Arztpraxisverkauf mit Vereinbarung von Earn Out-Klausel
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10. Januar 2024

Arztpraxisverkauf mit Vereinbarung von Earn Out-Klausel

Verkaufen Ärzt:innen ihre Praxis, vereinbaren sie dafür einen festen Verkaufspreis. Eine zusätzliche Earn Out-Klausel ist beim Abschluss des Verkaufsvertrags nicht unüblich. Warum Sie dabei auf den genauen Besteuerungszeitpunkt achten müssen und wie Sie Steuererleichterungen in Anspruch nehmen, erfahren Sie hier. 

Praxisverkauf: Was ist eine Earn Out-Klausel?

Eine Earn Out-Klausel ist eine gesonderte Vereinbarung in einem Veräußerungsvertrag, wie beispielsweise in einem Praxisverkaufsvertrag. Neben dem fixen Verkaufsbetrag stellt der/die Käufer:in noch zusätzliche Kaufpreiszahlungen in Aussicht. Voraussetzung für diese zusätzlichen variablen Kaufpreiszahlungen ist die Erreichung bestimmter, im Voraus festgelegter Umsatz- oder Gewinnziele. In der Regel vereinbaren die Parteien bei solchen Konstellationen, dass die bisherigen Praxisinhaber:innen auch nach Verkauf der Praxis weiterhin im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses tätig sind. Dieses gilt meist solange wie der vereinbarte Earn Out-Zeitraum.

Käufer:innen gehen damit ein geringeres finanzielles Risiko ein. Gleichzeitig bleiben die bisherigen Praxisinhaber:innen motiviert, nach dem Verkauf weiterhin eine hohe Einsatzbereitschaft in der Praxis zu zeigen.

Ermittlung Veräußerungsgewinn aus Praxisverkauf:

Der beim Praxisverkauf erzielte Veräußerungsgewinn unterliegt der privaten Einkommensteuer.

Der Veräußerungsgewinn ermittelt sich gemäß § 16 Abs. 2 EStG iV. § 18 Abs. 3 EStG wie folgt:

 

Verkaufspreis

abzgl. Wert des Praxisvermögens

abzgl. Veräußerungskosten (z.B. Beratungskosten)

= Veräußerungsgewinn

Veräußerungsfreibetrag beim Praxisverkauf:

Der Veräußerungsgewinn im Sinne des § 18 Abs. 3 EStG ist bis zu einer Höhe von 45.000 Euro steuerfrei. Das ist der Veräußerungsfreibetrag.

Der Veräußerungsfreibetrag kann jede:r Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen. Diese:r muss den Freibetrag ausdrücklich beim Finanzamt beantragen.

Hierzu müssen gemäß § 16 Abs. 4 EStG folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Praxisinhaber:in hat das 55. Lebensjahr vollendet oder
  • ist wegen dauernder Berufsunfähigkeit nicht in der Lage, die Praxis fortzuführen

Bis zu einem Karenzbetrag in Höhe von 136.000 Euro schmilzt der Freibetrag sukzessive ab. Das bedeutet: Ab einem Veräußerungsgewinn in Höhe von 136.001 Euro gibt es keinen Veräußerungsfreibetrag mehr. 

Praxisverkauf: Steuertarif-Ermäßigung nach § 34 EStG:

Für den Restbetrag, der den Freibetrag gegebenenfalls übersteigt, können die Verkäufer:innen zusätzlich eine Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG beantragen.

Dann wird der übersteigende Veräußerungsgewinn nicht mit dem persönlichen Einkommensteuersatz versteuert, sondern mit einem ermäßigten Steuersatz von 56 Prozent des durchschnittlichen Steuersatzes, mindestens jedoch mit 14 Prozent.

Die Steuertarif-Ermäßigung nach § 34 EStG ist an die gleichen Voraussetzungen des Versorgungsfreibetrags geknüpft. Auch sie kann nur einmal im Leben beantragt werden.

Praxisverkauf: Besteuerungszeitpunkt von (nachträglichen) Kaufpreiszahlungen

Veräußerungsgewinne müssen dann besteuert werden, wenn die wirtschaftliche Übertragung stattfindet.

Wird eine Praxis beispielsweise zum 02. Januar 2024 verkauft, muss der daraus erzielte Gewinn im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2024 durch die Ärzt:innen versteuert werden. Der/die Ärzt:in kann im Rahmen der Einkommensteuererklärung den Veräußerungs-Freibetrag nach § 16 Abs. 3 EStG und ggf. noch zusätzlich die Steuertarif-Ermäßigung nach § 34 EStG beantragen.

Leisten die Käufer:innen in den Folgejahren zusätzliche Kaufpreiszahlungen, stellt sich die Frage, ob diese den Veräußerungsgewinn nachträglich erhöhen und die Steuererleichterungen nach §§ 16 und 34 EStG hier ebenfalls angewendet werden können. Alternativ hat die Besteuerung als laufender Gewinn (ohne Steuererleichterungen) im Jahr des jeweiligen Erhalts der nachträglichen Kaufpreiszahlungen zu erfolgen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat hierzu 1991 entschieden: Wiederkehrende umsatz- und gewinnabhängige Leistungen, die im Rahmen von Veräußerungen gezahlt werden, unterliegen der Zuflussbesteuerung. Sie werden in dem Jahr ohne Erleichterungen versteuert, in dem der oder die Veräußer:in die nachträgliche Zahlung erhält.

Urteil Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 30.03.2021 zum Praxisverkauf 

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschied darüber, ob die Vereinbarung einer Earn Out-Klausel, nach welcher der/die Verkäufer:in eines Unternehmens von bestimmten Umsatz- oder Gewinnzielen abhängige Zahlungen erhält, mit in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG einzubeziehen ist.

Das Finanzgericht entschied: Nachträgliche Zahlungen, die auf Basis einer vorab getroffenen Earn-Out-Klausel gezahlt werden, sind nicht bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 3 EStG einzubeziehen. Sie sind schließlich nicht stichtagsbezogen.

Verkäufer:innen müssen diese nachträglichen Kaufpreiszahlungen erst im Jahr des Zuflusses besteuern.

Praxisverkauf: Jetzt entscheidet der BFH

Gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz wurde die Revision zugelassen.

Der Urteilsfall liegt nun zwischenzeitlich beim BFH. Dieser entscheidet nun höchstrichterlich darüber.

Unsere Einschätzung:

Es bleibt abzuwarten, wie der BFH hinsichtlich der Besteuerungsfrage von nachträglichen Kaufpreiszahlungen aufgrund von Earn Out-Klauseln höchstrichterlich entscheiden wird. Praxisverkaufsverträge mit Earn Out-Klauseln sollten vor Abschluss sorgfältig aus rechtlicher und steuerlicher Sicht geprüft werden. Wenn sie Hilfe dabei brauchen, sprechen Sie uns gerne an.

Stefanie Anders

Partnerin und Steuerberaterin

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