
1. September 2025
Verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) – Typische Fälle & Beispiele aus der Praxis
Verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) bleiben häufig unbemerkt – bis zur nächsten Betriebsprüfung. Bei einer vGA handelt es sich um Leistungsbeziehungen zwischen einer Kapitalgesellschaft (z.B. GmbH oder AG) und ihren Gesellschaftern bzw. Anteilseignern, die steuerlich nicht anerkannt werden. Erfahren Sie, welche typischen Fälle besonders oft betroffen sind und wie Sie steuerliche Stolperfallen vermeiden können.
Was ist eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA)?
Für die Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens einer Kapitalgesellschaft ist es ohne Bedeutung, ob oder wie das Einkommen an die Gesellschafter verteilt wird. Wie auch offene Gewinnausschüttungen mindern verdeckte Gewinnausschüttungen in der Folge das Einkommen nicht (§ 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG)).
Im Gesetz wird die vGA in § 8 Abs. 3 S. 2 KStG zwar erwähnt, jedoch enthält die Vorschrift keine Definition des Begriffs. Stattdessen handelt es sich lediglich um eine Rechtsfolgenregelung, die bestimmt, welche steuerlichen Konsequenzen eintreten, wenn eine vGA vorliegt, ohne den Begriff selbst inhaltlich zu erläutern. Das Verständnis wurde vielmehr aus der Rechtsprechung entwickelt.
Eine vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG liegt demnach vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung auf Ebene der Kapitalgesellschaft
Erforderlich für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung ist das Entstehen eines Vermögensnachteils bei der Kapitalgesellschaft. Dieser Nachteil kann entweder in einer tatsächlichen Vermögensminderung oder in einer verhinderten Vermögensmehrung bestehen.
Eine Vermögensminderung liegt vor, wenn durch eine Leistungsbeziehung zwischen einer Gesellschaft und einem Gesellschafter (oder eine ihm nahestehende Person) in der Steuerbilanz der Gesellschaft die Aktivseite gemindert oder die Passivseite erhöht wird und die Gesellschaft hierfür nicht ausreichend kompensiert wird. Dabei ist die Vermögensminderung mit Hilfe der Steuerbilanz zu ermitteln. Unerheblich ist somit, ob handelsrechtlich – bei abweichender Bewertung – eine Vermögensminderung vorliegt.
Eine verhinderte Vermögensmehrung liegt vor, wenn die Gesellschaft für eine von ihr erbrachte Leistung keine angemessene Vergütung erhält.
2. Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis
Eine weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung ist, dass die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein muss.
Dies ist der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die betreffende Leistungsbeziehung mit einer Person, die nicht Gesellschafter und keine nahestehende Person eines Gesellschafters ist, unter sonst gleichen Umständen nicht in der Form durchgeführt hätte. Das bedeutet, eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt grundsätzlich vor, wenn die Leistung nicht fremdüblich ist (sog. materieller Fremdvergleich).
Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt auch vor, wenn eine dem Gesellschafter bzw. Anteilseigener nahestehende Person Empfänger der Leistung ist. Zur Begründung des Nahestehens reicht jede Beziehung des Gesellschafters der Kapitalgesellschaft zu einer anderen (natürlichen oder juristischen) Person aus. Nahestehend ist im familienrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen oder auch tatsächlichen Sinne zu verstehen. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis wäre also auch bei Leistungen an z.B. Angehörige oder verbundene Unternehmen erfüllt.
3. Auswirkung auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG)
Die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung muss sich auf den Gewinn lt. Steuerbilanz auswirken. Dieser ergibt sich aus dem Unterschiedsbetrag nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG .
4. Kein Zusammenhang mit einer offenen Gewinnausschüttung
Die vGA ist von der offenen Gewinnausschüttung abzugrenzen. Letztere beruhen im Gegensatz zur vGA auf einem gesellschaftsrechtlichen Gewinnverwendungsbeschluss.
5. Vorteilsgeneigtheit
Zusätzlich muss die Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung geeignet sein, beim Gesellschafter einen vermögensmäßigen Vorteil und somit einen Bezug nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen.
Rechtsfolge der vGA auf Gesellschaftsebene
Die verdeckte Gewinnausschüttung soll sich bei der Ermittlung des Einkommens nicht auswirken. Daher wird die vGA in dem Zeitpunkt, in dem sie sich einkommensmindernd ausgewirkt hat, dem Einkommen hinzugerechnet.
