Steuerliche Rahmenbedingungen für Sanierungserträge: § 3a EStG und § 41 MinStG im Vergleich
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6. September 2024

Steuerfreiheit von Sanierungserträgen: Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Einkommensteuergesetzes und des Mindeststeuergesetzes

Kategorien: Steuerberatung

Sanierungserträge spielen eine entscheidende Rolle, wenn Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und auf eine Sanierung angewiesen sind. Solche Erträge entstehen häufig durch den Erlass von Verbindlichkeiten im Rahmen einer Sanierung. 

Hieraus ergibt sich ein Dilemma, da ein solcher Schuldenerlass das zu versteuernde Einkommen des Unternehmens erhöht, was zu einer zusätzlichen Belastung mit Ertragsteuern führt.   

Um dieses Dilemma zu durchbrechen, hat der Gesetzgeber bereits mehrere Regelungen zur Steuerfreiheit solcher Erträge eingeführt.  

Vor diesem Hintergrund wurde § 3a EStG kodifiziert, der die Steuerbefreiung von Sanierungserträgen von der Einkommen- und Körperschaftsteuer regelt. Diese Norm soll den Zielkonflikt zwischen dem Steuerrecht und dem Insolvenzrecht entschärfen, indem sie verhindert, dass der durch den Schuldenerlass entstehende Gewinn und die daraus resultierende Steuerbelastung erneut zu finanziellen Problemen führen.  

Mit der Einführung des Mindeststeuergesetzes (MinStG) im Jahr 2023 ergab sich ein erneutes Dilemma, da generell eine Mindestbesteuerung bei Unternehmen eingeführt wurde. Diese sollte zur Vermeidung von internationalem Steuerwettbewerb dienen.  

Zur Durchbrechung dieses erneuten Dilemmas hat der Gesetzgeber eine zusätzliche Sonderregelung im Rahmen des Mindeststeuergesetzes geschaffen, die ebenfalls die Steuerfreiheit von Sanierungserträgen unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht.  

Dieser Artikel beleuchtet die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Voraussetzungen von Sanierungserträgen nach § 3a EStG einerseits und § 41 MinStG andererseits.  

Sanierungserträge: Bedeutung und gesetzliche Grundlagen 

Sanierungserträge sind insbesondere dann von Relevanz, wenn Unternehmen in die wirtschaftliche Schieflage geraten und sich aufgrund dessen einer Sanierung gegenübersehen. Die Konsequenzen sind, dass die betroffenen Unternehmen Forderungen von Dritten ganz oder teilweise nicht mehr bedienen können. Die bei den sanierungsbedürftigen Unternehmen bestehenden Verbindlichkeiten werden oft durch Schuldenerlass beseitigt, wodurch ein Ertrag entsteht, der grundsätzlich dessen zu versteuerndes Einkommen erhöht.  

Der Gesetzgeber hat bereits in der Vergangenheit vielfach Normen kodifiziert, die die entsprechende Steuerfreiheit von Sanierungserträgen regeln sollte. Zuletzt wurde im Jahr 2017 dafür § 3a EStG geschaffen, der die Befreiung von Sanierungserträgen von der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer regelt.  Die Befreiungsvorschrift soll nach der ursprünglichen Entwurfsbegründung des § 3a EStG den bestehenden Zielkonflikt zwischen dem Besteuerungsverfahren und dem Insolvenzverfahren lösen, weil die Besteuerung des Sanierungsgewinns nach erfolgtem Schuldenerlass erneut finanzielle Schwierigkeiten auslösen würde.  

Wann sind Sanierungserträge nach § 3a Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei? 

Sanierungserträge sind nach § 3a EStG steuerfrei, wenn sie aus einer Sanierung entstammen. Das Unternehmen muss dabei die folgenden Kriterien erfüllen: 

  1. Sanierungsbedürftigkeit: Ein Unternehmen ist sanierungsbedürftig, wenn es ohne Schuldenerlass langfristig nicht rentabel fortgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn nur Teile des Unternehmens betroffen sind, z. B. bei Kreditunwürdigkeit, selbst ohne Insolvenzgrund.
  2. Sanierungsfähigkeit: Ein Unternehmen gilt als sanierungsfähig, wenn es nach einer Restrukturierung wieder ertragsfähig ist. Dabei wird nur das neu strukturierte Unternehmen betrachtet, nicht das gesamte ursprüngliche Vermögen.
  3. Sanierungseignung: Der Schuldenerlass muss in Kombination mit anderen Maßnahmen dazu beitragen, die Ertragsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen. Dies wird durch finanzielle Planung oder Gutachten nachgewiesen.
  4. Betriebliche Begründetheit: Der Schuldenerlass muss betrieblich und nicht gesellschaftsrechtlich begründet sein. Ein Fremdvergleich wird angestellt, um zu prüfen, ob ein Dritter unter gleichen Bedingungen den Erlass gewährt hätte. Bei werthaltigen Forderungen kann eine teilweise steuerliche Neutralisierung erforderlich sein.
  5. Sanierungsabsicht der Gläubiger: Gläubiger müssen mit der Absicht handeln, das Unternehmen zu sanieren, nicht bloß ihre eigenen Forderungen zu sichern. Die Sanierungsabsicht ist jedoch nicht an strenge Anforderungen geknüpft. 

