Share Deals: BFH zweifelt an Doppel-Grunderwerbsteuer 
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4. September 2025

Share Deals: BFH zweifelt an Doppel-Grunderwerbsteuer 

Kategorien: Steuerberatung

Beim Kauf von Anteilen an einer grundbesitzenden GmbH kann es schnell zu einer ungewollten Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer kommen, wenn der Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses und die tatsächliche Übertragung der Anteile zeitlich auseinanderfallen. Mit Beschluss vom 9. Juni 2025 (Az. II B 13/25) stellt der BFH in einem AdV -Verfahren (Aussetzung der sofortigen Vollziehung) nun klar, dass er die strenge Auffassung der Finanzverwaltung kritisch sieht.  

Warum droht eine doppelte Grunderwerbsteuer bei Share Deals? 

Werden Anteile an einer grundbesitzenden GmbH übertragen (Share Deal), kommt es regelmäßig vor, dass das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (der notarielle Kaufvertrag, nachfolgend kurz Signing) und die tatsächliche Übertragung der Gesellschaftsanteile (nachfolgend Closing) zeitlich auseinanderfallen.  

Nach Auffassung der Finanzverwaltung führt dies zu einer doppelten Grunderwerbsteuerfestsetzung, wenn die Vorgänge nicht zeitgleich passieren. Das Signing erfüllt den Gesetzestatbestand nach § 1 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG), wenn es zu einer Übertragung oder Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile führt. Daneben löst die dingliche Übertragung (Closing) in diesen Fällen regelmäßig den Tatbestand des § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG aus.  

Legt die Finanzverwaltung die Vorrangregelung von Signing und Closing zeitlich zu eng aus? 

Zwar regelt das Gesetz ausdrücklich, dass es nur zu einer Besteuerung für das Signing kommt, wenn eine Besteuerung des Closings durch die Absätze 2a und 2b nicht in Betracht kommt. Die Finanzverwaltung geht jedoch aufgrund einer engen stichtagsbezogenen Sichtweise davon aus, dass diese Vorrangregelung nicht zu berücksichtigen ist, wenn nicht beide Besteuerungstatbestände tagesgleich erfüllt werden. Finden Signing und Closing – wie üblich – zeitlich versetzt statt, erfasst die Finanzverwaltung regelmäßig zwei Grunderwerbsteuertatbestände.    

Selbst wenn dem Finanzamt bekannt ist, dass das Closing tatsächlich später erfolgt ist, kann es zwei Steuerbescheide für denselben Erwerbsvorgang – mit der Folge einer doppelten Grunderwerbsteuerbelastung – erlassen. 

Erleichterung nur auf Antrag: Warum die Aufhebung der Steuerfestsetzung mit praktischen Problemen verbunden ist 

Abhilfe kann nur durch den neu geschaffenen § 16 Abs. 4a GrEStG geleistet werden: Danach kann die Festsetzung für das Signing auf Antrag aufgehoben werden, wenn ein Closing-Tatbestand ausgelöst wurde. Voraussetzung für diese Korrektur ist jedoch, dass sowohl Signing als auch Closing vollständig und fristgerecht innerhalb von zwei Wochen beim richtigen Finanzamt angezeigt wurden. Fehlt eine Anzeige oder ist sie unvollständig oder verspätet, bleibt die Signing-Festsetzung bestehen und es kommt aufgrund der Verwaltungspraxis zu einer effektiven Doppelbesteuerung.  

Die Auslegung der Finanzverwaltung und die Lösung durch den Gesetzgeber stößt oft auf große Kritik und Unverständnis. Praktisch ist die fristgerechte und vollständige Übermittlung der Grunderwerbsteueranzeigen derzeit mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Es beginnt bereits bei der Frage, welche Angaben im Einzelfall für eine „vollständige“ Anzeige erforderlich sind. Darüber hinaus kann insbesondere die Ermittlung, welches Finanzamt für die Grunderwerbsteuer zuständig ist, bei komplexeren gesellschaftsrechtlichen Strukturen herausfordernd sein.  

