8. Januar 2024
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates: Diese Entscheidungen sind wegweisend
In drei wegweisenden Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte und des Bundesarbeitsgerichts wird der Umfang des Mitbestimmungsrechts in den neuen Entwicklungen der Arbeitswelt festgehalten. Auch wenn die Corona-Pandemie in vielen Fällen schnelles Handeln nötig machte, beschäftigten sich die Gerichte mit der Frage der Rechtmäßigkeit. Im Kern geht es um interne Entscheidungsfindungen unter Einbeziehung des Betriebsrates. Was Sie dazu jetzt wissen sollten, lesen Sie hier.
Das BAG zur Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes durch Beendigung von Telearbeit und Homeoffice
Den Begriff der Telearbeit hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) so definiert, dass Telearbeit sich damit auszeichnet, dass der/die Arbeitnehmer:in an einem festen, vom/von der Arbeitgeber:in eingerichteten Arbeitsplatz im eigenen häuslichen Bereich arbeitet.
Homeoffice hingegen ist eine Form des mobilen Arbeitens, die es Arbeitnehmer:innen in Abstimmung mit den Arbeitgeber:innen ermöglicht, zeitweilig im privaten Bereich, zum Beispiel unter Nutzung tragbarer IT-Systeme und Datenträger, tätig zu werden. Ein fester, durch die Arbeitgeber:innen eingerichteter Arbeitsplatz ist in der Regel hierbei nicht erforderlich.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat sich in seinem Beschluss vom 14.08.2020 mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Widerruf alternierender Telearbeit eine Versetzung im Sinne der §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG darstellt, welche der Zustimmung des Betriebsrates bedarf (LAG Köln, Beschluss vom 14.08.2020 – 9 TaBV 11/20).
Das Gericht bejahte dies, da sich das Bild der Tätigkeit mit Beendigung der Telearbeit grundlegend ändere, da die Einbindung der Arbeitnehmer:innen in den Betriebsablauf und die Aufgabenerfüllung auch bei nur teilweiser Telearbeit aufgrund derer Besonderheiten eine völlig andere als ohne Telearbeit sei.
Mit Beschluss vom 20.10.2021 schloss sich das Bundesarbeitsgericht dieser Entscheidung an und stellte fest: Wenn ein Arbeitnehmer, der bislang im Rahmen einer Beschäftigung in alternierender Telearbeit weit überwiegend an einem vom Arbeitgeber eingerichteten häuslichen Arbeitsplatz tätig war, wieder ausschließlich an der Betriebsstätte eingesetzt werden soll, ist das eine beteiligungspflichtige Versetzung nach § 99 I BetrVG (BAG Beschluss vom 20.10.2021 – 7 ABR 34/20).
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern zum kollektiven Bezug mobiler Arbeit
Eine interessante Feststellung zur mobilen Arbeit hat auch das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Beschluss vom 25.02.2020 getroffen. Mobile Arbeit habe grundsätzlich einen kollektiven Bezug, da hierdurch nicht nur die Interessen des Einzelnen betroffen sein, sondern auch die Interessen aller Kolleg:innen. In diesem Zuge entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) auch, dass dem Betriebsrat im Zusammenhang mit der Ausgestaltung von mobiler Arbeit zwingende Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG zustehen können. Das Mitbestimmungsrecht müsse insbesondere nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG für die Nutzung elektronischer Endgeräte beachtet werden, da diese Geräte und die damit produzierten Daten geeignet seien, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer:innen zu überwachen. Auch im Bereich des Arbeitsschutzes, der Arbeitssicherheit, der Arbeitszeit und der Arbeitsstätte seien die kollektiven Belange zu beachten (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25.2.2020 – 5 TaBV 1/20).
Mitbestimmungsrecht: Welche Rechte hat der Betriebsrat
Unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter:innen sind Unternehmen nicht dazu verpflichtet, aktiv einen Betriebsrat ins Leben zu rufen. Sobald ein Unternehmen aber mindestens fünf ständig wahlberechtigte Mitarbeiter:innen hat, von denen mindestens drei wählbar sind, steht es diesen nach § 1 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) frei, einen Betriebsrat zu wählen. Das Unternehmen darf dann die Bildung eines Betriebsrates in keiner Weise, zum Beispiel durch gezielte Umstrukturierung, Kündigungen oder Versetzungen, stören. In vielen Fällen sind nach § 15 Kündigungschutzgesetz (KSchG) Arbeitnehmer:innen, die Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternehmen, bereits vor ordentlichen Kündigungen geschützt.
Als von der Belegschaft eines Betriebs gewähltes Gremium stellt der Betriebsrat für die Arbeitnehmer:innen die rechtliche Möglichkeit dar, betriebliche Belange mitzusteuern. Das stärkste Instrument, um dieses Recht auch tatsächlich auszuüben, ist das echte Mitbestimmungsrecht aus § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Hier dürfen Arbeitgeber:innen geplante Maßnahmen nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Betriebsrats durchführen. Die Zustimmung erfolgt durch Beschlussfassung des Betriebsrates.
Dieses Mitbestimmungsrecht erstreckt sich nicht nur auf die klassischen Bereiche betrieblicher Belange, sondern kann auch im modernen Arbeitsleben relevant werden. Wie weit das Mitbestimmungsrecht im Zusammenhang mit Telearbeit, mobilem Arbeiten und Homeoffice geht, war daher bereits mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.
Unsere Einschätzung
Treffen Arbeitnehmer:innen Entscheidung im Zusammenhang mit Telearbeit, mobilem Arbeiten und Homeoffice, sollte das wohlüberlegt sein. Wurde es Mitarbeiter:innen gestattet, in irgendeiner Form remote zu arbeiten, kann das im Regelfall nicht einseitig, ohne Zustimmung des Betriebsrates, widerrufen werden. Auch bei Entscheidungen über die konkrete Ausgestaltung der Arbeitsformen müssen die kollektiven Belange durch Beteiligung des Betriebsrates gewahrt werden. Wenn Sie konkrete Herausforderungen in diesem Bereich haben, unterstützen wir Sie gerne.