27. September 2024
Deutsche Wirtschaft 2024: Herausforderungen und Lösungen für nachhaltiges Wachstum
Inhaltsverzeichnis
- Wichtige Herausforderungen, die das Wachstum bremsen
- Prognosen für das Wirtschaftswachstum bis 2026
- Empfehlungen der Sachverständigen zur Überwindung der Wirtschaftskrise
- Stimmen aus der Praxis: Was Gründer:innen und Unternehmer:innen fordern
- Unsere Einschätzung: Chancen nutzen, Strukturwandel aktiv gestalten
Seit mehr als zwei Jahren steckt die deutsche Wirtschaft in einer Phase der Stagnation fest. Nach der Erholung von der COVID-19-Pandemie konnte sie den vorherigen Wachstumstrend nicht wieder aufnehmen. Dies bestätigen die Ergebnisse der Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2024, die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz von führenden Wirtschaftsinstituten, darunter das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), erstellt wurde.
Laut Prognosen wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2024 voraussichtlich um 0,1 % schrumpfen, bevor es in den folgenden Jahren leicht um 0,8 % im Jahr 2025 und um 1,3 % im Jahr 2026 ansteigt.
Wichtige Herausforderungen, die das Wachstum bremsen
Die deutsche Wirtschaft steht derzeit vor mehreren tiefgreifenden Herausforderungen, die sowohl kurzfristige Konjunkturschwächen als auch langfristige strukturelle Anpassungen erfordern. Vier zentrale Faktoren beeinflussen die wirtschaftliche Entwicklung erheblich:
- Dekarbonisierung: Die Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft stellt eine der größten Herausforderungen dar. Deutschland hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt, die den Umstieg auf erneuerbare Energien und die Reduktion von CO₂-Emissionen erfordern. Doch diese Umstellung bringt hohe Kosten für die Industrie mit sich, die mit den globalen Wettbewerbenden konkurrieren muss, die möglicherweise geringere Umweltauflagen haben. Besonders die energieintensiven Industriezweige, wie die Chemie- und Stahlindustrie, spüren den Druck.
- Digitalisierung: Während die digitale Transformation weltweit rasant voranschreitet, hat Deutschland noch Nachholbedarf. Viele mittelständische Unternehmen, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, hinken bei der Einführung digitaler Technologien hinterher. Ob in der Produktionsoptimierung durch Industrie 4.0 oder in der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI), das digitale Potenzial wird vielerorts noch nicht ausgeschöpft. Dabei könnte eine verstärkte Digitalisierung nicht nur die Produktivität steigern, sondern auch neue Geschäftsmodelle ermöglichen.
- Demografischer Wandel: Die alternde Bevölkerung wird zunehmend zu einem Problem für die Wirtschaft. Der Fachkräftemangel betrifft viele Branchen, insbesondere das verarbeitende Gewerbe und die Gesundheitswirtschaft. Mit einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung nimmt auch das Potenzialwachstum der Wirtschaft ab, was langfristig die Innovationskraft Deutschlands gefährdet.
- Stärkerer Wettbewerb mit China: Chinesische Unternehmen drängen zunehmend auf die Weltmärkte und sind insbesondere im Bereich der Investitionsgüter eine ernstzunehmende Konkurrenz für deutsche Exporteure. Während China früher vor allem durch günstige Produktionsbedingungen auffiel, hat sich das Land zu einem starken Produzenten hochwertiger Industriegüter entwickelt. Diese Entwicklung verdrängt deutsche Exporte und stellt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Wirtschaft infrage.
Prognosen für das Wirtschaftswachstum bis 2026
Die schwache Konjunktur zeigt sich besonders im verarbeitenden Gewerbe, das unter hohen Energiekosten und rückläufigen Exporten leidet. Besonders betroffen sind energieintensive Branchen sowie Investitionsgüterhersteller, die auf internationale Aufträge angewiesen sind. Dennoch gibt es Lichtblicke: Der private Konsum wird durch kräftige Zuwächse bei den real verfügbaren Einkommen gestärkt, was der Wirtschaft in den nächsten Jahren helfen könnte. Die Finanzierungsbedingungen verbessern sich ebenfalls, was Investitionen in neue Technologien und Infrastruktur fördern könnte.
