Ablösung eines Nießbrauchrechts ist keine Veräußerung
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4. März 2024

Ablösung eines Nießbrauchrechts ist keine Veräußerung

Kategorien: Steuerberatung

Nach dem Grundprinzip des Einkommensteuerrechts sind Einkünfte aus der Veräußerung privater Wirtschaftsgüter nicht steuerbar. Unter den Voraussetzungen des § 23 Einkommensteuergesetz (SstG) werden allerdings Wertveränderungen bestimmter Wirtschaftsgüter auch besteuert, wenn Sie dem Privatvermögen zugeordnet werden. Mit Urteil vom 12.12.2023 hat das FG Münster entschieden, dass die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchrechts keine Veräußerung im Sinne des § 23 EStG darstellt. Eine Revision beim BFH ist zugelassen; hier finden Sie die Fakten.

Nießbrauchrecht: Das sind die Voraussetzungen des § 23 EStG

Von der Besteuerung gemäß § 23 EStG wird die Veräußerung folgender Wirtschaftsgüter erfasst:

  •   Die Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
  •   Die Veräußerung von anderen Wirtschaftsgütern, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Hier erhöht sich der maßgebliche Zeitraum allerdings auf zehn Jahre, wenn das Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einkünften genutzt wurde.

Als Anschaffung gilt dabei gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 EStG auch die Entnahme eines Wirtschaftsgutes.

Nießbrauchrecht als Wirtschaftsgut laut § 23 Einkommensteuergesetz (EStG)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) steht fest, dass der Begriff des Wirtschaftsgutes für die Anwendung des § 23 EStG weit gefasst werden muss. Er umfasse demnach nicht lediglich Sachen und Rechte im zivilrechtlichen Sinn, sondern darüber hinaus auch tatsächliche Zustände.

Unentgeltlich eingeräumte Nutzungsrechte an Grundstücken werden als Wirtschaftsgüter angesehen, wenn der/die Inhaber:in eine rechtlich gesicherte Position besitzt, die ihm/ihr gegen seinen/ihren Willen nicht entzogen werden kann. Da es sich bei dem Nießbrauch um ein solches Nutzungsrecht handele, wird das Recht nach Ansicht des Finanzgerichts als Wirtschaftsgut im Sinne des § 23 EStG angesehen.

Das Urteil des Finanzgerichts Münster: Keine Veräußerung des Nießbrauchrechts

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin ein Nießbrauchrecht an einem Grundstück durch ein Vermächtnis unentgeltlich erworben. Dieses Grundstück wurde zunächst an eine KG überlassen, an der die Klägerin selbst beteiligt war. Bei dem Nießbrauchrecht handelte es sich dementsprechend um Sonderbetriebsvermögen. Nachdem die Klägerin im Jahr 2018 aus der KG ausgeschieden war, überführte sie das Nießbrauchrecht in das Privatvermögen, bevor sie im Jahr 2019 gegen eine Entschädigungszahlung auf das Recht verzichtete.

Bei diesem entgeltlichen Verzicht handelt es sich nach Ansicht des FG Münster nicht um eine nach § 23 EStG steuerbare Veräußerung. Zwar gelte die Entnahme des Nießbrauchrechts gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 EstG grundsätzlich als Anschaffung, jedoch mangele es im vorliegenden Fall an einer Veräußerung. Durch den fehlenden Rechtsträgerwechsel handele es sich nicht um eine Veräußerung, sondern lediglich um einen veräußerungsähnlichen Vorgang. Solche veräußerungsähnlichen Vorgänge seien nach dem klaren Wortlaut sowie dem Charakter des § 23 EStG nicht von der Vorschrift erfasst.

Im Ergebnis kann die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchrechts somit keinen steuerpflichtigen Vorgang nach § 23 EStG auslösen.

Unsere Einschätzung

Aus unserer Sicht ist das Urteil nachvollziehbar. Grundsätzlich raten wir zu einer sorgfältigen Prüfung, bevor Tatsachen geschaffen werden.

Bei Fragen, melden Sie sich gerne.

Akram Juja

Associate Partner, Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.), Master of Science, Leiter Unternehmens- und Vermögensnachfolge

Peter Kollenbroich

Partner, Steuerberater, Fachberater für Immobilienbesteuerung, LL.M.

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