Verdeckte Gewinnausschüttungen an beherrschende Gesellschafter
Für beherrschende Gesellschafter gelten strengere Maßstäbe bei der Prüfung verdeckter Gewinnausschüttungen.
Ein Gesellschafter gilt als beherrschend, wenn er die Mehrheit der Stimmrechte für grundlegende Beschlüsse innehat. In der Regel ist dies bei einer Beteiligung von mehr als 50 % der Fall. Allerdings kann sich die Schwelle verschieben, wenn die Satzung eine qualifizierte Mehrheit (z. B. zwei Drittel oder drei Viertel der Stimmen) vorschreibt – dann reicht eine Beteiligung von 51 % allein nicht aus, um die Gesellschaft zu beherrschen.
Nach ständiger Rechtsprechung wird bei beherrschenden Gesellschaftern bereits dann eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (sog. Rückwirkungsverbot). In diesen Fällen kommt es auf einen Fremdvergleich nicht mehr an; die fehlende im Voraus getroffene Vereinbarung genügt für die Annahme einer vGA.
Diese verschärften Grundsätze gelten auch für nahe Angehörige des beherrschenden Gesellschafters.
Bereits eine rückwirkend vereinbarte Gehaltserhöhung oder Gehaltszahlung – selbst wenn diese betragsmäßig angemessen und marktüblich ist – wird in einem solchen Fall als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet.
Rechtsfolge auf Gesellschafterebene
Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) beim Gesellschafter als natürliche Person bestehen darin, dass der zugewendete Vermögensvorteil als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu erfassen ist.
Werden die Anteile im Betriebsvermögen gehalten oder ist der Gesellschafter eine juristische Person, so sind die Beteiligungserträge bei der Gewinnermittlung aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen (§ 20 Abs. 8 EStG).
Befinden sich die Anteile im Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft kann insoweit das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung kommen, während bei einer juristischen Person – sofern eine Mindestbeteiligung von 10 % besteht – § 8b KStG greifen kann; in beiden Fällen führt dies zu einer (teilweisen) Steuerbefreiung der Beteiligungserträge. Voraussetzung ist grundsätzlich jeweils, dass die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert hat.
Überdies ist die Einnahme auch dann dem Gesellschafter der Kapitalgesellschaft zuzurechnen, wenn der Vorteil einer ihm nahestehenden Person zugewendet wurde.
Bei der vGA, die aufgrund von Vorteilen zugunsten nahestehender Personen angenommen werden, ist zusätzlich die Schenkungsteuer im Blick zu behalten. In mehreren Entscheidungen hat der BFH eine Zuwendung der GmbH an die nahestehende Person verneint. Dieser Rechtsprechung folgt auch die Finanzverwaltung in der Erbschaftsteuer-Richtlinie, hält sich durch die Ergänzung des Wortes „regelmäßig“ jedoch die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung offen. Ungeachtet dessen kann sowohl nach der Rechtsprechung des BFH als auch nach der Verwaltungsauffassung eine freigebige Zuwendung zwischen dem Gesellschafter und der nahestehenden Person vorliegen. Ob dies im konkreten Fall gegeben ist, bedarf jedoch einer einzelfallbezogenen Prüfung unter Berücksichtigung weiterer Kriterien.
Typische Fälle von verdeckten Gewinnausschüttungen
Verdeckte Gewinnausschüttungen werden oft im Rahmen von Betriebsprüfungen aufgedeckt. Hier sind einige der häufigsten Fälle:
- Überhöhte Geschäftsführergehälter: Gehaltszahlungen, die deutlich über dem marktüblichen Niveau liegen.
- Private Nutzung von Firmenwagen, wenn klare Vereinbarungen fehlen.
- Darlehen an Gesellschafter zu günstigen Bedingungen: Unangemessen niedrige Zinsen oder fehlende Rückzahlungsvereinbarungen.
- Darlehen an Gesellschaft zu überhöhten Konditionen: Gesellschaft zahlt zu hohe Zinsen.
- Mietzahlungen durch die Gesellschafter: Zu niedrige Mieten im Vergleich zum üblichen Marktniveau.
- Mietzahlungen durch Gesellschaft: Zu hohe Mieten im Vergleich zum üblichen Marktniveau.
- Kostenübernahme für private Reisen oder Veranstaltungen: Firmengelder werden für private Zwecke verwendet.
- Verzicht auf Forderungen: Gesellschaft verzichtet auf Rückforderungen gegenüber Gesellschafter ohne wirtschaftlichen Grund.
