
11. April 2025
Umsatzsteuerpflicht und Kleinunternehmergrenze für Zahnärzt:innen
Inhaltsverzeichnis
- Müssen Zahnärzt:innen als Freiberufler:innen Umsatzsteuer zahlen?
- Wann sind zahnärztliche Leistungen oder Lieferungen umsatzsteuerpflichtig?
- Was gilt, wenn in der Zahnarztpraxis selbst zahntechnische Leistungen erbracht werden?
- Welcher Steuersatz ist zu wählen?
- Was ist die Kleinunternehmerregelung für Zahnärzt:innen?
- Welche Umsatzgrenzen gelten für die Kleinunternehmerregelung bei Zahnärzt:innen?
- Warum kann ein Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung sinnvoll sein?
- Welche Vor- und Nachteile hat die Kleinunternehmerregelung für Zahnarztpraxen?
- Wie wirkt sich die Kleinunternehmerregelung auf den Vorsteuerabzug aus?
- Was müssen Zahnärzt:innen bei der Rechnungsstellung als Kleinunternehmer:innen beachten?
- Bindungsdauer bei Verzicht Kleinunternehmerregelung
- Umsatzsteuer beim Praxisverkauf
- Neugestaltung Kleinunternehmerregelung zum 01.01.2025:
- Unsere Einschätzung
- Über die Gastautorin
Als Steuerberaterin mit Spezialisierung im medizinischen Bereich erreichen mich häufig Fragen zur Umsatzsteuerpflicht in Zahnarztpraxen. Insbesondere auch die Kleinunternehmerregelung ist ein zentrales Thema für selbstständige Zahnärzt:innen. In diesem Beitrag erläutere ich die wichtigsten Aspekte der Umsatzsteuerpflicht und die Auswirkungen der Kleinunternehmergrenze auf Zahnarztpraxen.
Müssen Zahnärzt:innen als Freiberufler:innen Umsatzsteuer zahlen?
Auch wenn Zahnärzt:innen im Regelfall eine freiberufliche Tätigkeit ausüben, sind sie aus umsatzsteuerlicher Sicht grundsätzlich Unternehmer. Dies bedeutet, dass sie auch zur Abgabe einer jährlichen Umsatzsteuererklärung verpflichtet sind.
Hinsichtlich der durch Zahnärzt:innen erbrachten Behandlungen und ggf. anderer Tätigkeiten muss geprüft werden, ob hierfür eine Umsatzsteuerbefreiung greift oder ob diese grds. der Umsatzsteuer unterliegen.
Wann sind zahnärztliche Leistungen oder Lieferungen umsatzsteuerpflichtig?
Grundsätzlich sind Heilbehandlungen, die der medizinischen Versorgung dienen, nach § 4 Nr. 14a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Ebenso ist im Zahnheilkundegesetz (ZHG) definiert, welche zahnärztlichen Leistungen umsatzsteuerfrei sind. Nach § 1 Abs. 3 ZHG betrifft dies die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Als Krankheit ist dabei jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen (vgl. § 1 Abs. 3 ZHG). Auch die Therapie von Verletzungen und Erkrankungen des Gesichtsschädels mit Aufbissbehelfen, sog. Kieferbruchbehandlungen, und kieferorthopädische Behandlungen sind hier eingeschlossen.
Dennoch gibt es zahnärztliche Leistungen, die umsatzsteuerpflichtig sind, darunter:
- Erstellung von Gutachten für Dritte (z. B. Versicherungen, Gerichte)
- Ästhetische zahnmedizinische Behandlungen ohne medizinische Notwendigkeit (z. B. Bleaching)
- Verkauf von Produkten (z. B. Zahnpflegeprodukte, Schienen, Kosmetika)
- Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), falls keine medizinische Indikation vorliegt (z. B. Austausch einer intakten Füllung als Leistung auf Verlangen)
Was gilt, wenn in der Zahnarztpraxis selbst zahntechnische Leistungen erbracht werden?
