Freie Mitarbeitende bieten Flexibilität, bergen aber das Risiko der Sozialversicherungspflicht. So prüfen und sichern Sie sich rechtlich ab.
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30. Oktober 2025

Sozialversicherungspflicht: Scheinselbstständigkeit in der Physiotherapie vermeiden

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Viele Physiotherapiepraxen setzen freie Mitarbeitende ein, um flexibler auf Nachfragen durch Patient:innen, Urlaube oder Auslastungsschwankungen reagieren zu können. Oft wird angenommen, dass diese freien Mitarbeitenden automatisch „außerhalb“ der Sozialversicherungspflicht stehen – doch das kann ein Trugschluss sein.  

Sozialversicherungspflichtige vs. freie Mitarbeitende: Was sind die Unterschiede? 

Für sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter:innen muss der Arbeitgeber in der Regel Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung abführen. Für freie Mitarbeitende hängt dies jedoch von der rechtlichen Einordnung (selbstständig oder abhängig beschäftigt) ab.  

Ob jemand „frei“ tätig ist oder de facto abhängig beschäftigt, hängt nur bedingt von der vertraglichen Gestaltung ab. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Ausgestaltung der Vertragsbeziehung. Ein Vertrag mit der Bezeichnung „Freie:r Mitarbeiter:in“ schützt nicht automatisch vor einer Sozialversicherungspflicht.  

Welche Indizien sprechen für eine abhängige Beschäftigung? 

Die Beteiligten sollten sich daher immer die Frage stellen: Liegt eine selbstständige Tätigkeit mit eigenem unternehmerischem Risiko vor oder ist der/die freie Mitarbeiter:in wirtschaftlich und organisatorisch in die Praxis eingebunden wie ein:e Angestellte:r?  

Nach Rechtsprechung und den Leitlinien der Deutschen Rentenversicherung (DRV) legen insbesondere folgende Merkmale eine Scheinselbstständigkeit nahe:  

  • Weisungsgebundenheit: Der/die Auftraggeber:in bestimmt Ort, Zeit, Art der Ausführung  
  • Eingliederung in die Organisation: Nutzung von Räumen, Geräten, Arbeitsplänen des Auftraggebenden  
  • Fehlendes unternehmerisches Risiko: Der/die freie Mitarbeiter:in trägt kaum ein eigenes finanzielles Risiko (z. B. keine Investitionen, kein Liquiditätsrisiko)  
  • Keine oder kaum eigene Arbeitsmittel  
  • Tätigkeit für nur eine:n Auftraggeber:in  
  • Kein eigenes Personal  

Treffen mehrere dieser Indizien zusammen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Tätigkeit als sozialversicherungspflichtig bewertet wird.  

Wie können Praxen das Risiko einer späteren Sozialversicherungsplicht minimieren? 

Auf Antrag kann die DRV feststellen, ob eine Person abhängig beschäftigt oder selbstständig ist. Das sog. Statusfeststellungsverfahren sollte idealerweise vor Beginn der Tätigkeit bzw. zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt eingeleitet werden, um Unsicherheiten und Nachforderungen zu vermeiden.  

Ein sozialversicherungspflichtiger Status kann auch rückwirkend festgestellt werden. Nachforderungen können typischerweise für bis zu vier Jahre (bei Vorsatz sogar länger) geltend gemacht werden.   

Damit sowohl Praxisinhaber:in als auch freie Physiotherapeut:in bestmöglich abgesichert sind, empfiehlt sich:  

  1. Statusprüfung im Vorfeld: Lassen Sie frühzeitig prüfen, ob ein:e freie:r Mitarbeiter:in in Ihrem Fall rechtlich als selbstständig einzustufen ist.  
  2. Statusfeststellungsverfahren nutzen: Ein Verfahren bei der Rentenversicherung kann Klarheit und Rechtssicherheit schaffen.  
  3. Vertragsgestaltung mit Bedacht: Formulieren Sie Verträge so, dass eine echte unternehmerische Tätigkeit möglich ist.  
  4. Dokumentation wichtiger Aspekte: Führen Sie Nachweise über Zeiten, Entscheidungen, Risikoübernahme etc.  
  5. Diversifikation der Auftraggeber: Mehrere Auftraggeber:innen verringern das Risiko.  
  6. Beratung: Ziehen Sie frühzeitig Expert:innen hinzu. 

Unsere Einschätzung 

 Der rechtssichere Einsatz von freien Mitarbeitern kann viele Praxen in ihrer alltäglichen Arbeit entlasten. Achten Sie aber darauf, dass die tatsächlichen und rechtlichen Vorgaben eingehalten werden und holen Sie sich frühzeitig Rat ein. 

Die Beschäftigung freier Mitarbeitenden in der Physiotherapie bringt Flexibilität, aber auch rechtliche Risiken. Sie haben Fragen zur Abgrenzung oder einer möglicherweise bestehenden Versicherungspflicht? Unsere Expertin und Rechtsanwältin Julia Brey unterstützt Sie gerne bei der rechtsicheren Personalplanung und Gestaltung. Nehmen Sie einfach Kontakt auf. 

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