31. Januar 2024
Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit durch interne Zuständigkeitsregelungen bei Organen einer juristischen Person
Der Bundesgerichtshof entschied im Urteil vom 09.11.2023 (Az. III ZR 105/22) über die mögliche Beschränkung der Haftung von geschäftsleitenden Personen durch interne Zuständigkeitsregelungen. Jedoch bestehen weiterhin gewisse Überwachungspflichten des Organs. Welche Gründe der BGH hierfür nannte, erfahren Sie hier.
Worum ging es beim BGH-Urteil vom 9.11.2023?
Der Kläger schloss mit einer in der Schweiz ansässigen AG einen Beteiligungsvertrag, um Investitionen zu tätigen. Über eine Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften verfügte die Gesellschaft nicht. Das Unternehmen wurde bei Vertragsschluss durch ein Mitglied des Verwaltungsrats in Gestalt eines Prokuristen vertreten. Die Gesellschaften sind mittlerweile insolvent. Der Kläger wollte die Rückzahlung seiner Investitionen erwirken.
Der Beklagte, in Gestalt des Geschäftsführers der Tochtergesellschaften, mit denen die Investitionen in konkrete Projekte umgesetzt werden sollten, entgegnete, keine Kenntnis von diesem Beteiligungsvertrag gehabt zu haben. Aufgaben in finanziellen Bereichen seien von ihm nicht wahrgenommen worden.
Wie begründete der BGH seine Entscheidung im Urteil vom 9.11.2023
Der BGH stellt fest, dass sich diejenigen strafbar machen, die entgegen § 32 Abs. 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 Bankgeschäfte erbringen. Wenn diese Geschäfte eine juristische Person verpflichten, liegt die strafrechtliche Verantwortung bei denjenigen, die in ihrer entsprechenden organschaftlichen Stellung tätig geworden sind.
In den Leitsätzen stellt der BGH zudem klar, dass allein die objektive Organstellung für eine Haftungsbegründung nicht ausreicht, sondern vielmehr durch ein entsprechendes Verschulden nach § 276 BGB begründet werden muss.
Mit Blick auf die vielfach in Unternehmen vorhandenen internen Zuständigkeitsregelungen ist diese Rechtsprechung besonders interessant. Der BGH stellt klar, dass eine delegierte Aufgabenverteilung durch die Legalitätspflicht nicht ausgeschlossen wird. Dennoch kann der nicht zuständige Geschäftsführer seine ihm kraft „Allzuständigkeit“ anhaftenden Überwachungspflichten nicht gänzlich außer Acht lassen. Insbesondere dann, wenn Anhaltspunkte für Fehlverhalten des zuständigen Geschäftsführers virulent werden. Dann schützt das Berufen auf die internen Zuständigkeitsregelungen nicht vor straf- oder haftungsrechtlichen Konsequenzen.
Welche praktischen Auswirkungen hat das BGH-Urteil vom 9.11.2023?
Das Urteil des BGH zeigt, dass bei der Haftung von Organen einer juristischen Person sowohl die objektive Organstellung als auch das individuelle Verschulden berücksichtigt werden müssen. Bei der Konkretisierung der Verantwortlichkeit sind interne Zuständigkeitsregelungen und organeigene Überwachungspflichten von hoher Relevanz. Beschränkungen der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortung werden nur durch rechtssicher formulierte Zuständigkeitsregelungen erzielt. Die Pflichtenerfüllung kann auch durch organisatorische Maßnahmen gewährleistet werden.
Da Dritten jedoch grundsätzlich die Einsicht in interne Geschäftszuständigkeiten und -abläufe verwehrt bleibt, trifft das Organ dennoch eine sekundäre Darlegungslast. Sie bezieht sich auf die Umstände, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte zu einer notwendigen Überwachung gewisser Geschäftstätigkeiten ergeben.
Unsere Einschätzung
Die Entscheidung zeigt: Die Haftung von geschäftsführenden Organen ist komplex und umfangreich. Um Haftungsrisiken mit Blick auf die internen Zuständigkeiten zu vermeiden, sollten rechtssichere vertragliche Regelungen getroffen werden. Zudem muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass eine gänzliche Aufhebung einer straf- und haftungsrechtlichen Verantwortung als Geschäftsleitung durch derartige Regelungen nicht erzielt werden kann. Wenn Sie Fragen hierzu haben, sprechen Sie uns gerne an.