Um zahntechnische Leistungen in der Praxis zu erbringen, ist nicht zwingend ein Eigenlabor notwendig. Wenn z. B. Provisorien für Patient:innen ausgearbeitet oder Glasfaserstifte vor dem Einsetzen angepasst und für die Insertion vorbereitet werden, so kann dies als sog. Chairside-Leistung, also als Leistung außerhalb des Patientenmundes, von den Zahnärzt:innen selbst oder innerhalb des Delegationsrahmens von Mitarbeitenden erbracht werden. Die Abrechnungsgrundlage hierfür bildet § 9 der GOZ, den Ersatz von Auslagen für zahntechnische Leistungen.
Im Bereich der privaten Abrechnung, also bei Privatversicherten oder gesetzlich Versicherten mit einer vereinbarten Privatleistung, ist es nämlich gestattet neben der Berechnung des zahnärztlichen Honorars Auslagen der tatsächlich entstandenen Kosten für zahntechnische Leistungen zu berechnen, wenn diese nicht mit den Gebühren nach den Bestimmungen des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) abgegolten sind.
Ebenso ist es mittlerweile gängig, dass in der Praxis selbst Aufbissschienen oder kleinere zahntechnische Werkstücke im CAD/CAM Verfahren für die Patient:innen, z. B. Kronen im Cerec- oder 3D-Druckverfahren, hergestellt werden.
Welcher Steuersatz ist zu wählen?
Für umsatzsteuerpflichte Behandlungsleistungen (s.o.) sind es 19% Umsatzsteuer, für Leistungen im Eigenlabor gilt ein ermäßigter Steuersatz von 7%.
Aber: die Herstellung von kieferorthopädischen Apparaten oder Schienen im Eigenlabor im Zusammenhang mit Kieferbruchbehandlungen sind ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit.
Ob die Zahnarztpraxis bei ihren den erbrachten Leistungen generell umsatzsteuerpflichtig ist oder nicht, muss mit dem zuständigen Steuerbüro geklärt werden. Praxen können für sich jedoch die sog. Kleinunternehmerregelung als Anhaltspunkt nehmen.
Was ist die Kleinunternehmerregelung für Zahnärzt:innen?
Die Kleinunternehmerregelung gem. § 19 UStG ermöglicht es Unternehmern, von der Umsatzsteuerpflicht befreit zu bleiben, sofern ihr Jahresumsatz eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Dies kann insbesondere für selbstständige Zahnärzt:innen von Interesse sein, die nur geringe steuerpflichtige Einnahmen erzielen.
Welche Umsatzgrenzen gelten für die Kleinunternehmerregelung bei Zahnärzt:innen?
Liegt der Umsatz darüber, entfällt die Möglichkeit der Kleinunternehmerregelung und die Praxis unterliegt der regulären Umsatzsteuerpflicht. Nicht mit einbezogen in die Umsatzgrenze werden die Umsätze, für die laut Umsatzsteuergesetz eine Umsatzsteuerbefreiung gilt.
Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes sind auch unentgeltliche Wertabgaben (z.B. Eigenverbrauch PKW) mit einzubeziehen, soweit die Wertabgabe steuerbar ist.
Warum kann ein Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung sinnvoll sein?
Ein freiwilliger Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung kann aus folgenden Gründen vorteilhaft sein:
- Vorsteuerabzug: Praxisinhaber:innen können die gezahlte Umsatzsteuer aus Eingangsrechnungen (z. B. für medizinische Geräte, Miete) geltend machen. Größere Anschaffungen müssen somit nur in Höhe der Nettoanschaffungskosten ggf. mittels Darlehen finanziert werden
- Langfristige Planung: Überschreitet die Praxis später die Umsatzgrenze, müssen Rechnungen plötzlich mit Umsatzsteuer ausgestellt werden. Dies kann finanzielle und administrative Herausforderungen mit sich bringen.
Welche Vor- und Nachteile hat die Kleinunternehmerregelung für Zahnarztpraxen?