EU-Richtlinie 2022/2523 und Mindeststeuergesetz: Auswirkungen auf Unternehmen 

Die EU-Richtlinie 2022/2523 vom 14. Dezember 2022 hat eine globale Mindestbesteuerung von mindestens 15 % für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der EU eingeführt. Diese Regelung betrifft Unternehmen mit einem konsolidierten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro. Sollte ein multinationales Unternehmen in einem Steuerhoheitsgebiet weniger als effektiv 15 % an Steuern zahlen, wird eine zusätzliche Steuer, die sogenannte Ergänzungsteuer, erhoben. 

Das Mindeststeuergesetz (MinStG), das am 28. Dezember 2023 in Deutschland in Kraft trat, setzt diese EU-Richtlinie um. Es führt eine eigenständige Steuer neben der Einkommen- und Körperschaftsteuer ein. Die Steuer gilt unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens und ähnelt der Körperschaftsteuer, da sie auf Einkommen und Ertrag erhoben wird. 

Aus diesem Ansatz kann sich grundsätzlich ein erneutes Dilemma für Unternehmen in Krisensituationen ergeben, da in bestimmten Konstellationen der Effektivsteuersatz nicht erreicht wird.  

In diesem Zusammenhang wurden in § 41 MinStG Regelungen normiert, welche Sanierungserträge aus einem Schuldenerlass auch nach dem Mindeststeuergesetz steuerfrei sind.

Wann sind Sanierungserträge nach § 41 Mindeststeuergesetz (MinStG) steuerfrei? 

Um eine Steuerfreiheit nach § 41 MinStG festzustellen, werden in § 41 Abs. 2 Nr. 1-3 MinStG zunächst Fallgruppen ausgeführt, bei denen ein Ertrag aus einem Schuldenerlass als Sanierungsertrag qualifiziert werden kann. Die folgenden Fallgruppen werden gesetzlich definiert: 

  • Sanierungserträge bei Zahlungsunfähigkeit (§ 41 Abs. 2 Nr. 1 MinStG): Diese beziehen sich auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Dieses Kriterium wird gewählt, da es international anerkannt ist und in den meisten Insolvenzrechtsordnungen vorkommt. Die Kontrolle durch ein Gericht oder die Bestellung eines unabhängigen Insolvenzverwalters ist erforderlich, was in Deutschland standardmäßig der Fall ist.
  • Sanierungserträge bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 41 Abs. 2 Nr. 2 MinStG): Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen Schuldner voraussichtlich seine Zahlungspflichten nicht erfüllen kann. Ein Sanierungsplan, der eine einheitliche Sanierungsbemühung umfasst, ist Voraussetzung. Die drohende Zahlungsunfähigkeit muss durch eine Prognose eines unabhängigen Experten belegt werden. Es wird ein 12-monatiger Prognosezeitraum betrachtet.
  • Sanierungserträge bei Überschuldung (§ 41 Abs. 2 Nr. 3 MinStG): Überschuldung liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten den Zeitwert der Vermögenswerte übersteigen. Im Unterschied zum Insolvenzrecht wird die Fortführung des Unternehmens nicht geprüft. 

Wenn der Ertrag einer entsprechenden Fallgruppe zugeordnet werden konnte, regelt § 41 Abs. 3 MinStG anschließend, welcher Teil sich als qualifizierter Sanierungsertrag identifiziert, der sodann begünstigungsfähig ist:  

  • Bei Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit: Alle Sanierungserträge gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 1 MinStG gelten als qualifizierte Sanierungserträge (§ 41 Abs. 3 Nr. 1 MinStG). 
  • Bei drohender Zahlungsunfähigkeit: Es muss zwischen verbundenen und unverbundenen Gläubiger differenziert werden. Verbundene Gläubiger müssen Teil einer einheitlichen Sanierungsbemühung sein. Diese erfordert nicht einen gleichen Verzichtsanteil aller Gläubiger, sondern lediglich eine gemeinsame Einigung, etwa durch einen Sanierungsplan (§ 41 Abs. 3 Nr. 2 MinStG).
  • Bei Überschuldung: Alle Sanierungserträge im Zusammenhang mit Drittgläubiger sind zu berücksichtigen, jedoch bis zu einem gesetzlichen Höchstbetrag. Maßgeblich ist der geringere Betrag aus dem Überschuldungsbetrag oder dem Betrag, in dem nationale Steuerattribute, wie Verlustverrechnungspositionen, untergehen (§ 41 Abs. 3 Nr. 3 MinStG).  

