1. März 2023
Höhere Gebäudeabschreibung: BMF-Schreiben zum Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer bei Gebäuden
Inhaltsverzeichnis
- Typisierte Abschreibungssätze führen regelmäßig zu langen Abschreibungszeiträumen
- Wie bestimmt sich die Restnutzungsdauer eines Gebäudes?
- Wie gelingt der Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer?
- Höhere Gebäudeabschreibung: BMF fordert Gutachten eines qualifizierten Sachverständigen
- Bausubstanzgutachten nicht zwingend erforderlich
- Unsere Einschätzung
Als Eigentümer:in von vermieteten oder betrieblich genutzten Immobilien können Sie die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes steuermindernd gelten machen. Dazu schreiben Sie das Gebäude über die typisierte oder die tatsächlich kürzere Nutzungsdauer ab. Mit dem Urteil vom 28. Juli 2021 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Sie eine kürzere Restnutzungsdauer durch jede geeignete Darlegungsmethode nachweisen und damit höhere Abschreibungssätze ansetzen können. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit seinem Schreiben vom 22. Februar 2023 auf dieses Urteil reagiert. Was für die Finanzbehörden gelten soll und wie Sie von einer höheren Gebäudeabschreibung profitieren können, erfahren Sie hier.
Typisierte Abschreibungssätze führen regelmäßig zu langen Abschreibungszeiträumen
In der Regel wird ein Gebäude je nach Alter und Nutzungsart mit drei oder zwei Prozent pro Jahr abgeschrieben. Vollständig abgeschrieben wäre die Immobilie somit erst nach 33 bzw. 50 Jahren. Bei einem Eigentümerwechsel kommt es nach dem Gesetz unabhängig vom Alter und Zustand des Gebäudes erneut zur gleichen linearen Abschreibung. Dadurch würde jeder Neuerwerb zu einer vollständigen Erneuerung der gesamten Abschreibungsdauer führen. Beträgt die tatsächliche Restnutzungsdauer bei älteren Gebäuden jedoch weniger als 33 Jahre oder 50 Jahre, können Sie höhere Abschreibungen geltend machen, indem Sie die Abschreibungsdauer verkürzen.
Wie bestimmt sich die Restnutzungsdauer eines Gebäudes?
Die Nutzungsdauer eines Gebäudes ist grundsätzlich der Zeitraum, in dem das Gebäude voraussichtlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden kann. Wie bei anderen Wirtschaftsgütern wird der Zeitraum auch bei Immobilien geschätzt, da er nicht genau bestimmbar ist. Das Einkommensteuergesetz behilft sich mit der typisierten Gesamtnutzungsdauer.
Bei der geschätzten Restnutzungsdauer eines Gebäudes werden
- der technische Verschleiß,
- die wirtschaftliche Entwertung
- und die rechtlichen Gegebenheiten berücksichtigt.
Um von einer kürzeren Abschreibungsdauer und damit höheren Abschreibungsbeträgen zu profitieren, müssen Eigentürmer:innen gegenüber der Finanzbehörde eine verkürzte Restnutzungsdauer glaubhaft machen.
Wie gelingt der Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer?
Durch § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG räumt das Gesetz Immobilienbesitzer:innen das Wahlrecht ein, statt dem typisierten Abschreibungssatz eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer geltend zu machen. Dazu hat der BFH im Urteil vom 28.07.2021 bestätigt, dass sich jeder Darlegungsmethode bedient werden kann, die im Einzelfall geeignet erscheint. Das neue BMF-Schreiben vom 22.02.2023 fordert nun jedoch einen konkreten Nachweis, wann das Gebäude im Einzelfall objektiv betrachtet technisch oder wirtschaftlich verbraucht ist.
Mit seinem Urteil folgt der BFH der Rechtsprechung mehrerer Finanzgerichte, die einen erleichterten Nachweis der kürzeren Restnutzungsdauer akzeptiert haben. Im Urteilsfall wurde diese anhand eines Modells zur Ermittlung der Restnutzungsdauer unter Berücksichtigung von Modernisierungen im Rahmen der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) ermittelt. Die so von einem Privatgutachten gestützte Schätzung des Steuerpflichtigen hielt der Überprüfung durch die Gerichte stand. Das BMF-Schreiben fordert hingegen die Untersuchung der Elemente, die die Nutzungsdauer bestimmen. Man spricht dann von der Tragstruktur des Bauwerks. Der Verweis eines Steuerpflichtigen auf die Modellansätze zur Nutzungsdauer, wie sie die ImmoWertV nutzt, soll entgegen des BFH-Urteils nicht ausreichen.