Vorteile:
- Keine Umsatzsteuerpflicht, dadurch weniger Bürokratie
- Keine Pflicht zur monatlichen oder vierteljährlichen Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen
- Wettbewerbsfähigkeit, da keine Umsatzsteuer an Patient:innen weitergegeben werden muss
Nachteile:
- Kein Vorsteuerabzug möglich (insbesondere bei größeren Anschaffungen nachteilig)
- Einschränkungen beim Wachstum, da die Umsatzgrenze nicht überschritten werden darf
- Erhöhter Verwaltungsaufwand bei einem späteren Wechsel zur Regelbesteuerung
Wie wirkt sich die Kleinunternehmerregelung auf den Vorsteuerabzug aus?
Kleinunternehmer:innen müssen keine Umsatzsteuer in ihren Ausgangsrechnungen ausweisen. Dadurch entfällt allerdings auch der Vorsteuerabzug, was bedeutet, dass die Umsatzsteuer, die auf bezogene Praxisleistungen/ -ausgaben erhoben wird, die im vollständigen oder teilweisen Zusammenhang mit grds. umsatzsteuerpflichtigen Leistungen stehen, nicht durch das Finanzamt zurückerstattet wird. Gerade bei hohen Investitionen kann dies zu finanziellen Nachteilen führen, da die Zahnärzt:innen dann mit den Bruttoanschaffungskosten finanziell belastet sind und nicht nur mit den Nettoanschaffungskosten.
Für bezogene Praxisleistungen/ -ausgaben, die im Zusammenhang mit nach § 4 Nr. 14a UStG umsatzsteuerfreien Heilbehandlungsleistungen stehen, besteht ein Vorsteuerabzugsverbot.
Was müssen Zahnärzt:innen bei der Rechnungsstellung als Kleinunternehmer:innen beachten?
Falls sich eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt für die Kleinunternehmerregelung entscheidet, muss auf den Rechnungen der Hinweis “Kein Ausweis von Umsatzsteuer gemäß § 19 UStG” vermerkt werden. Zudem darf keine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen werden. Wird diese fälschlicherweise auf der Rechnung ausgewiesen, muss diese dann auch an das Finanzamt gezahlt werden.
Bindungsdauer bei Verzicht Kleinunternehmerregelung
Zahnärzt:innen, die sich hinsichtlich ihrer grds. umsatzsteuerpflichtigen Leistungen gegen die Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung entscheiden und zur Regelbesteuerung optieren, sind an diese Entscheidung fünf Jahre lang gebunden.
Nach Ablauf dieses Zeitraums können sie sich dann für die Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung entscheiden, sofern sie die Voraussetzungen hierfür erfüllen.
Umsatzsteuer beim Praxisverkauf
Beim Verkauf einer Zahnarztpraxis kann die Umsatzsteuer eine Rolle spielen. Wird die gesamte Praxis mit Inventar verkauft und werden keine notwendigen Praxisgegenstände in das Privatvermögen übernommen, liegt im Regelfall eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG vor. Diese ist nicht steuerbar, sprich es fällt weder Umsatzsteuer an noch muss eine Befreiung von der Umsatzsteuer weiter geprüft werden. Werden jedoch einzelne Wirtschaftsgüter separat veräußert, kann Umsatzsteuer anfallen.
Neugestaltung Kleinunternehmerregelung zum 01.01.2025:
Die Kleinunternehmerregelung wurde ab 2025 grundlegend reformiert. Hierbei wurden unionsrechtliche Vorgaben verarbeitet.
Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat mit seinem Anwendungsschreiben vom 18.03.2025 zu den Änderungen auch noch einmal ausführlich Stellung genommen.
Die wesentlichsten für Zahnärzt:innen relevanten Änderungen sind:
- Erhöhung Umsatzgrenzen:
Der Gesamtumsatz darf im vorangegangenen Jahr nicht mehr als 25.000,00 Euro (zuvor: 22.000,00 Euro) und im laufenden Jahr nicht mehr als 100.000,00 (zuvor: 50.000,00) betragen.
