Die Reform der Betriebsprüfung und deren Auswirkungen für die Praxis
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30. April 2024

Die Reform der Betriebsprüfung und deren Auswirkungen für die Praxis

Kategorien: Steuerberatung

Am 28.12.2022 wurde das DAC 7-Umsetzungsgesetz verkündet. Das Gesetz reformiert die Rahmenbedingungen für Außenprüfungen der Finanzverwaltung. In erster Linie geht es um die Modernisierung und Beschleunigung von Betriebsprüfungen, aber auch um Transparenz. Damit sollen die erheblichen Belastungen der Steuerpflichtigen durch langwierige Prozesse und hohe (Bürokratie-)Kosten verringert werden. Viele Paragrafen der Abgabenordnung wurden geändert. Einige Regelungen gelten bereits jetzt, andere erst ab 2025. Was Sie dazu wissen sollten, erfahren Sie hier.

Reform der Betriebsprüfung: Datenzugriff, einheitlicher Datenstandard und Schätzungsbefugnis

Das Finanzamt kann nun verlangen, dass aufzubewahrende Unterlagen, die mit einem Datenverarbeitungssystem erstellt wurden, nach Vorgaben der Finanzverwaltung in ein maschinell auswertbares Format übertragen werden. Hier finden Sie die Details.

Das Bundesfinanzministerium kann nun durch Rechtsverordnung einheitliche digitale Schnittstellen und Datensatzbeschreibungen für den standardisierten Export von Daten bestimmen. So soll auch eine Pflicht zur Implementierung und Nutzung der jeweiligen einheitlichen Schnittstelle oder von Datensatzbeschreibungen für den standardisierten Datenexport bestimmt werden. Diese Änderungen sollen Betriebsprüfer:innen das Einlesen, die Verarbeitung und die Prüfung von Daten erleichtern.

Die Folgen eines fehlerhaften Datenstandards können nach der neuen Rechtsverordnung  gravierend sein. Denn es existiert eine Schätzungsbefugnis, falls der/die Steuerpflichtige gegen den vorgegebenen Datenstandard/-export verstößt.

Reform der Betriebsprüfung: Buchführungsverlagerung ins Ausland

Insbesondere die Nutzung von Cloud-Lösungen und die damit verbundene, gesetzlich geforderte Bestimmung des Standorts der Datenverarbeitung bereitet in der Praxis oft Schwierigkeiten. Die Verlagerung der Buchführung in einen anderen EU-Mitgliedstaat ist mittlerweile ohne expliziten Antrag möglich. Die Verlagerung in einen Drittstaat setzt weiterhin einen expliziten Antrag voraus. In beiden Fällen muss ein vollumfänglicher Datenzugriff möglich sein.

Erfreulicherweise eröffnet die Reform der Betriebsprüfung seit dem 01.01.2023 die Möglichkeit zur Verlagerung elektronischer Buchführungsdaten in mehrere EU-Mitgliedsstaaten oder Drittstaaten. 

Betriebsprüfungsreform DAC7: Benennung von Prüfungsschwerpunkten

Betriebsprüfer:innen haben nun die Möglichkeit, mit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung – innerhalb einer angemessenen Frist – Daten und Unterlagen anzufordern. Auf dieser Grundlage kann der/die Betriebsprüfer:in seine/ihre Prüfungsschwerpunkte setzen und sie dem/der Steuerpflichtigen mitteilen. Diese:r kann sich dann besser auf die Betriebsprüfung vorbereiten und die Daten und Unterlagen schneller bereitstellen.

Wichtig: Die gesetzliche Neuerung der Nennung von Prüfungsschwerpunkten führt jedoch nicht zu einer sachlichen Einschränkung der Betriebsprüfung auf die genannten Sachverhalte.

Reform der Betriebsprüfung: Elektronische Kommunikation

In der Praxis gehörte elektronische Kommunikation, zum Beispiel Telefon- oder Videokonferenzen, zum gelebten Prüfungsalltag. Ab dem 01.01.2023 besteht durch die Gesetzesänderung für Steuerpflichtige nun Rechtssicherheit. Verhandlungen, Zwischen- und Schlussbesprechungen können auf elektronischem Wege durchgeführt werden, da  Steuerpflichtigen dafür ein Antragsrecht zusteht.

Finanzbehörden müssen über das Ergebnis ihrer Betriebsprüfung einen Prüfungsbericht verfassen. Bislang erhielten Steuerpflichtige ihre Prüfungsberichte stets in schriftlicher Form. Durch die Reform der Betriebsprüfung besteht nun die Möglichkeit, dass Prüfungsberichte auch digital ergehen können.

Novum der Betriebsprüfungsreform DAC7: Teilabschlussbescheid

Das DHC 7-Umsetzungsgesetz sieht für die bisherige Betriebsprüfungspraxis ein Novum vor. Danach können für einzelne, abgrenzbare Sachverhalte, bei denen zwischen dem/der Betriebsprüfer:in und dem/der Steuerpflichtigen Einvernehmen besteht, die Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden. Das nennt man Teilabschlussbescheid. Dies geschieht während der laufenden Betriebsprüfung, also noch bevor ein abschließender Prüfungsbericht ergeht. Durch diese gesetzliche Neuerung kann zu einem frühen Zeitpunkt der Betriebsprüfung bereits Rechtssicherheit für abgrenzbare Themenbereiche geschaffen werden. Auch das dient der Beschleunigung der Betriebsprüfung.

