
8. August 2025
Retaxation wegen fehlender Chargenangabe: Risiko beim E-Rezept ernst nehmen
E-Rezept und Bürokratie: Neue Retaxfallen für Apotheken
Die Belieferung von Rezepten in der Apotheke ist längst nicht mehr nur eine pharmazeutische Aufgabe – sie ist heute stark von rechtlichen und vertraglichen Vorgaben geprägt. Vor allem die Einführung des E-Rezepts hat zu neuen bürokratischen Hürden geführt. Kleine formale Fehler können große Folgen haben: Im schlimmsten Fall verweigern die gesetzlichen Krankenkassen die Kostenerstattung – vollständig.
Ein aktueller Fall aus dem DeutschenApothekenPortal (DAP) zeigt: Die fehlende Chargenangabe beim E-Rezept kann zur vollständigen Retaxation führen. Solche Fälle sind nicht nur ärgerlich, sondern auch finanziell bedrohlich. Das DAP informiert regelmäßig über aktuelle Retaxfälle und bietet Apotheken fundierte Unterstützung – von Arbeitshilfen bis zum kollegialen Austausch.
Mehr Informationen: www.deutschesapothekenportal.de
Kontakt: info@deutschesapothekenportal.de
Hintergrund: Pflicht zur Chargenangabe bei bestimmten E-Rezepten
Seit dem allgemeinen Rollout des E-Rezepts gibt es eine neue formale Anforderung für Apotheken: die Pflicht zur Angabe der Chargenbezeichnung im Abgabedatensatz für bestimmte Arzneimittel. Diese Verpflichtung dient der Nachverfolgbarkeit bei Arzneimittelrückrufen und der Abwicklung möglicher Regressansprüche durch die Krankenkassen gegenüber den Herstellern.
Die Grundlage dafür ist ein Schiedsspruch vom 31. Dezember 2020, auf dessen Basis Anlage 9 des Rahmenvertrags ergänzt wurde. Die dort geregelte Mitwirkungspflicht der Apotheke sieht für bestimmte Arzneimittel die verpflichtende Chargenangabe vor.
Da es zu Beginn regelmäßig Probleme mit der technischen Umsetzung im E-Rezept gab, wurde eine Friedenspflicht vereinbart. Diese endete am 29. April 2024 – seither wurden erste Retaxationen bekannt, bei denen wegen fehlender Charge die Erstattung auf null gekürzt wurde.
Retaxation trotz korrekter Belieferung: Ein aktueller Fall
In einem aktuellen Fall wandte sich eine betroffene Apotheke an das DAP. Mehrere korrekt belieferte E-Rezepte wurden vollständig retaxiert – einzig wegen der fehlenden Chargenangabe. Die Apotheke erkannte die Pflicht grundsätzlich an, stellte jedoch die Frage, ob eine solche Vollabsetzung verhältnismäßig ist.
Hier prallen die Auffassungen der beiden zentralen Vertragspartner aufeinander:
DAV (Deutscher Apothekerverband):
- Die Chargenangabe dient ausschließlich der Abwicklung von Rückrufen zwischen Krankenkassen und Herstellern.
- Eine Nullretaxation sei in § 131a SGB V oder Anlage 9 nicht vereinbart.
- Ein solcher Fall sei ein formaler Fehler, ohne Auswirkung auf Arzneimittelsicherheit oder Wirtschaftlichkeit.
GKV-Spitzenverband:
- Die Verpflichtung ist klar vereinbart – u. a. in Anlage 9 sowie in der Abrechnungsvereinbarung nach § 300 Abs. 3 SGB V.
- Im Rahmenvertrag (§ 6) ist eine fehlende Chargenangabe nicht explizit als formaler Fehler anerkannt.
- Im Einspruchsverfahren sei jedoch eine Einigung mit der Krankenkasse möglich
Was Sie auch interessieren könnte:
- Rechtsformen für Apotheken in Deutschland: Gesetzliche Vorgaben & aktuelle Rechtsprechung 2025
- Apotheken erfolgreich wirtschaftlich steuern: BWA verstehen, Rohertrag optimieren, Zukunft sichern
- BGH-Urteile 2025: DSGVO-Verstöße können von Mitbewerber:innen abgemahnt werden!
Was Apotheken jetzt tun sollten: Handlungsempfehlungen bei Retaxationen
Um finanzielle Risiken durch formale Abrechnungsfehler zu vermeiden, sollten Apotheken bei Retaxationen strategisch vorgehen:
- Einspruch einlegen: Jede Nullretaxation sollte fristgerecht mit Begründung und ggf. Nachreichen der Charge angefochten werden.
- Berufung auf § 6 des Rahmenvertrags:
- Abs. 1 Buchst. c: Vergütung ist möglich, wenn die Kasse es im Einzelfall entscheidet.
- Abs. 1 Buchst. d: Bei „unbedeutenden, insbesondere formalen Fehlern“, die die Versorgung nicht gefährden, bleibt der Vergütungsanspruch bestehen.
- Kontext prüfen: Gab es zum betreffenden Arzneimittel einen Rückruf? Wenn nein, ist der Fehler formal, ohne praktischen Schaden.
- Prozesse optimieren: Bei der Rezeptkontrolle, die regelmäßig durchgeführt werden sollte, kann eine fehlende Charge ergänzt werden. Diese Arbeitsvorgänge und Prüfungen sollten idealerweise täglich erfolgen und als Bestandteil des Qualitätsmanagementsystems (QMS) verbindlich dokumentiert sein.
Retaxrisiko proaktiv minimieren: Unsere Einschätzung
Die aktuellen Fälle zeigen, wie stark Apotheken durch formale Detailvorgaben unter Druck geraten können – insbesondere, wenn finanzielle Verluste drohen. Die Praxis der Vollabsetzung bei formalen Fehlern wie einer fehlenden Charge erscheint unverhältnismäßig, solange keine Patientengefährdung oder wirtschaftlicher Schaden entstanden ist.
Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Vertragspartner auf diese Entwicklung reagieren. Positiv ist: Für das Stellen von Arzneimitteln wurde die Friedenspflicht zur Chargenangabe zunächst bis Ende 2025 verlängert.
Unser Fazit: Apotheken sollten ihre Rechte kennen, strukturiert Einspruch einlegen und ihre Prozesse konsequent auf sichere Dokumentation und Abrechnung hin ausrichten.
Für konkrete Hilfestellungen, Arbeitshilfen und kollegialen Austausch:
www.deutschesapothekenportal.de
info@deutschesapothekenportal.de
Sie haben Fragen zu den steuerlichen Auswirkungen bei Retaxationen oder der Abrechnungspraxis in der Apotheke?
Dann wenden Sie sich gerne an Steuerberaterin Julia Wittwer.
Über unsere Gastautorin
Christina Dunkel – Apothekerin bei DAP Networks GmbH