7. Dezember 2020

Verrechnungspreise und Finanztransaktionen: Darlehen oder kein Darlehen

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Für den Verrechnungspreispraktiker war das Jahr 2020 mehr als nur turbulent. Zum einen trieb die OECD mit dem Inclusive Framework on BEPS nicht nur die Besteuerung der Digitalen Wirtschaft voran, sondern will mit dem GloBE-Projekt auch gleichzeitig die Grundlagen der internationalen Besteuerung neu ordnen. Zum anderen führt die andauernde Corona-Pandemie nicht nur zu bisher unbekannten Einschränkungen des Privatlebens, sondern wirbelt dazu auch noch wohl austarierte Verrechnungspreissysteme durcheinander.

Fast schon in Vergessenheit geraten ist hierbei jedoch, dass zu Beginn dieses Jahres mit der Veröffentlichung des neuen Kapitels X der OECD-Verrechnungspreisrichtlinie auch eines der seit jeher strittigsten Verrechnungspreisthemen adressiert wurde: Finanztransaktionen. Wir möchten daher das nahende Ende dieses Jahres 2020 noch einmal dazu nutzen, die wesentlichen Neuerungen und Inhalte zusammenfassen. Konkret beantworten möchten wir die Frage: „Verrechnungspreise und Finanztransaktionen: Darlehen oder kein Darlehen?”.

Verrechnungspreise und Finanztransaktionen: OECD veröffentlicht Transfer Pricing Guidance on Financial Transactions

Lange angekündigt und unter Praktikern schon fast sehnsüchtig erwartet, hat die OECD im Februar 2020 ihre Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen veröffentlicht. Sie soll in die Aktualisierung der allgemeinen Verrechnungspreisrichtlinie einfließen, die noch für dieses Jahr erwartet wird. Die neuen Richtlinien, die sich zum ersten Mal dediziert mit Finanztransaktionen auseinandersetzen, sind wie folgt gegliedert:

Verrechnungspreise und Finanztransaktionen: Darlehen oder kein Darlehen - Verrechnungspreise und Finanztransaktionen - Darlehen Grafik 1

Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Finanztransaktionen

Abschnitt 1 beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie Finanztransaktionen kaufmännisch und finanziell grundsätzlich einzuordnen sind. Im Kern dieser Bewertung stehen hierbei zwei Fragen:

  • Hätte das Unternehmen unter sonst gleichen Umständen eine vergleichbare Finanzierung von einem fremden Dritten erhalten?
  • Hätte das Unternehmen unter sonst gleichen Umständen eine vergleichbare Finanzierung von einem fremden Dritten erfragt?

Nur wenn beide Fragen mit ja beantwortet werden können, soll künftig eine Finanztransaktion und somit Fremdkapital vorliegen. Ein entscheidender Faktor wird hierbei der sog. Schuldentragfähigkeit bzw. Schuldennachhaltigkeit (debt sustainability) zukommen. Konkret also den Fragen, ob das Unternehmen in der Lage ist, die Finanzierung aus operativen Erträgen zu finanzieren und ob die Finanzierung überhaupt dem Unternehmenszweck dient. Ist das nicht der Fall, kann dies im Extremfall zu einer steuerlichen Umqualifizierung führen. Das heißt, dass ein zivilrechtlich wirksames Darlehen steuerlich (teilweise) als Eigenkapital behandelt wird.

Soweit schließlich klar ist, dass eine Finanzierung vorliegt, folgt wie üblich die Funktions- und Risikoanalyse. Gemäß den neuen Richtlinien sind hier insbesondere Kontrollfunktionen und -fähigkeiten der die Finanzierung gebenden Gesellschaft zu berücksichtigen.

Verrechnungspreise und Finanztransaktionen: Treasury-Funktionen

Der zweite Abschnitt befasst sich mit Treasury-Funktionen und versteht hierunter insbesondere die zentralseitige Organisation von konzerninternen Darlehen, Cash-Pooling sowie Hedging. Hier ist allerdings auf die tatsächlich vorliegenden Umstände abzustellen. Sieht beispielsweise ein einjähriges Darlehen eine automatische Verlängerung vor, soll hier künftig keine kurz- sondern eine langfristige Finanzierung gegeben sein, für welche regelmäßig ein höherer Zins anfällt.

