Welche Pflichten bringt das Wachstumschancengesetz mit sich?
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22. August 2023

Welche Pflichten bringt das Wachstumschancengesetz mit sich?

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Am 17. Juli 2023 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium den Referentenentwurf zum Wachstumschancengesetz. Dieses Gesetzesvorhaben soll die wirtschaftlichen Folgen der multiplen Krisen, wie der Pandemie und dem russischen Überfall auf die Ukraine, abmildern und unternehmerisches Wachstum ermöglichen. Es bringt aber auch Pflichten mit sich. Welche das sind, lesen Sie im zweiten Teil unserer Serie.

Wo setzt das Wachstumschancengesetz an?

Es geht um Maßnahmen zur …

  •   Förderung von Investitionen
  •   Förderung innovativer Technologien für Unternehmen
  •   Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
  •   Vereinfachung des Steuersystems und Entbürokratisierung, besonders für kleinere Unternehmen
  •   Unterbindung unerwünschter Steuergestaltungen.

Zum letzten Punkt sieht der Gesetzesentwurf neben der bestehenden Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen auch die Einführung einer Anzeigepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen vor. 

Wachstumschancengesetz:
Anzeigepflicht von Steuergestaltungen

Tim Nöhring und Julian Heesemann haben hier bereits über die Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (DAC6) berichtet. Der Entwurf des Wachstumschancengesetzes sieht nun auch eine Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen vor. Die Einführung der Meldepflicht soll bei der Aufdeckung ungewollter Gesetzeslücken früher als bisher helfen.

Die neun Tatbestände für meldepflichtige, innerstaatliche Sachverhalte umfassen unter anderem

  •   Gestaltungen, die dem Erwerb einer Verlustgesellschaft dienen,
  •   oder bei denen Einkünfte in andere, privilegiert besteuerte Einkünfte umgewandelt werden.
  •   bestimmte Zahlungen und Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen.

Dabei fällt auf, dass ein Teil der Tatbestände für innerstaatliche Steuergestaltungen den Tatbeständen für grenzüberschreitende Steuergestaltungen genau entspricht. Andere Tatbestände sind zwar inhaltlich mit Tatbeständen für grenzüberschreitende Steuergestaltungen vergleichbar, werden jedoch auf rein inländische Sachverhalte abgewandelt.

Wachstumschancengesetz: Wer ist meldepflichtig?

Die Anzeigepflicht soll nicht jeden Steuerpflichtigen treffen. Sie ist auf Unternehmen und Personen begrenzt, die

  •   bestimmte Umsatz- oder Einkommensschwellen,
  •   bestimmte Steuerbemessungsgrundlagen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer und der Grunderwerbsteuer,
  •   oder Eigenschaften, wie zum Beispiel Konzernzugehörigkeit erfüllen.

Wir begrüßen die Begrenzung des meldepflichtigen Personenkreises grundsätzlich. Die Anwendungsgrenzen bringen allerdings zusätzlichen Prüfungsaufwand mit sich. Das gilt besonders, wenn das Bestehen einer Anzeigepflicht mangels Erfüllung der Eigenschaften verneint werden soll. Dann ist eine genaue Prüfung jedes einzelnen Tatbestandes erforderlich.

Für Bürger:innen und Unternehmen bedeuten diese Vorgaben Kosten und mehr Bürokratie. Auch Behörden werden mit zusätzlichem Prüfungspflichten konfrontiert. Das läuft dem Ziel der Entbürokratisierung an dieser Stelle entgegen.

Wir kritisieren zudem den Generalverdacht, unter den Angehörige der steuerberatenden Berufe gestellt werden. Mit einem Gesetz zur Anzeigepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen wird allgemein unterstellt, dass legale Steueroptimierungen den Finanzbehörden gemeldet werden müssen. Hierzu begrüßen und verweisen wir auf die eindeutige Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer zum Wachstumschancengesetz. 

Wachstumschancengesetz: Pflicht zur Ausstellung elektronischer Rechnungen

Im Entwurf des Wachstumschancengesetzes wird zudem eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes über die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung im B2B-Bereich (Unternehmer an Unternehmer) ab dem 01.01.2025 vorgestellt. Unternehmen müssen daher sicherstellen, dass der Empfang von elektronischen Rechnungen bereits ab 2025 gewährleistet ist. Dies erfordert eine frühzeitige Bekanntgabe der technischen Details zur Umsetzung mindestens zwölf Monate vor Beginn des Übergangszeitraums.

Es werden jedoch Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) während der Übergangsphase diskutiert. Derzeit enthält der Referentenentwurf noch keine spezifischen Vereinfachungen für KMU. Die Möglichkeit kostenloser technischer Hilfsmittel für die Erstellung, den Versand und den Empfang von E-Rechnungen wird erwogen. Auch eine schrittweise Einführung je nach Unternehmensgröße und Rechnungsbetrag wird in Betracht gezogen. Auch die Möglichkeit einer Staffelung nach Rechnungsbetrag wird in Betracht gezogen. Dann würde die Verpflichtung zur Verwendung einer E-Rechnung erst ab einem bestimmten Rechnungsbetrag gelten. Dieser Grenzbetrag könnte schrittweise reduziert werden. Unternehmen sehen jedoch technische und prozessuale Herausforderungen bei der Umsetzung einer solchen Staffelung.

Insgesamt plant das BMF die schrittweise Einführung der B2B-E-Rechnungsstellung ab dem 1. Januar 2025, wobei insbesondere KMU vorübergehende Erleichterungen während der Übergangsphase erwarten können. Die genauen Modalitäten und Vereinfachungen stehen noch zur Diskussion und werden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens weiter konkretisiert werden. Bisher sieht der Gesetzentwurf lediglich die Einführung der E-Rechnung für Leistungen zwischen Unternehmen ohne Schwellenwerte oder Erleichterungen für KMU vor.

Unsere Einschätzung:

Wir begrüßen viele Aspekte des Wachstumschancengesetzes, zum Beispiel die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung. Sie kann für Unternehmen und Finanzverwaltung zum Abbau von Bürokratie führen. Allerdings bleibt der genaue Übergang zur Digitalisierung noch unklar. Es muss sichergestellt sein, dass die technischen Voraussetzungen für die elektronische Rechnung auch ohne große Hürden, insbesondere für KMU, bereitgestellt werden, bevor die elektronische Rechnungsstellung verpflichtend eingeführt wird.

Kritischer sehen wir die geplanten Regelungen zur Anzeigepflicht bei innerstaatlichen Steuergestaltungen. Wir bezweifeln, dass die Einführung der Meldepflicht auch für innerstaatliche Sachverhalte sinnvoll ist. Der drohende Mehraufwand für Bürger:innen und Unternehmen aus dieser zusätzlichen Meldepflicht dürfte in keinem Verhältnis zu möglichen Erkenntnissen der Finanzverwaltung aus der Meldepflicht stehen. Das steht sowohl dem Bürokratieabbau als auch einer Vereinfachung der steuerlichen Behandlung von Unternehmen deutlich entgegen.

Wir werden den politischen Prozess des Gesetzgebungsverfahrens weiterhin verfolgen und halten Sie über die Entwicklungen und mögliche Anpassungen auf dem Laufenden.

Julian Heesemann

Associate Partner, Steuerberater, Fachberater für die Umstrukturierung von Unternehmen (IFU /ISM gGmbH), Diplom-Finanzwirt, LL.M.

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