Höhere Gebäudeabschreibung: BMF fordert Gutachten eines qualifizierten Sachverständigen
Stattdessen fordert das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Gutachten eines bzw. einer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Diesem bzw. dieser gleichgestellt und vom BMF akzeptiert sind nach DIN EN ISO/IEC 17024 von der Deutschen Akkreditierungsstelle zertifizierte Gutachter:innen. Das Gutachten muss sich konkret mit der Struktur des Bauwerks auseinandersetzen und auf die Ermittlung einer Gesamt- bzw. Restnutzungsdauer zielen. Andere Gutachten, etwa ein Ertragswertgutachten mit Aussagen zur dort angesetzten Restnutzungsdauer, sollen die Finanzbehörden nicht akzeptieren.
Eine durch ein Privatgutachten begründete Restnutzungsdauer könne laut BFH jedoch nur verworfen werden, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liegt. Selbst wenn ein:e vom Gericht bestellte:r Gutachter:in zu einem anderen Ergebnis kommt, müssen die Ergebnisse schon erheblich von der Schätzung des/der Steuerpflichtigen abweichen, um diese zu verwerfen.
Bausubstanzgutachten nicht zwingend erforderlich
Durch die Zurückweisung der Revision und Bestätigung des Urteils vom Finanzgericht Düsseldorf hat der Bundesfinanzhof (BFH) außerdem klargestellt, dass ein bisher vom Finanzamt gefordertes Bausubstanzgutachten keine Voraussetzung für den Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer ist. Immerhin bestätigt das BMF dies ausdrücklich in seinem Schreiben vom 22. Februar 2023, betont aber, dass ein solches Gutachten dennoch hilfreiche Anhaltspunkte zur Beurteilung des Einzelfalls enthalten kann.
Unsere Einschätzung
Wir begrüßen die Entscheidung des BFH. Eigentümer:innen von vermieteten oder betrieblich genutzten Immobilien sollten durch einen geeigneten Nachweis jeglicher Form von einer niedrigeren Restnutzungsdauer durch höhere Abschreibungssätze profitieren können. Und zwar ohne ein kostspieliges Bausubstanzgutachten eines bzw. einer öffentlich bestellten Sachverständigen beauftragen zu müssen.
Leider reagiert die Finanzverwaltung nun mit einem BMF-Schreiben, das zwar das Bausubstanzgutachten von einer Pflicht zur Option macht, jedoch am Nachweis der kürzeren Restnutzungsdauer weiterhin hohe Anforderungen stellt. Mehr noch, es macht deutlich, dass es sich hierbei um begründete Ausnahmefälle handeln soll.
Bei einer Schätzung der Restnutzungsdauer verbleibt die Feststellungslast zum Nachweis einer geringeren Nutzungsdauer weiterhin bei den Steuerpflichtigen. Ob die nur durch ein von der Finanzverwaltung gefordertes spezielles Sachverständigengutachten erfüllt werden kann, zweifeln wir an. Das BMF-Schreiben bindet jedenfalls nur die Finanzbehörden in der Anwendung des Gesetzes, nicht jedoch die Finanzgerichte.
Unseres Erachtens sind die im BMF-Schreiben gestellten Anforderungen an den Nachweis der Steuerpflichtigen zu hoch. Im Lichte der vom Gesetzgeber zunächst geplanten, jedoch letztlich im Jahressteuergesetz (JStG) nicht umgesetzten Streichung der gesetzlichen Grundlage zur AfA-Verkürzung (Absetzung für Abnutzung) wirkt das BMF-Schreiben wie eine Trotzreaktion der Finanzverwaltung. Entgegen der BFH-Rechtsprechung, nach der jede geeignete Darlegungsmethode möglich ist, sollen die Hürden zum Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer jetzt besonders hoch sein. In geeigneten Fällen kann es sich lohnen, vom BMF-Schreiben abzuweichen und auch ohne die Hinzuziehung eines kostspieligen Gutachters bzw. einer kostspieligen Gutachterin eine kürzere Abschreibungsdauer geltend zu machen. Wir helfen Ihnen gerne bei der geeigneten Darlegungsmethode und haben erhöhte Abschreibungen bereits erfolgreich bei der Finanzverwaltung durchsetzen können. Sprechen Sie uns an!