Darlehen

Für konzerninterne Darlehen, die zweifelsfrei die häufigste Finanztransaktion in Konzernen darstellen, legt die OECD ein besonderes Augenmerk auf Ratings und die Berücksichtigung des Konzernrückhalts (implicit support bzw. passive association). Je größer die strategische Bedeutung des untersuchten Unternehmens, desto näher ist dessen Stand-Alone-Rating für Zwecke der Bonitätsbewertung und Ableitung eines angemessenen Zinses an das (unterstellt bessere) Rating der Muttergesellschaft anzupassen.

Zur konkreten Bestimmung des Zinses werden neben dem ohnehin in diesem Bereich dominanten externen Preisvergleich auch andere Ansätze diskutiert:

  • Cost of Funds (externe Refinanzierungskosten als Grundlage der Verrechnungspreisfindung),
  • Credit Default Swaps,
  • ökonomische Modellierung auf Basis von risikofreien Zinsen
  • etc.

Explizit abgelehnt werden hingegen unverbindliche Bankauskünfte. Denn hier basiert der Fremdvergleich nicht auf tatsächlichen Geschäftsvorfällen.

Cash-Pooling

Im Cash-Pooling, also dem konzerninternen kurzfristigen Ausgleich von überschüssiger beziehungsweiser benötigter Liquidität durch ein zentralisiertes Finanzmanagement, erkennt die OECD nur eine Routine-Dienstleistung. Denn die Funktionen des Cash-Pool-Führers stellen regelmäßig nur eine koordinierende Tätigkeit dar. Entsprechend soll dieser nur eine Routine-Vergütung erhalten, und realisierte Synergien sind zwischen den Cash-Pool-Teilnehmer aufzuteilen. Übt der Cash-Pool-Führer hingegen auch über die bloße Koordination hinausgehende und bedeutende Funktionen aus, ist er entsprechend höher zu vergüten.

Hedging

Mit Blick auf Instrumente zur Risikoübertragung und -minimierung (Hedging) führen die neuen Richtlinien aus, dass hier insbesondere dann Schwierigkeiten entstehen, wenn das Hedging zentralseitig in einer Art und Weise erfolgt, dass die Gesamtrisikoposition des Konzerns minimiert wird, die betroffene Konzerneinheit selbst jedoch nicht involviert ist. Eine Ver- bzw. Anrechnung wäre hier ohne detaillierte Abgrenzung oder bei fehlender vertraglicher Grundlage regelmäßig nicht angemessen.

Verrechnungspreise und Finanztransaktionen: Finanzgarantien

Garantien und Bürgschaften sollen laut OECD künftig nur noch dann (an-)erkannt und verrechnet werden, wenn sie tatsächlich ausgesprochen werden. Implizite Garantien, bspw. im Kontext des Konzernrückhalts, sind mangels Rechtsverbindlichkeit hier also nicht adressiert. Weiterhin sieht die neue Verrechnungspreisrichtlinie vor, dass mit Blick auf die Garantiewirkung zwei Szenarien zu unterscheiden sind:

Verbesserung der Kreditkonditionen

Verbessert der Darlehensnehmer durch die Garantie seine Kreditkonditionen, also wird ihm beispielsweise ein niedrigerer Zins gewährt, ist es angemessen, den Garantiegeber hierfür zu vergüten. Logischerweise ist hierbei zu beachten, dass die Vergütung des Garantiegebers nicht dazu führen kann, dass sich die Gesamtposition des Darlehensnehmers verschlechtert.

Zugang zu höheren Darlehensbeträgen

Erhält der Darlehensnehmer durch die Garantie Zugang zu höheren Darlehensbeträgen, ist zunächst zu klären, ob der zusätzliche Darlehensbetrag nicht als Darlehen an den Garantiegeber zu werten ist, welchen dieser dann (mittels gedachter Kapitaleinlage) an den Darlehensnehmer weiterreicht. Wird dies bejaht, ergibt sich als Folgefrage, ob die Garantiegebühr für den weitergereichten Teil angemessen ist.

