Bundesverfassungsgericht urteilt zur Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen personenidentischen Schwesterpersonengesellschaften
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19. Februar 2024

Bundesverfassungsgericht urteilt zur Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen personenidentischen Schwesterpersonengesellschaften

Kategorien: Steuerberatung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 12.01.2024 seinen schon lange herbeigesehnten Beschluss zur Buchwertfortführung bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen personenidentischen Schwesterpersonengesellschaften veröffentlicht. Mit diesem Beschluss wurde der § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG (Einkommensteuergesetz) insofern als verfassungswidrig erklärt, soweit danach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zum Buchwert ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber ist nun verpflichtet, rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 eine Neuregelung zu treffen. Hier erfahren Sie die Hintergründe.

Was ist das Grundproblem bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern

Eine Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften ist in § 6 Abs. 5 S. 3 EStG nicht vorgesehen. Es existiert keine explizite gesetzliche Regelung.

Übertragung von Wirtschaftsgütern: Was regelt der § 6 Abs. 5 S. 3 EStG?

6 Abs. 5 EStG ermöglicht unter den dort genannten Voraussetzungen eine steuerneutrale Überführung bzw. Übertragung von Wirtschaftsgütern. Die Vorschrift erfasst neben der Überführung eines Wirtschaftsguts zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben/derselben Steuerpflichtigen (§ 6 Abs. 5 Sätze 1 und 2 EStG) Wirtschaftsgut-Transfers innerhalb derselben Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 Var. 1, Nr. 3 EStG) sowie zwischen zwei über ihre (Mit-)Unternehmer:innen miteinander verbundenen Betrieben beziehungsweise Mitunternehmerschaften (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1, Nr. 2 Var. 2 EStG). Wirtschaftsgut-Transfers zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Schwesterpersonengesellschaften sind in § 6 Abs. 5 EStG nicht genannt.

Der Sachverhalt des Bundesfinanzhofes

Dem Ausgangsverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Im August 2001 veräußerte eine gewerblich tätige GmbH & Co. KG zwei bebaute Grundstücke aus ihrem Gesamthandsvermögen an eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft zu einem herabgesetzten Preis in Höhe der Summe der bilanziellen Buchwerte.

Diese Übertragungsvorgänge behandelte die KG steuerlich als erfolgsneutral. Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Buchwertverkauf bei der KG zur vollständigen Aufdeckung der in den übertragenen Grundstücken enthaltenen stillen Reserven geführt habe, mithin nicht steuerneutral erfolgt sei.

Das Finanzamt berücksichtigte den entsprechenden Gewinn von 1.142.020 DM im geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2001 und setzte einen entsprechenden Gewerbesteuermessbetrag fest. Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben erfolglos. Das Finanzgericht Baden-Württemberg gab der hiergegen gerichteten Klage im Juli 2012 statt.

Auf die Revision des Finanzamts hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, als danach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht zum Buchwert möglich sei.

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes zur Übertragung von Wirtschaftsgütern

Der BFH sah in der unterschiedlichen Behandlung einen Gleichheitsverstoß. Allerdings waren der I. und der IV. BFH-Senat unterschiedlicher Ansicht darüber, ob § 6 Abs. 5 EStG verfassungskonform ausgelegt werden kann: Der IV. Senat hielt das für möglich, der I. Senat sah das anders und rief im Ausgangsfall das BVerfG an.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

Das BVerfG teilt die Ansicht des I. BFH-Senats und hat entschieden, dass § 6 Abs. 5 S. 3 EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil danach Wirtschaftsgüter zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht zum Buchwert übertragen werden können.

Eine verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 5 EStG hält das BVerfG nicht für möglich, auch nicht des § 6 Abs. 5 S. 1 EStG, der die “Überführung” zwischen zwei Betriebsvermögen erfasst und den der IV. BFH-Senat für analog anwendbar hielt. Das BVerfG führt den Wortlaut und den gesetzgeberischen Willen an. Auch eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 5 EStG schließt es aus: Dies würde die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle, nachdem das Thema mehrfach im Gesetzgebungsverfahren diskutiert worden sei.

Ferner solle – wie die Systematik der Regelung zeige – nicht der Rechtsträgerwechsel an sich, sondern die Verlagerung stiller Reserven deren Aufdeckung rechtfertigen. An einer Verlagerung stiller Reserven fehle es bei Wirtschaftsgut-Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften aber. Der Zusammenschluss mehrerer natürlicher Personen zur gemeinsamen Einkünfteerzielung könne für sich genommen die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht rechtfertigen, solange es beim Konzept der Gleichbehandlung von Einzel- und Mitunternehmer:in bleibe.

Was müssen Sie nun bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern beachten?

Die jetzige Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG bleibt erst einmal bis zum Inkrafttreten einer Neufassung erhalten. Der Gesetzgeber ist aber jetzt gefordert, grundsätzlich unverzüglich. Eine Neufassung ist dann für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 gültig, aus der hervorgeht, dass Wirtschaftsgüter unentgeltlich aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaft übertragen werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem Beschluss eine Übergangsregelung bis zu einer Gesetzesänderung vorgeschlagen.

Wenn sich aktuell Festsetzungen diesbezüglich im Einspruchsverfahren befinden, sollte gegenüber dem Finanzamt mit Hinweis auf den Beschluss eine Änderung des Bescheides erwirkt werden. Wie die Finanzverwaltung allerdings damit umgehen wird, bleibt erst einmal abzuwarten. Ob es zu einem erläuternden BMF-Schreiben kommen wird, können wir noch nicht sagen. Auch der Zeitpunkt der Gesetzesänderung ist nicht vorhersehbar.

Wenn aktuell Übertragungen von Wirtschaftsgütern zwischen Schwestergesellschaften geplant werden, sollte dieses aber trotz des Beschlusses mit Bedacht und Vorsicht vorgenommen werden. Denn es ist nicht abzusehen, wie die neue Regelung ausgestaltet sein wird. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung auch nur zur unentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern geurteilt. Daher sollten Wirtschaftsgüter zwischen personenidentischen Schwesterpersonengesellschaften zunächst nur unentgeltlich übertragen werden, nicht gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten.

Unsere Einschätzung

Endlich ist sie da, die lang erwartete Entscheidung des BVerfG. Wir begrüßen dieses Urteil und halten es für nachvollziehbar und folgerichtig.

Aber es kehrt leider immer noch keine Ruhe ein. Denn erst einmal muss der Gesetzgeber handeln und die Finanzverwaltung muss sich äußern. Auch ist, wie oben erwähnt, nicht geklärt, ob eine Übertragung von Wirtschaftsgütern auch gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten möglich sein wird, zu begrüßen wäre es allerdings.

Wir sehen der weiteren Entwicklung mit Spannung entgegen und werden Sie selbstverständlich auf dem Laufenden halten.

 

 

Marcus Büscher

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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