Tantiemen für Gesellschafter-Geschäftsführer
©Kirsten Davis/peopleimages.com/ Adobe Stock

16. August 2024

Besteuerung von Tantiemen bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern

Kategorien: Steuerberatung

Für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer bestehen hinsichtlich des Besteuerungszeitpunktes für Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus nichtselbständiger Arbeit Besonderheiten – insbesondere in Bezug auf Tantiemen. 

Erfahren Sie in diesem Blogbeitrag, welche Besonderheiten das sind.

Zufluss von Arbeitslohn: Grundsatz 

Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Einkünfte, die als Überschusseinkünfte dem Grundsatz des Zu- und Abflussprinzips des § 11 EStG unterliegen. Der Zufluss von laufendem Arbeitslohn gilt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 38a Abs. 1 S. 2 EStG als im Lohnzahlungszeitraum erfolgt und durchbricht damit in bestimmten Situationen das Zuflussprinzip. 

Dieses besagt grundsätzlich, dass der Zufluss mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht durch den Arbeitnehmer erfolgt. Der Zufluss ist danach im Regelfall bei Barauszahlung, Gutschrift auf dem Bankkonto oder im Zeitpunkt der Verrechnung mit gegenläufigen Verbindlichkeiten gegeben. Dieser Grundsatz gilt auch für einmalige Bezüge, wie Tantiemen, § 11 Abs. 1 S. 4 i. V. m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG 

Was sind beherrschende Gesellschafter? 

Als beherrschend ist ein Gesellschafter anzusehen, wenn dieser unmittelbar oder mittelbar über die Mehrheit der Stimmrechte an der ausschüttenden Gesellschaft verfügt und somit dort den eigenen Willen durchsetzen kann. Dies ist, mit Ausnahmen, regelmäßig bei einer Beteiligungsquote von mehr als 50 % zu unterstellen. 

Zuflussfiktion beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer 

Unabhängig davon, wann der tatsächliche Zufluss erfolgt, gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht laufender Arbeitslohn von beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs als zugeflossen. Dies hat den Hintergrund, dass im Allgemeinen ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer eigenmächtig darüber entscheiden kann, wann eine eindeutige und fällige Zahlung vorgenommen werden soll. 

Entstehung der Lohnsteuer und Einkommensteuer: Zufluss des Arbeitslohnes und einmaliger Bezüge wie Tantieme 

Die Entstehung der Lohnsteuer hängt in erster Linie vom Zufluss des Arbeitslohnes ab, § 38 Abs. 2 S. 2 EStG, welcher sich nach § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG bestimmt. Das bedeutet, dass laufender Arbeitslohn, unabhängig vom Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung, im entsprechenden Lohnzeitraum der Lohnsteuer zu unterwerfen ist. Bei sonstigen einmaligen Bezügen wie Tantiemen kommt es hingegen für die Lohnsteuer auf den tatsächlichen Zufluss bzw. bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ggf. auf den fingierten Zufluss an. 

Die Einkommensteuer auf den Arbeitslohn entsteht gem. § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraumes, in dem dieser gemäß § 11 Abs. 1 S. 4 EStG zugeflossen ist und geht damit im Einklang mit der Entstehung der Lohnsteuer. 

Besonderheit: Tantiemen bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer 

Wie bereits ausgeführt, unterstellt die Zuflussfiktion einen Zufluss von sonstigen Bezügen bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs. In den meisten Fällen wird die Tantieme eines Geschäftsführers oder einer Geschäftsführerin an den Jahresergebnissen bemessen. Entsprechend konkretisiert sich die Höhe des Anspruchs erst mit Fertigstellung des Jahresabschlusses. Mit Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft wird diese manifestiert, sodass anschließend eine Auszahlung erfolgen kann. 

Erfahrungsgemäß sehen die Tantiemevereinbarungen vor, dass die Fälligkeit der Tantieme an das Datum der Feststellung des Jahresabschlusses geknüpft ist oder kurze Zeit danach (z. B. einen Monat später) eintritt. Folglich entsteht unter Berücksichtigung der Zuflussfiktion bereits zu diesem Termin, unter Voraussetzung der erfolgten Feststellung, die Lohnsteuer bzw. mit Ablauf dieses Kalenderjahrs die Einkommensteuer auf die Tantieme. Auf den tatsächlichen Zufluss kommt es dann nicht mehr an. 

