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14. August 2025

Fortbestehensprognose & Überschuldung nach § 19 InsO: Was Geschäftsführer:innen jetzt wissen müssen

Liquiditätsprobleme? Dann kann die rechtssichere Fortbestehensprognose über Wohl oder Wehe Ihres Unternehmens entscheiden.


In wirtschaftlich angespannten Zeiten reicht ein Umsatzrückgang oder der Verlust eines Kreditgebers – und die Frage nach der Überschuldung steht im Raum. Der Gesetzgeber verlangt in solchen Fällen eine zweistufige Prüfung nach § 19 InsO: Zuerst ist zu klären, ob das Unternehmen voraussichtlich fortgeführt werden kann. Nur wenn diese Fortbestehensprognose negativ ausfällt, folgt eine bilanzielle Prüfung des sogenannten Überschuldungsstatus.

Dieser Beitrag erklärt verständlich, was die einzelnen Schritte bedeuten, wie Sie rechtssicher dokumentieren – und wann akuter Handlungsbedarf besteht. 

Was ist eine Überschuldung im Sinne von § 19 InsO?  

Nach § 19 Abs. 2 InsO liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. 

Es handelt sich damit um einen zweistufigen Prüfprozess: 

  1. Fortbestehensprognose – kann das Unternehmen voraussichtlich fortgeführt werden? 
  2. Überschuldungsstatus – falls die Prognose negativ ausfällt, ist rechnerisch zu prüfen, ob Überschuldung vorliegt. 

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Fortbestehensprognose: Erste Stufe der Überschuldungsprüfung 

Die sogenannte positive Fortbestehensprognose ist das zentrale Kriterium, um eine insolvenzrechtliche Überschuldung abzuwenden. Sie prüft, ob das Unternehmen im Prognosezeitraum (rollierend 12 Monate im Voraus) fähig ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. 

Kriterien sind unter anderem: 

  • Planungsrechnung (Liquiditätsbetrachtung)Finanzierungszusagen oder -lücken 
  • Markt- und Branchenentwicklung 
  • Interne Maßnahmen zur Restrukturierung oder Effizienzsteigerung 

Wichtig: Die Prognose und die jeweiligen, eingeplanten Bestandteile der 12-Monatsplanung muss überwiegend wahrscheinlich (> 50 %) sein. Eine bloße Hoffnung reicht nicht. 

Wann liegt eine positive Prognose vor – und wann nicht?  

Ergibt die Fortbestehensprognose ein negatives Bild, folgt die zweite Stufe: der sogenannte Überschuldungsstatus. 

Hierbei wird bilanziell geprüft, ob das Vermögen (Aktiva) des Unternehmens ausreicht, um die bestehenden Verbindlichkeiten (Passiva) vollständig zu decken – bewertet zu Liquidationswerten. 

Zu berücksichtigen: 

  • Stille Reserven oder Belastungen 
  • Nachrangige Verbindlichkeiten (§ 39 InsO) zählen in der Regel nicht zur Überschuldung 
  • Eigenkapitalersatzregelungen entfallen seit der MoMiG-Reform, spielen aber in Sonderfällen noch eine Rolle 

Nur wenn ein sogenannter negativer Überschuldungsstatus festgestellt wird, besteht tatsächlich Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung. 

Überschuldungsstatus: Bilanzielle Prüfung bei negativer Prognose 

Im Unterschied zur handelsrechtlichen Bilanz sind im Überschuldungsstatus Liquidationswerte maßgeblich: 

  • Vermögenswerte werden zum wahrscheinlichen Veräußerungserlös angesetzt 
  • Verbindlichkeiten in voller Höhe, soweit sie nicht nachrangig sind 
  • Eventuell sind Abwicklungskosten zu berücksichtigen 

Die Grundfrage lautet: Kann das Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten wirtschaftlich fortgeführt werden? Wenn die Antwort „Nein“ lautet, muss in einem zweiten Schritt bilanziell geprüft werden, ob das Vermögen des Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten noch deckt. Fällt auch diese Analyse negativ aus, liegt eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vor – und die Geschäftsführung ist gesetzlich zur sofortigen Insolvenzanmeldung verpflichtet.

Was Sie jetzt tun sollten – unsere Einschätzung

Überschuldung ist ein oft unterschätzter Insolvenzgrund. 

Unsere Empfehlung: 

  • Frühzeitige Erstellung einer belastbaren Fortbestehensprognose, rollierend, mindestens 12 Monate im Voraus, besser für 24 Monate im Voraus 
  • Professionelle Erstellung eines Überschuldungsstatus bei negativer Prognose 
  • Kritische Prüfung bestehender Finanzierungsvereinbarungen und möglicher Stillhalterabsprachen 
  • Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für Geschäftsleiterhaftung (§ 15a InsO) 

In der Praxis erleben wir, dass Unternehmen häufig zu lange an der Fortführungsprognose festhalten – und dadurch wertvolle Zeit für geordnete Sanierungen verlieren. Eine realistische Einschätzung der Lage ist hier entscheidend für alle Beteiligten. 

Die ECOVIS-Berater Bernhard Görg und Martin Borner stehen Ihnen als erfahrene Ansprechpartner zur Seite – kompetent, praxisnah und auf Augenhöhe. 

Zögern Sie nicht, den ersten Schritt zu gehen. Denn eines ist sicher: Frühzeitige Klarheit ist der Schlüssel zu nachhaltiger Sanierung und langfristigem Erfolg. 

Martin Borner

Geschäftsführender Gesellschafter

Bernhard Görg

Geschäftsführender Gesellschafter

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