Verrechnungspreise und Finanztransaktionen: Eigenversicherung

Eigenversicherer sind Konzernunternehmen, die von Nicht-Versicherungsunternehmen gegründet werden, um operative Risiken im eigenen Konzern zu versichern. Folglich bieten diese auch als Captives bezeichneten Unternehmen ihre Versicherungsleistung regelmäßig nicht der Allgemeinheit an.

Im Fokus der Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen stehen hier insbesondere Fragen zur Risikoübernahme und Risikoverteilung sowie Überlegungen zur Bestimmung einer fremdüblichen Prämie. Methodisch verweist die OECD auf den Preisvergleich sowie gewinnorientierte Methoden wie die Transaktionale Nettomargenmethode (TNMM).

Verrechnungspreise und Finanztransaktionen: risikofreier und -angepasster Zins

Ob einem Unternehmen nur eine risikofreie oder eine risikoangepasste Rendite zusteht, entscheidet sich an der Frage, ob dieses Unternehmen das mit der Investition verbundene Risiko kontrollieren kann und dies auch tatsächlich tut. Ist dies nicht gegeben, ist lediglich eine risikofreie Vergütung angemessen. Sie wird unter Berücksichtigung der Kosten, Wechselkursrisiken, Laufzeiten etc. ermittelt. Zwar erkennt die OECD an, dass es in Wirklichkeit keine risikofreien Investitionen gibt und sieht auch, dass es sich beim risikofreien Zins somit um einen hypothetischen Ertrag handelt. Dennoch bietet sie zusätzlich praxisorientierte Lösungen zur Schätzung eines solchen Zinses an. Dabei werden nicht nur Staatsschuldtitel mit hohem Rating genannt, sondern auch dazugehörige Zinsswap- und Reposätze sowie Interbankensätze aufgeführt.

Bei der Ermittlung eines risikoangepassten Zinses geht die OECD davon aus, dass sich dieser aus dem risikofreien Zins sowie einem zum Finanzierungsrisiko adäquaten Aufschlag zusammensetzt. Folglich ist daher zunächst das operationelle Risiko des Darlehensnehmers (das Risiko aus der Mittelverwendung) und das eigentlich Finanzierungsrisiko zu unterscheiden. Ist letzteres bekannt, kann mittels Preisvergleichen, kosten- oder gewinnorientierten Ansätzen der entsprechende Aufschlag zum risikoangepassten Zins ermittelt werden.

Unser Fazit zu Verrechnungspreisen und Finanztransaktionen

Aus internationaler Perspektive liefern die neuen Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanztransaktionen hilfreiche Ansätze zur Bewertung der Fremdüblichkeit von Finanztransaktionen und geben somit Hoffnung, dass der Fremdvergleichsgrundsatz hier künftig einheitlicher und harmonisierter ausgelegt wird. Zudem, und dies mag insbesondere für den einen oder anderen langjährigen Praktiker neu sein, fordern die Richtlinien eine detaillierte Abgrenzung der Transaktionen. Ein Darlehen wird jedenfalls nicht nur deshalb als Darlehen behandelt werden können, weil der Vertrag es so bezeichnet.

Aus der Perspektive Deutschlands ist zudem fraglich, ob der noch im Jahr 2019 vorgeschlagene aber jüngst  verschobene § 1a AStG im weiteren Verlauf eine weitergehende Angleichung an die OECD Verrechnungspreisrichtlinie zu Finanztransaktionen erfährt. Der letzte Stand spiegelte zwar ebenfalls den Gedanken der Schuldentragfähigkeit wider. Bei der Ableitung des relevanten Ratings (Konzern- vs. Einzelperspektive als Ausgangspunkt) oder möglichen Korrekturrahmen (Gesamtkorrektur vs. Korrektur des fremdunüblichen Teils) sind jedoch wesentliche Unterschiede erkennbar, die letztlich zu einer Doppelbesteuerung führen können.

Falls Sie zu den im Artikel angesprochenen Themen Fragen haben, kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

Georg Wenz

Associate Partner, Consultative Economist, Head of Transfer Pricing

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