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9. April 2025

Nach dem Liberation Day: Auswirkungen der Zölle auf Verrechnungspreise

Kategorien: Steuerberatung

Am selbsternannten Liberation Day vom 3. April 2025 setzte Donald Trump die erwartete Änderung in der US-amerikanischen Zollpolitik um: Mit dem Ziel Handelsdefizite abzubauen, werden EU-Einfuhren seit dem 9. April mit einem breiten reziproken Zollsatz von 20% belastet. Einzelne Branchen wie die Automobil- und Aluminiumindustrie sind von noch höheren Zöllen betroffen.  

Neben den wirtschaftlichen und politischen Folgen stellt sich für Unternehmen noch eine weitere Frage: Wie sind Zölle aus Perspektive von Verrechnungspreisen zu betrachten? Denn bis zu 80 Prozent des globalen Handels, so eine Schätzung der OECD, spielt sich in unternehmensinternen Wertschöpfungsketten ab.   

Wie hängen Zölle und Verrechnungspreise zusammen?

Ein wesentlicher Teil des grenzüberschreitenden Welthandels findet innerhalb von verbundenen Unternehmensgruppen statt. Entsprechende grenzüberschreitende Transaktionen unterliegen somit nicht nur Zollabgaben, sondern auch den Vorgaben für die Bestimmung der konzerninternen Verrechnungspreise.  Damit fallen diese Geschäfte auch in den Bereich der Ertragsbesteuerung.

Zölle und Verrechnungspreise stehen grundsätzlich in einem Konfliktverhältnis. Während der Verrechnungspreis für den Import eines konzernintern hergestellten Gutes aus Perspektive der Steuerbehörden möglichst niedrig sein sollte, um so den lokalen Gewinn und damit die lokale Ertragsbesteuerung zu maximieren, nimmt der Zoll eine gegensätzliche Position ein. Hier führt ein möglichst hoher Wert zur Maximierung der Zolleinnahmen.   

Die erste Erkenntnis:

Die US-Handelspolitik befeuert einen ohnehin schon bestehenden Interessenskonflikt zwischen der dem Innenministerium zugeordneten und für Zölle zuständigen US Customs and Border Patrol und dem Internal Revenue Service, der dem Finanzministerium unterstellt ist.

Wie unterscheiden sich Zollwert und Verrechnungspreis?

Zollwerte und Verrechnungspreise sind nicht identisch. So ergibt sich der Verrechnungspreis einer Transaktion zwischen zwei verbundenen Unternehmen bzw. nahestehenden Personen insbesondere aus der Verteilung von Funktionen, Risiken und Wirtschaftsgütern und dient letztlich der Gewinnaufteilung. Der Zollwert bemisst sich dagegen am tatsächlich zu erzielenden Verkaufspreis beim Export in ein zollpflichtiges Gebiet. Er dient damit neben fiskalischen auch handels- und wirtschaftspolitischen Zielen.    

Die zweite Erkenntnis: Der Hintergrund des Liberation Days ist nur vordergründig fiskalischer Natur. Tatsächlich deutet vieles auf eine handels- und wirtschaftspolitische Motivation.  

Welchen Einfluss haben Zölle auf Verrechnungspreise?

Auf die Ermittlung und Bestimmung von Verrechnungspreisen wirken sich Zölle lediglich indirekt aus. Ähnlich wie die Umsatzsteuer haben Zölle keinen unmittelbaren Einfluss auf den Gewinn, wenn es dem Unternehmen gelingt, diese vollständig auf die Kunden abzuwälzen. Dann sind Zölle nur ein durchlaufender Kalkulationsposten. Gelingt dies jedoch nicht, wirken sich Zölle indirekt auf das Unternehmensergebnis bzw. die durchsetzbaren Preise aus. Je nach Verrechnungspreismethode kann dies auch zu Anpassungen der Verrechnungspreise führen. 

Die dritte Erkenntnis: Zölle haben einen indirekten Einfluss auf Verrechnungspreise, und die zugrunde liegenden Mechanismen können sehr komplex sein. Relevante Stichwörter hier sind Steuerüberwälzung und Preiselastizität. Wird ein nicht von den Zöllen betroffenes amerikanisches Unternehmen die Zölle nutzen, um seinerseits die Preise zu erhöhen oder wird es versuchen, Marktanteile seines zollbelasteten Wettbewerbs zu gewinnen und hält seine Preise stabil?   