Neu ist auch, dass die unterjährige Überschreitung der Umsatzgrenze von 100.000,00 Euro sofort zur Regelbesteuerung für den übersteigenden Betrag führt. Gerade bei Existenzgründer:innen ist hier also eine besondere Vorsicht geboten bzw. strenge Überwachung der Umsatzentwicklung erforderlich.
Die jeweiligen Schwellenwerte basieren auf den Nettoumsätzen und nicht mehr (wie bisher) auf den Bruttoeinnahmen. Für die Überprüfung des Überschreitens der Schwellenwerte werden lediglich vereinnahmte Entgelte (also tatsächliche Zahlungseingänge) herangezogen. Hierbei nicht zu berücksichtigen sind per Gesetz umsatzsteuerbefreite Erlöse wie beispielsweise nach § 4 Nr. 14a UStG umsatzsteuerbefreite Umsatzerlöse (Heilbehandlungen).
- Klarstellende Steuerbefreiung ab 2025: Ab 2025 sind die Umsätze eines Kleinunternehmers bzw. einer Kleinunternehmerin nun offiziell von der Umsatzsteuer befreit. Bisher erfolgte lediglich keine Erhebung von Umsatzsteuer.
- Kleinunternehmerregelung im EU-Ausland: Die Kleinunternehmerregelung kann von deutschen Unternehmer:innen nun auch im EU-Ausland angewendet werden.
- Vereinfachte Rechnungsstellung:
Kleinunternehmer:innen dürfen für ihre erbrachten Lieferungen und Leistungen vereinfachte Rechnungen stellen. Folgende Pflichtangaben müssen jedoch auf den Rechnungen enthalten sein:- Name und Anschrift des leistenden Unternehmers und des Rechnungsempfängers
- Steuernummer/ USt-IdNr./ KU-IdNr. (Kleinunternehmer-IdNr., ebenfalls neu)
- Ausstellungsdatum
- Menge und Art der gelieferten Gegenstände oder Art und Umfang der sonstigen Leistung
- Entgelt in einer Summe
- Hinweis auf Steuerbefreiung nach § 19 UStG
Unsere Einschätzung
Die Kleinunternehmerregelung kann für Zahnärzt:innen eine sinnvolle Option sein, insbesondere für Praxisneugründer:innen mit geringen Investitionskosten oder Selbstständige mit niedrigen steuerpflichtigen Umsätzen. Dennoch sollte die Entscheidung wohlüberlegt sein, da der Verzicht auf die Regelung langfristige steuerliche Vorteile bieten kann. Lassen Sie sich im Zweifelsfall individuell beraten, um die optimale steuerliche Lösung für Ihre Praxis zu finden. Wenden Sie sich gerne bei Fragen an mich, Stefanie Anders von der ECOVIS KSO.
Lesen Sie auch unseren Beitrag zum Stundensatz in der Zahnarztpraxis.
Über die Gastautorin
Maia Rohe
Expertin Gebührenrecht, BFS health finance GmbH
Bereits in ihrer Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten hat Maia Rohe die Abrechnung in ihrer Ausbildungspraxis unterstützt und nach erfolgter Prüfung in der Praxis den Bereich Abrechnung und Praxismanagement übernommen.
Parallel sammelte sie nach Abschluss der Ausbildung Erfahrungen als externe Abrechnungsmitarbeiterin und Referentin und absolvierte zusätzlich die Weiterbildung zur staatlich geprüften Betriebswirtin mit dem Schwerpunkt Medizinische Verwaltung. Zur Erweiterung ihrer Fachkompetenz absolvierte sie ein Studium in der Betriebswirtschaftslehre, welches sie erfolgreich als Bachelor of Arts abschloss.
Seit Januar 2016 ist Maia Rohe als Spezialistin für Gebührenrecht Zahnärzte/MKG bei BFS health finance tätig und übernimmt Coaching- und Referententätigkeiten, führt Abrechnungscoachings für Zahnarztpraxen durch und hält Fachvorträge im Bereich Abrechnung und Erstattungsmanagement.
Seit September 2023 ist sie für die Qualitätssicherung in den zahnärztlich-gebührenrechtlichen Abteilungen der BFS health finance GmbH zuständig.