Anspruch auf Tantieme: nach BFH: buchhalterischen Umsetzung für Zuflussfiktion maßgeblich 

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH greift diese Zuflussfiktion jedoch nur dann, wenn sich ein Anspruch auf die Tantieme eines Mitarbeitenden auch auf Ebene der Gesellschaft ergebniswirksam niedergeschlagen hat, d. h. ein entsprechender Lohnaufwand gegen die Verbindlichkeit buchhalterisch erfasst wurde. Ist dies nämlich nicht der Fall, so der BFH, kann es gar nicht erst zur Fälligkeit einer nicht bilanzierten Tantiemeforderung kommen, die den Zufluss fingieren würde. Die ständige Rechtsprechung des BFH wurde in dieser Frage jüngst noch einmal durch das Urteil vom 5. Juni 2024 bestätigt. 

Anspruch auf Tantieme: laut BMF buchhalterische Umsetzung für Zuflussfiktion unerheblich 

Auf die tatsächliche buchhalterische Umsetzung kommt es nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen jedoch nicht an. Insofern weichen die Auffassungen des BFH und der Finanzverwaltung in dieser Frage bereits seit geraumer Zeit voneinander ab. 

Anspruch auf Tantieme: verdeckte Einlage 

Zwingend zu bewerten ist jedoch im Falle einer nicht erfolgten Passivierung der Tantiemeverbindlichkeit im Jahresabschluss, aus welchen Gründen diese nicht erfolgte. Sollte dabei der Verzicht der Gesellschafter-Geschäftsführer  ausschlaggebend sein, könnte eine verdeckte Einlage des Tantiemeanspruchs vorliegen.  

Der Anspruch auf die Tantieme entsteht grundsätzlich mit Ablauf des entsprechenden Wirtschaftsjahres, an dessen Ergebnis sie sich ableitet. Erfolgt ein Verzicht auf diesen Anspruch nach Entstehung, liegt grundsätzlich eine verdeckte Einlage vor, die wiederum, da sind sich BFH und BMF einig, zu einem Zufluss der Tantieme und damit zur Besteuerung führt.

Unsere Einschätzung zur Versteuerung von Tantiemen

Einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer fließt die Tantieme grundsätzlich bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu. Diese richtet sich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen. 

Eine nicht erfolgte Passivierung verhindert nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht den fingierten Zufluss. Entsprechende Fälle und Argumentationen werden daher wohl erst vor Gericht und unter dem Nachweis des nicht Vorliegens einer verdeckten Einlage geklärt werden können. 

Es empfiehlt sich daher für eine ordentliche Dokumentation der Ansprüche der Tantiemen, der Ermittlung der Höhe sowie der vertraglichen Vereinbarungen vorzuhalten.  

Neu zu fassende Tantiemevereinbarungen sind sensibel zu gestalten und bestehende dahingehend zu prüfen, wann nach dem Wortlaut der Vereinbarung die Fälligkeit und damit der steuerliche Zufluss gegeben ist. Dies ist insbesondere für die zutreffende und rechtzeitige Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber wichtig. Bestehende Vereinbarungen können auch angepasst werden. 

Haben Sie Fragen zum Thema Besteuerung von Tantiemen oder anderen Sachverhalten rund um beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer? Bei Fragen rund um das Thema sprechen Sie Raphael Niederstraßer gerne an.  

 

Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch die Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.   

 

Tags

Expert:innen zu diesem Thema

Keine passenden Personen gefunden.

Das könnte Sie auch interessieren

  • Abfindung und Tantiemen: Besonderheiten der Lohnsteuer bei einer Mitarbeiterentsendung

    Neben den zu beachtenden lohnsteuerlichen Besonderheiten für die korrekte Besteuerung des laufenden Arbeitslohns von Arbeitnehmer:innen, gelten insbesondere im Bereich der Besteuerung nachlaufender Zahlungen besondere Vorschriften. Dies gilt beispielsweise für die Besteuerung von Tantiemen oder Abfindungen. Diese sollten insbesondere bei der [...]

    Stephan Kollenbroich

    07. Dez 2023