Wie könnten sich die Zollerhöhungen auf das Verrechnungspreissystem auswirken?

Die Berücksichtigung der Zollerhöhungen hängt von der jeweils angewandten Verrechnungspreismethode ab, von denen wir insbesondere die für Importeure relevante Methoden betrachten wollen:   

Welche Auswirkungen entstehen bei Nutzung der “Preisvergleichsmethode”?  

Das Grundprinzip der Preisvergleichsmethode zur Ermittlung eines Verrechnungspreises beruht darauf, dass für eine Transaktion zwischen verbundenen Unternehmen derjenige Preis als angemessen angenommen wird, der für eine vergleichbare Transaktion auch unter fremden Dritten vereinbart worden wäre. Im Zusammenhang mit der Einführung von Zöllen stellt sich jedoch die Frage, welche Fremdvergleiche als legitim anzusehen und wie die Verrechnungspreise entsprechend anzupassen sind.   

Bezieht ein in den USA tätiges Konzernunternehmen beispielsweise Vorprodukte von einem verbundenen Unternehmen mit Sitz in der EU zu einem Verrechnungspreis von 100 Dollar, bleibt es zunächst bei diesem Transferpreis. Nach der Ankündigung Trumps fallen jedoch zusätzlich Zollabgaben in Höhe von 20 Dollar an, die das US-Unternehmen entrichten muss. 

Den sich daraus ergebenden Bezugskosten in Höhe von 120 Dollar steht jedoch die Möglichkeit entgegen, dass eine vergleichbare Transaktion zwischen zwei fremdem Dritten, die beide in den USA tätig sind, zu einem Preis von 100 Dollar abgewickelt werden könnte.  

In diesem Fall sollte geprüft werden, ob die Transaktion zwischen den beiden unabhängigen Unternehmen in den USA als geeigneter Vergleich herangezogen werden kann – oder ob sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so stark unterscheiden, dass ein Fremdvergleich nicht möglich ist. 

Perspektive Wiederverkaufspreismethode 

Ein häufiger Ansatz bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen in Vertriebsstrukturen ist die Wiederverkaufspreismethode. Ausgangspunkt ist hierbei der Preis, zu dem ein Produkt, das von einem verbundenen Unternehmen gekauft wurde, an ein unabhängiges Unternehmen oder Verbraucher:innen weiterveräußert wird.  

In diesem Fall kann die Höhe des Zolls die Wiederverkaufspreise beeinflussen – insbesondere dann, wenn er nicht vollständig an die Kunden weitergegeben wird. Gelingt diese Weitergabe nicht, wirkt sich das unmittelbar auf die Brutto- bzw. Handelsmarge aus, die bei der Methode im Mittelpunkt steht. 

Transaktionale Nettomargenmethode 

Bei der Transaktionalen Nettomargenmethode wird vereinfacht nicht der Verrechnungspreis selbst, sondern die resultierende Nettomarge dem Fremdvergleich unterworfen.  

Wenn davon auszugehen ist, dass die künftigen US-Zollabgaben nicht vollständig auf den Endverbraucher übergewälzt werden können – etwa wegen starker US-amerikanischer Konkurrenz –, hat das direkte Folgen: Die Nettomarge der verbundenen Einheit sinkt. 

Hierdurch kann die erzielte Marge aus dem Korridor der als fremdüblich erkannten Margen fallen,  und weitere Maßnahmen werden erforderlich. Sind beispielsweise rückwirkende Jahresend-Aanpassungen vereinbart, die immer schon für Zollzwecke relevant waren, drohen Rückkopplungen. Ob sich die US-Zollverwaltung in diesem Fall der in der EU etablierten waren- und stichtagsbezogenen Zollwertermittlung anschließt (vgl. EuGH-Urteil v. 20.12.2017 – C-529/16 sowie Urteil v. 27.10.2022 v. FG München, 14-K-588/20) ist zumindest fraglich.   

Kostenaufschlagsmethode 

Bei Verwendung der Cost-Plus-Methode empfiehlt sich ein Blick auf die tatsächliche Kostensituation. Da die meisten Preise auf Standardkosten basieren, die zu Beginn des Betriebsjahres ermittelt werden, sollte die tatsächliche Kostenstruktur genauer betrachtet werden. Besteht die Möglichkeit, die Kosten zu senken, ohne die Rentabilität zu gefährden?  

