ChatGPT und KI am Arbeitsplatz: Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
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12. März 2024

ChatGPT und KI am Arbeitsplatz: Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates

Kategorien: Rechtsberatung

Der digitale Wandel wirft in vielen Bereichen des Arbeitslebens neue Fragen auf.  Diese beziehen sich nicht nur darauf, ob und wie neue Technologien in den Arbeitsalltag eingebunden werden können, sondern auch ob diese eingebunden werden dürfen und wer das entscheidet. Während der Corona-Pandemie mussten sich Gerichte damit beschäftigen, ob der Widerruf von Telearbeit eine zustimmungsbedürftige Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist. Jetzt wirft eine neue Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg eine andere Frage des Betriebsverfassungsrechts auf. Hier erfahren Sie alles zum Urteil über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei ChatGPT und KI am Arbeitsplatz.

Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht beim Einsatz von ChatGPT und KI?

Das Arbeitsgericht Hamburg fasste am 16. Januar 2024 einen Beschluss. Im genannten Fall plante die Arbeitgeberin ihren Mitarbeitenden den Einsatz von KI-basierter Software, wie zum Beispiel Chatbots wie ChatGPT, auf freiwilliger Basis zur Unterstützung ihrer Mitarbeitenden nutzbar zu machen. Für die Nutzung veröffentlichte sie ein entsprechendes Handbuch mit Richtlinien zum Einsatz künstlicher Intelligenz. Dafür sollte keine Software auf den Servern und Systemen der Arbeitgeberin installiert werden, sondern die Chatbots über den Webbrowser aufgerufen werden. Mitarbeitenden sollten sich dafür im Vorfeld einen eigenen privaten Account bei dem jeweiligen Anbieter einrichten.

ChatGPT: Welche Rechte sah der Betriebsrat als verletzt an?

Der Betriebsrat versuchte per Eilantrag durchzusetzen, dass die Arbeitgeberin ihren Mitarbeitenden diesen Einsatz verbietet. Der Betriebsrat sah sein Mitbestimmungsrecht in den folgenden Punkten verletzt:

  1. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
  2. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
  3. und § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften.

Wie das Arbeitsgericht den Fall ChatGPT bewertet:

Im Rahmen des Eilverfahrens konnte das Arbeitsgericht Hamburg keine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats feststellen. Es wies den Antrag des Betriebsrats teils bereits als unzulässig zurück. Das Gericht vertrat dabei die Ansicht, die Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und andern KI-basierten Tools, falle unter mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Im Einzelnen führte das Arbeitsgericht aus:

Keine Verletzung des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG

Die Vorgaben zur KI-Nutzung im Handbuch seien als Anordnungen der Arbeitgeberin zu verstehen, die 

  • die Art und Weise der Arbeitserbringung 
  • und nicht das Ordnungsverhalten selbst betreffen.

Keine Verletzung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG:

Eine Verarbeitung personenbezogener Daten in einer Art und Weise, die die Mitbestimmung des Betriebsrates erfordere, läge nicht vor. Die Arbeitgeberin könne beispielsweise nicht auf die von ChatGPT erlangten Informationen zugreifen. Die Nutzung von ChatGPT ähnele der Nutzung anderer juristischer Datenbanken. Die potenzielle Kontrollmöglichkeit, welche Arbeitnehmer:innen der Arbeitgeberin Chatbots einsetzen, erfolge hier durch die Mitteilung der Arbeitnehmer:innen selbst. Entscheidend sei hier: Es besteht bereits eine Konzernbetriebsratsvereinbarung auf der Konzernebene der Arbeitgeberin zur Nutzung von Webbrowsern. Dadurch sei bereits geregelt, dass über die Browsernutzung Nutzungsdaten aufgezeichnet werden. Ein weiterer Mitbestimmungstatbestand sei dadurch nicht eröffnet.

Keine Verletzung des § 87 Abs. 1 Nr. 67 BetrVG

Ein Vortrag zur konkreten Gesundheitsgefährdung durch den Einsatz und die Nutzung Künstlicher Intelligenz erfolgte seitens des Betriebsrates nicht, sodass das Arbeitsgericht Hamburg auch diesbezüglich keine Verletzung feststellen konnte. 

Unsere Einschätzung:

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und anderen neuen Technologien kann den Arbeitsalltag deutlich erleichtern, aber auch rechtliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Der Betriebsrat kommt hier richtigerweise seiner Aufgabe nach und versuchte, die Mitarbeitenden zu schützen und eine unzulässige Überwachung zu verhindern. Haben Sie also bei der Einführung und der konkreten Umsetzung immer ein Auge auf eventuelle rechtliche Hürden. Gerne prüfen wir Ihre Möglichkeiten unter Berücksichtigung arbeits, -datenschutz und betriebsverfassungsrechtlicher Sicht. Sprechen Sie uns einfach an!

 

Expert:innen zu diesem Thema

Marcus Büscher

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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