Welcher zeitliche Signing-/Closing-Ablauf lag dem Beschluss des BFH zugrunde? 

Mit Beschluss vom 9. Juni 2025  befasste sich der BFH mit der Frage, ob tatsächlich eine doppelte Steuerfestsetzung rechtens ist, wenn bei der Signing-Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bereits bekannt ist, dass das Closing stattgefunden hat und es zu einer Besteuerung nach § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG kommt.  

Am 11. März 2024 (Signing) erwarb die Antragstellerin sämtliche Anteile an einer grundbesitzenden GmbH. Die Anteilsübertragung (Closing) erfolgte nach Kaufpreiszahlung am 29. März 2024. Der beurkundende Notar meldete den Kaufvertrag am 4. April 2024, und somit nach dem Zeitpunkt des Closings, dem Finanzamt. Jedoch erfolgte keine separate Anzeige über den Anteilsübergang. Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer daraufhin sowohl für das Signing als auch für das Closing fest.  

Welche rechtlichen Zweifel äußert der BFH an der Verwaltungspraxis, den § 1 Abs. 3 GrEStG eng auszulegen? 

Der BFH äußerte Zweifel, ob der Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG die enge Auslegung der Finanzverwaltung stützt. Eine zeitliche Einschränkung, wodurch die Subsidiarität von Signing- zu Closing-Tatbestände nur bei tagegleichem Signing und Closing gelte, lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen, ebenso wenig aus der Gesetzesbegründung.   

Insbesondere sei zweifelhaft, ob bei einem Anteilserwerb zweimal Grunderwerbsteuer festgesetzt werden dürfe, wenn dem Finanzamt zum Zeitpunkt der Festsetzung bereits bekannt ist, dass das Closing i. S. d. § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG erfolgt ist.  

Entscheidung mit Signalwirkung: Was sollten betroffene Unternehmen beachten? 

In seiner Entscheidung positioniert sich der BFH mit erfreulicher Deutlichkeit gegen die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung. Die Begründung, mit der das Gericht die Doppelbesteuerung bei Share Deals ausdrücklich anzweifelt, hat Signalwirkung. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es sich lediglich um einen Beschluss aufgrund eines Aussetzungsantrags handelt. Wie der BFH im Hauptverfahren entscheiden wird, bleibt abzuwarten.   

Die Entscheidung ist ein neues Argument gegen die Doppelbesteuerung von Unternehmenskäufen. Betroffene Unternehmen sollten sich im Einspruchs- oder Klageverfahren ausdrücklich auf die Ausführungen des BFH beziehen.  

Unsere Einschätzung 

Der BFH hat mit seinem Beschluss erhebliche Zweifel an einer doppelten Grunderwerbsteuerfestsetzung bei zeitlich versetztem Signing und Closing geäußert. Insbesondere, wenn dem Finanzamt zum Zeitpunkt der Festsetzung bereits bekannt ist, dass eine Anteilsübertragung erfolgt ist, sei eine Signing-Besteuerung äußerst fraglich. Dass die Finanzverwaltung zeitnah von einer Doppelbesteuerung absehen wird, ist unwahrscheinlich.  

Daher ist bei Anteilsübertragungen in Bezug auf Grundbesitzgesellschaften eine umfassende grunderwerbsteuerliche Prüfung weiterhin unerlässlich. Eine doppelte Festsetzung lässt sich in der Regel durch vorausschauende Beratung vermeiden, indem sämtliche Tatbestände rechtzeitig gegenüber dem Finanzamt angezeigt werden.  

Sie beabsichtigen, Anteile an einer Kapitalgesellschaft zu übertragen, oder sind von einer Doppelbesteuerung mit Grunderwerbsteuer betroffen? Tim Weyers und Aleksandra Curi unterstützen Sie bei allen Fragen und Anliegen. Nehmen Sie einfach Kontakt auf.

Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch die Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern.   

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