- Übertragung von Wirtschaftsgütern zu unüblichen Konditionen: Verkauf von Wirtschaftsgütern durch die Gesellschaft an ihren Gesellschafter unterhalb des Marktwertes oder Kauf von Wirtschaftsgütern durch die Gesellschaft von ihrem Gesellschafter oberhalb des Marktwertes.
- Überhöhte Repräsentationskosten: Unverhältnismäßig teure Geschäftsessen oder Events.
- Vergünstigte Preise für Familie: Gesellschaft veräußert Waren an Angehörige des Gesellschafters günstiger.
Zusammenfassung: Steuerliche Konsequenzen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA)
Auf Ebene der GmbH:
- Die vGA wird dem steuerpflichtigen Einkommen der Gesellschaft hinzugerechnet.
- Entsprechend müssen Körperschaft- und Gewerbesteuer auf diesen Betrag gezahlt werden.
Auf Ebene des Gesellschafters:
- Die vGA gilt als steuerpflichtiger Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.
- Es fällt Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag an.
- Die vGA ist auch dann dem Gesellschafter zuzurechnen, wenn eine ihm nahestehende Person den Vorteil erhält
Nachfolgendes Beispiel veranschaulicht die steuerlichen Implikationen einer vGA:
Die natürliche Person A hält 100% der Anteile an einer GmbH B und überlässt dieser Gesellschaft eine Immobilie zur Nutzung; hierzu wird ein Mietvertrag abgeschlossen. Die GmbH entrichtet eine monatliche Miete in Höhe von 2.000 EUR (24.000 EUR jährlich) und erfasst diese als Mietaufwand. Die ortsübliche Miete beträgt jedoch lediglich 1.500 EUR im Monat (18.000 EUR jährlich).
Die Mietzahlungen führen bei der GmbH zu einer Vermögensminderung, da sie als Aufwand verbucht werden; in Höhe von monatlich 500 EUR (d. h. 6.000 EUR jährlich) ist diese jedoch gesellschaftlich veranlasst. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte bei Abschluss eines Mietvertrags mit einem fremden Dritten lediglich die ortsübliche Miete gezahlt; der übersteigende Betrag stellt daher eine verdeckte Gewinnausschüttung dar. Gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 KStG ist dieser Teil des Mietaufwands außerbilanziell wieder hinzuzurechnen, sodass steuerlich lediglich der angemessene Mietaufwand von 18.000 EUR berücksichtigt wird. Bei einem unterstellten Steuersatz in Höhe von 30% (Körperschaftsteuer+ Solidaritätszuschlag sowie Gewerbesteuer) ergeben sich Mehrsteuern in Höhe von 1.800 EUR auf Gesellschaftsebene.
Auf Ebene des Gesellschafters sind Mieteinnahmen in Höhe von 18.000 EUR jährlich bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern. Diese Einnahmen werden mit dem laufenden Steuersatz versteuert. Der überhöhte Betrag in Höhe von 500 EUR monatlich (6.000 EUR jährlich) als Einnahme aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Diese unterliegen der Kapitalertragsteuer von 25% zzgl. Solidaritätszuschlag, so dass sich auf Gesellschafterebene Mehrsteuern in Höhe von 1.585,50 EUR ergeben.
Die Gesamtbelastung für die verdeckte Gewinnausschüttung beträgt mithin 3.382,50 EUR. Bitte beachten Sie, dass es sich um ein stark vereinfachtes Beispiel handelt und die Beträge daher keinesfalls als final erachtet werden sollten. Gerne unterstützen wir Sie bei der Ermittlung potentieller vGA-Risiken und quantifizieren diese im Einzelnen für Sie.
Unsere Einschätzung
Wir empfehlen Ihnen, bei Geschäftsvorfällen zwischen Gesellschaften und Gesellschaftern besondere Sorgfalt walten zu lassen. Verdeckte Gewinnausschüttungen können nicht nur erhebliche steuerliche Nachzahlungen nach sich ziehen, sondern auch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Die verdeckte Gewinnausschüttung kann vermieden werden, wenn Verträge regelmäßig dahingehend geprüft werden, ob sie dem Fremdvergleich standhalten, den marktüblichen Konditionen entsprechen und entsprechend gelebt werden. Gerade bei Themen wie Geschäftsführergehältern, Darlehen oder der Nutzung von Firmenvermögen ist eine dokumentierte, nachvollziehbare Grundlage von großer Bedeutung und erspart Konfliktpotential mit der Betriebsprüfung
Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung, Quantifizierung und Verteidigung von verdeckten Gewinnausschüttungen.