Die Gemeinschaftsdiagnose geht davon aus, dass das BIP im Jahr 2024 um 0,1 % sinken wird, bevor es in den folgenden Jahren wieder leicht ansteigt. Für das Jahr 2025 wird ein Wachstum von 0,8 % erwartet, 2026 sogar von 1,3 %. Diese Erholung wird vor allem durch den steigenden privaten Verbrauch und Investitionen in Anlagengüter getragen. Zudem profitieren deutsche Unternehmen vom wirtschaftlichen Aufschwung in den europäischen Nachbarländern, die als wichtige Absatzmärkte fungieren.
Empfehlungen der Sachverständigen zur Überwindung der Wirtschaftskrise
Um die Herausforderungen zu meistern und die Wirtschaft langfristig zu stabilisieren, geben die Sachverständigen eine Reihe von Empfehlungen ab:
- Günstigere Finanzierungsbedingungen schaffen: Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) benötigen besseren Zugang zu Kapital, um in innovative Technologien und nachhaltige Produktionsweisen investieren zu können. Niedrigere Zinsen und einfachere Kreditvergabeverfahren könnten hier helfen.
- Produktivitätshemmnisse abbauen: Bürokratische Hürden und zu viele Regulierungen bremsen das Wachstum vieler Unternehmen. Ein gezielter Bürokratieabbau, insbesondere bei der Gründung von Start-ups, könnte neuen Schwung in die Wirtschaft bringen.
- Strukturwandel zulassen und begleiten: Der Strukturwandel in Richtung einer digitalen und klimaneutralen Wirtschaft ist unvermeidbar. Es ist jedoch wichtig, diesen Wandel aktiv zu gestalten und die betroffenen Branchen gezielt zu unterstützen, etwa durch Weiterbildungsprogramme für die Beschäftigten oder steuerliche Anreize für Unternehmen, die in nachhaltige Technologien investieren.
- Politische Unsicherheiten verringern: Die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, etwa im Bereich der Energiepolitik oder bei Investitionen in Infrastruktur, belastet die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Eine klare und verlässliche Regierungspolitik könnte hier entscheidende Impulse setzen.
Stimmen aus der Praxis: Was Gründer:innen und Unternehmer:innen fordern
In Gesprächen mit Gründer:innen und Unternehmer:innen zeigt sich ein klarer Handlungsbedarf, insbesondere in den Bereichen Finanzierung, Bürokratieabbau und Fachkräftebindung:
- Finanzierung von Gründungen erleichtern: Viele Gründer:innen beklagen den schwierigen Zugang zu Kapital. Oft scheitern innovative Ideen an hohen Anforderungen für Kredite oder mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten. Hier sollte die Politik ansetzen und insbesondere Start-ups in den Bereichen Digitalisierung und nachhaltige Technologien fördern.
- Bürokratie abbauen: Besonders junge Unternehmen empfinden die bürokratischen Hürden als Wachstumshemmnis. Eine Vereinfachung von Genehmigungsverfahren und Steuerregelungen könnte vielen Start-ups das Überleben erleichtern.
- Digitalisierung voranbringen: Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, ist eine umfassende digitale Transformation der Wirtschaft notwendig. Dies gilt nicht nur für die Industrie, sondern auch für den Dienstleistungssektor. Unternehmen sollten verstärkt in digitale Infrastrukturen und neue Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Automatisierung investieren.
- Fachkräfte gewinnen und binden: Angesichts des demografischen Wandels wird es immer schwieriger, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Unternehmen müssen attraktive Arbeitsbedingungen schaffen, um Mitarbeitende langfristig zu binden. Flexible Arbeitsmodelle, Weiterbildungsmöglichkeiten und eine offene Unternehmenskultur sind hierbei entscheidende Faktoren.
Unsere Einschätzung: Chancen nutzen, Strukturwandel aktiv gestalten
Die deutsche Wirtschaft steht vor tiefgreifenden Herausforderungen, die sowohl kurzfristige als auch langfristige Lösungen erfordern. Während die Dekarbonisierung und Digitalisierung unumgänglich sind, erfordert der demografische Wandel gezielte Maßnahmen, um den Fachkräftemangel zu beheben. Ebenso ist der stärkere Wettbewerb mit Unternehmen aus China eine Realität, auf die deutsche Exporteure reagieren müssen.
Mit einer klaren wirtschaftspolitischen Strategie, die Investitionen in Zukunftstechnologien fördert und bürokratische Hürden abbaut, könnte die deutsche Wirtschaft jedoch wieder auf einen Wachstumskurs zurückkehren. Entscheidend wird sein, den Strukturwandel aktiv zu begleiten und sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer:innen für die kommenden Herausforderungen zu rüsten.