Liegen die Voraussetzungen für qualifizierte Sanierungserträge vor, so können die entsprechenden Sanierungserträge auf Antrag der Geschäftseinheit vom zu ermittelnden Mindeststeuer-Gesamtgewinn nach § 41 Abs. 1 MinStG ausgenommen werden.  

Unterschiedliche Voraussetzungen für Steuerfreiheit: § 3a EStG vs. § 41 MinStG 

Beide Regelungen unterscheiden sich sowohl in ihren Tatbestandsvoraussetzungen als auch in ihrer Rechtsfolge. Sanierungserträge sind nach § 3a EStG bereits steuerfrei, wenn das Unternehmen die Tatbestandsvoraussetzungen der Sanierungsbedürftigkeit, Sanierungsfähigkeit und Sanierungseignung erfüllt sowie die betriebliche Begründetheit als auch die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweisen kann.  

Dagegen wird in § 41 MinStG nach Sanierungserträgen und qualifizierten Sanierungserträgen unterschieden. Können nach § 41 Abs. 2 MinStG Sanierungserträge angenommen werden, sind diese nicht zugleich vollständig steuerfrei. Es bedarf zunächst eines qualifizierten Sanierungsertrags nach § 41 Abs. 3 MinStG, der die Möglichkeit einer Steuerbefreiung nach dem Mindeststeuergesetz ermöglicht. Wenn ein Insolvenzverfahren aufgrund von Zahlungsunfähigkeit eröffnet ist, ist der Sanierungsertrag ohne weitere Voraussetzungen als qualifizierter Sanierungsertrag steuerfrei. Im Fall der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sind verschärfte Voraussetzungen für einen qualifizierten Sanierungsertrag zu prüfen. Bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit bedarf es nicht nur einer begründeten Prognose eines unabhängigen Experten, sondern überdies einer einheitlichen Sanierungsbemühung der verbundenen sowie nicht verbundenen Gläubiger, die sich in einem Sanierungsplan äußern kann. Im Fall der Überschuldung wird, je nachdem welcher Betrag niedriger ist, der Überschuldungsbetrag oder der Betrag der untergehenden Verlustverrechnungspositionen berücksichtigt.  

Durch die verschärften Voraussetzungen des Mindeststeuergesetzes wird verdeutlicht, dass sich die Rechtslage im Hinblick auf die Steuerfreiheit von Sanierungserträgen mit den Normen des Mindeststeuergesetzes verschärft hat. Gleichwohl wird es jedoch bei einem überschaubaren Anwendungsbereich bleiben, da der konsolidierte Jahresumsatz eines (multinationalen) Unternehmens mindestens 750 Millionen Euro betragen und die effektive Steuerbelastung weniger als 15 % betragen muss.  

Unsere Einschätzung zur Steuerfreiheit von Sanierungserträgen 

Die steuerliche Behandlung von Sanierungserträgen ist durch die Normen des § 3a EStG und § 41 MinStG umfassend geregelt. Beide Regelungen unterscheiden sich jedoch in den Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen. Insbesondere im Anwendungsbereich des Mindeststeuergesetzes stellen sich strengere Voraussetzungen gegenüber denen des Einkommensteuergesetzes heraus.  Die Verschärfung der Vorschriften durch das Mindeststeuergesetz verdeutlicht die erhöhte Komplexität und den eingeschränkten Anwendungsbereich, da die Regelungen primär auf große multinationale Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro und einer effektiven Steuerlast von unter 15 % abzielen. Die Unternehmen müssen sich daher intensiv mit den spezifischen Anforderungen auseinandersetzen, um die Steuerbefreiung für Sanierungserträge erfolgreich zu beantragen und mögliche Liquiditätsbelastungen zu vermeiden. Nichtsdestotrotz wird es lediglich zu einer begrenzten Anwendung des Mindeststeuergesetzes in der Praxis kommen, da die Steuerbelastung für Unternehmen in vielen Ländern bei über 15 % liegt und eine Anwendung damit von vornherein ausscheidet. Das Hauptaugenmerk in der Steuerfreiheit von Sanierungserträgen wird daher im Kern voraussichtlich bei der Prüfung der Regelung des Einkommensteuergesetzes liegen.  

Wenn Sie weitere Fragen zum Thema Steuerfreiheit von Sanierungserträgen haben oder Beratungsbedarf besteht, wenden Sie sich vertrauensvoll an Steuerassistent Peter Beckermann oder Steuerberater Andreas Claes 

 

Vermerk: Bitte beachten Sie, dass in diesem Dokument bei den durch Gesetze festgeschriebenen Begriffen auf das Gendern verzichtet wird, um die juristische Präzision und Klarheit zu wahren. In allen anderen Textteilen wird eine gendergerechte Sprache verwendet, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu fördern. 

Andreas Claes

Partner und Steuerberater

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