Zu berücksichtigen ist auch, welche Spielräume Fertigunternehmen eingeräumt sind, die für den US-Markt (mit-)produzieren. Beispielsweise könnten Kosten, die auf eigene Fehler zurückzuführen sind (internal failure costs), aus dem Product Pricing ausgegliedert und (soweit fremdüblich) separat verrechnet werden. Gleiches gilt für Kosten, die originär dem Entrepreneur zuzuordnen sind und ihren Ursprung nicht in der lokal ausgeübten Funktion haben.   

Sollte die Situation sich jedoch verfestigen, ist darüber nachzudenken, ob und inwieweit Wertschöpfungsketten auch strukturell angepasst werden können. Da hierbei regelmäßig tiefergreifende Eingriffe erforderlich sein werden, empfehlen wir überlegt, ruhig und strukturiert vorzugehen.   

Die vierte Erkenntnis: Nicht die Zollerhöhung selbst, sondern die gewählte Verrechnungspreismethode entscheidet darüber, wie stark sich der Zoll auf das Verrechnungspreissystem auswirkt. 

Zunächst sollten die Folgen auf individuelle Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten abgeschätzt werden. Sind Maßnahmen erforderlich, sollten diese sowie bedachte Handlungsalternativen umfangreich dokumentiert werden.   

Wie können Steuerabteilungen nun reagieren?

Steuerabteilungen sollten zunächst einmal Ruhe bewahren. Denn die US-Zölle beruhen im Kern auf handelspolitischen – nicht fiskalischen – Motiven. Entsprechend kann sich der Wind schnell wieder drehen.  

Im nächsten Schritt lohnt sich ein Blick auf die aktuellen Transaktionen mit den USA: Bei Verkäufen an Vertriebsgesellschaften ist es sinnvoll, den lokal verfügbaren Lagerbestand zu bewerten. Wenn bestehende Verkaufsverpflichtungen keine sofortige Nachbestellung erfordern, verschafft das etwas Zeit – um abzuwarten, wie sich die Lage in den USA weiterentwickelt. Kurzfristige Entscheidungen, die sich später nicht mehr korrigieren lassen, gilt es in jedem Fall zu vermeiden. 

Darüber hinaus muss ein genauer Blick auf die aktuellen Transaktionen mit der US-Vertriebsgesellschaft geworfen werden, um zu prüfen, ob das Preismodell, das Geschäftsmodell und die Ziele auf beiden Seiten des Ozeans übereinstimmen. Bei Anwendung der Wiederverkaufspreismethode ist zu klären, ob der US-Markt die durch die Zölle verursachte Preiserhöhung absorbieren kann oder ob die lokale Konkurrenz trotz Zollabgaben ihre bisherigen Preise beibehält.  

Wenn die Preiserhöhungen nicht an den lokalen Markt weitergegeben werden können, müssen auch die Verrechnungspreise entsprechend angepasst werden. Dies kann durch zwei Positionen untermauert werden: 

  • Die Minderung der Verrechnungspreise wird dadurch gerechtfertigt, dass globale Marken weltweit präsent sein müssen und herausfordernde Situationen eine Neubestimmung der Verteilung von Risiken und Chancen erfordern.
  • Zweitens wird ein dauerhafter Verlust eines US-amerikanischen Konzernunternehmens vom IRS nicht akzeptiert werden, auch wenn die Zollbehörden gegenteiliger Auffassung sein dürften (vgl. oben).   

Der Liberation Day und seine Folgen: Unsere Einschätzung  

Der Liberation Day kann sich erheblich auf den globalen Handel und damit insbesondere auch auf Verrechnungspreissysteme auswirken. Die dahinterstehenden Mechanismen sind jedoch komplex und keinen Patentlösungen zugänglich. Sollte sich abzeichnen, dass Präsident Trumps Vorgehen einen langfristigen Politikwechsel einleitet, ist zudem mit Ausbruch eines zweiten Trumpschen Handelskriegs zu rechnen.  

Die chinesische Regierung hat bereits gehandelt und auch die EU ist dem Vernehmen nach gerüstet. Zieht die Welt nach, werden Lieferketten nachträglich beeinflusst werden. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, die Auswirkungen in ihren Verrechnungspreissystemen zu berücksichtigen. Bei Fragen zu Verrechnungspreisen und zur Änderung der Zollpolitik durch die USA wenden Sie sich gerne an unsere Experten Georg F. Wenz und Christian Kappelmann. 

Georg Wenz

Partner, Consultative Economist, Head of Transfer Pricing

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