Das neue Recht gilt für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen oder für Steuern und Steuervergütungen, die vor dem 01.01.2025 entstehen, wenn die/der Steuerpflichtige die Prüfungsanordnung nach dem 31.12.2024 erhält. 

Betriebssprüfung: Mögliche Prüfungserleichterungen bei einem wirksamen IKS

Auf Wunsch zahlreicher Spitzenverbände und der Bundessteuerberaterkammer sieht das neue Gesetz für zu prüfende Unternehmen, die ein wirksames Steuerkontrollsystem (Tax Complianace Management System) im Einsatz haben, die Möglichkeit von Prüfungserleichterungen vor. Konkret kann die Finanzbehörde solchen Unternehmen für zukünftige steuerliche Außenprüfungen verbindlich Prüfungsbeschränkungen hinsichtlich der Art und des Umfangs der Ermittlungen zusagen.

Die Einführung dieser Gesetzesänderung und der befristeten Erprobungsphase (Prüfung der Praxistauglichkeit) begründet der Gesetzgeber mit der zunehmenden Verbreitung von innerbetrieblichen Kontrollsystemen und deren Bedeutung für die steuerliche Betriebsprüfung. Zu diesem Thema finden Sie hier bald einen eigenen Beitrag. 

Reform der Betriebsprüfung: Ablaufhemmung

Bislang galt für Steuern, die Gegenstand einer Betriebsprüfung waren, eine zeitlich unbefristete Verjährungshemmung. Sie orientierte sich am Datum der Schlussbesprechung oder der Beendigung von Ermittlungsmaßnahmen der Betriebsprüfung.

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass aus verschiedensten Gründen eine Betriebsprüfung über Jahre auf Eis liegt. Die betroffenen Steuern können in dieser Zeit nicht verjähren und Steuerpflichtige gewinnen dadurch keine Rechtssicherheit.

Dieser misslichen Situation schiebt das DHC 7-Umsetzungsgesetz nun einen Riegel vor. Denn nach der gesetzlichen Neuregelung endet die Ablaufhemmung künftig spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung dem/der Steuerpflichtigen bekanntgegeben wurde. Damit hebt der Gesetzgeber die bislang fehlende zeitliche Begrenzung auf. Das neue Gesetz gilt erstmals für Steuern und Steuervergütungen, die nach dem 31.12.2024 entstehen.

Betriebsprüfung: Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen, Mitwirkungsverzögerungsgeld und Zuschlag

Schon heute haben Steuerpflichtige im Rahmen einer Betriebsprüfung Mitwirkungspflichten. Sie haben Auskünfte zu erteilen sowie Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden vorzulegen. Darüber hinaus müssen sie die Finanzbehörde bei der Ausübung ihrer Befugnisse unterstützen. Sollte der/die Steuerpflichtige diesen Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, können Betriebsprüfer:innen zukünftig durch ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen zur Erfüllung der Mitwirkungspflichten auffordern. Passiert das nicht, wird die Finanzbehörde ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festsetzen. Dieses beträgt 75 Euro für jeden vollen Kalendertag der Mitwirkungsverzögerung, höchstens jedoch für 150 Kalendertage. In nachgewiesenen, entschuldbaren Fällen der Mitwirkungsverzögerung wird von der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes abgesehen.

Zusätzlich steht es im Ermessen der Finanzbehörde, einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Das passiert dann, wenn in den vergangenen fünf Jahren bereits ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde oder die Finanzbehörde aufgrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des/der Steuerpflichtigen befürchten muss, dass diese:r dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen ohne einen Zuschlag nicht nachkommen wird. Abhängig von der Größenordnung des Falles kann der Zuschlag bis zu 25.000 Euro pro Tag für eine Höchstdauer von 150 Kalendertagen betragen.

Unsere Einschätzung

Wir stellen in der Praxis fest, dass Betriebsprüfungen im Regelfall zu erheblichen zusätzlichen Belastungen der Unternehmer:innen führen, die nicht zu unterschätzen sind. Deshalb begrüßen wir die durch das DHC 7-Umsetzungsgesetz eingeführten Neuregelungen, die zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem/der Betriebsprüfer:in, zur Beschleunigung der Prüfungsverfahren und zur Herbeiführung einer schnelleren Rechtssicherheit für Steuerpflichtige und ihre Unternehmen führen.

Auf der anderen Seite zeigen neue Instrumente wie die Schätzungsbefugnis im Falle fehlerhafter Datenstandards, das qualifizierte Mitwirkungsverlangen mit Mitwirkungsverzögerungsgeld und Zuschlägen, dass Unternehmer:innen – unabhängig von einer Betriebsprüfung – stets für eine ordnungsgemäße Buchführung sorgen sollten und im Falle einer Betriebsprüfung hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten bestmöglich informiert sein müssen.

Gerne unterstützen wir Sie hier und stehen für Fragen zur Verfügung.

Thomas Müller

Associate Partner, Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.)

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