihrer Körperschaftsteuerveranlagung für 2012 herbeiführen.
Nutzung von Verlusten für Steueroptimierung erlaubt
Das Urteil schafft Klarheit für Unternehmen, die eine Umstrukturierung planen. Verluste aus Personengesellschaften gehen durch eine Anwachsung nicht verloren und können auch in der Rechtsform einer GmbH zur Steueroptimierung genutzt werden. Dies ist insbesondere für mittelständische Unternehmen von Bedeutung, die häufig in Form von Personengesellschaften operieren und im Zuge von Nachfolge- oder Umstrukturierungsprozessen in Kapitalgesellschaften überführt werden.
Unsere Einschätzung
Meilenstein für die steuerliche Behandlung von Verlustvorträgen bei Umstrukturierungen
Das Urteil des Finanzgerichts München markiert einen wichtigen Meilenstein für die steuerrechtliche Behandlung von Verlustvorträgen bei Umstrukturierungen in Form von Anwachsungen. Es stärkt die Position von Unternehmen und sorgt für Planungssicherheit in komplexen Konstellationen. Für die Steuerberatung sowie Unternehmen bietet die Entscheidung klare Leitlinien, wie Verluste bei der Anwachsung genutzt werden können. So weit, so gut.
Es bleibt nämlich abzuwarten, wie der Bundesfinanzhof in der zugelassenen Revision entscheiden wird. Sollte der Fall dort anders bewertet werden, könnten sich erneut weitreichende Konsequenzen für die Praxis ergeben und Verlustvorträge nach § 15a EStG oder § 10a GewStG bei Anwachsungen dennoch untergehen. Aktuell besteht durch die zugelassene Revision insbesondere hinsichtlich der Verwendung etwaiger Verlustvorträge nach § 10a GewStG wieder Rechtsunsicherheit. Sollte der XI. Senat des BFH abweichend im Vergleich zur bereits ergangenen Entscheidung des III. Senats urteilen, wird womöglich eine Entscheidung durch den Großen Senat des BFH erforderlich sein. Insofern gilt unsere oben getroffene Einschätzung unter dem Vorbehalt, dass die Nutzbarkeit steuerlicher Verlustvorträge bei Anwachsungsvorgängen vom XI. Senat des BFH bestätigt wird.
Haben Sie Fragen zum Erhalt steuerlicher Verlustvorträge oder Strukturveränderungen in Ihrer Unternehmensstruktur? Unsere steuerlichen Experten Steuerberater Julian Heesemann und Steuerassistent Peter Beckermann der ECOVIS KSO beraten Sie gerne.