©nmann77/ AdobeStock

30. Oktober 2024

Steuerliche Behandlung von Auszahlungen bei einer Genossenschaft: Herabsetzung des Geschäftsanteilswerts

Kategorien: Steuerberatung

Die steuerliche Behandlung von Auszahlungen an Genossenschaftsmitglieder, die aufgrund der Herabsetzung des Geschäftsanteilswerts erfolgen, unterliegen der Körperschaftsteuerpflicht. 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 8. Mai 2024 (Az. I R 37/21) klargestellt, dass solche Auszahlungen nach der Reduzierung des Anteilswerts einer Genossenschaft gemäß § 38 Abs. 1 und Abs. 2 KStG körperschaftsteuerpflichtig sind. Eine steuerliche Ausnahme, wie sie beispielsweise bei der Rückzahlung von Nennkapital besteht, greift in diesem Fall nicht. 

Sachverhalt des Streitfalls

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine steuerbefreite Genossenschaft, die Milchprodukte vermarktet. Die Genossenschaftsmitglieder, hauptsächlich Landwirt:innen, besitzen Anteile, deren Anzahl regelmäßig auf Basis der gelieferten Milchmenge angepasst wird. Auf Antrag wurde die Körperschaftsteuer für die Genossenschaft ausschüttungsunabhängig nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG festgesetzt. 

Im Jahr 2017 beschloss die Genossenschaft, den Wert der Anteile von 75 € auf 1 € zu senken. Dies wurde auch ins Genossenschaftsregister eingetragen. Die entsprechenden Auszahlungsbeträge wurden zunächst als Verbindlichkeiten gegenüber den Mitgliedern verbucht und im März 2018, nach Ablauf der Sperrfrist, ausgezahlt. 

Das zuständige Finanzamt (FA) betrachtete diese Auszahlungen als steuerpflichtige Leistungen im Sinne von § 38 Abs. 1 und 2 KStG und setzte eine Erhöhung der Körperschaftsteuer fest. Während das Finanzgericht (FG) der Klage der Genossenschaft stattgab, hob der BFH das Urteil in der Revision auf und bestätigte die Auffassung des Finanzamts. 

Ausschüttungsunabhängige Körperschaftsteuer nach § 38 KSt

§ 38 KStG wurde i.Z.m. mit der Umstellung vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren bei der Besteuerung von Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften eingeführt. Maßgeblich ist hier der positive Bestand des sogenannten „Eigenkapitaltopfs“ (EK 02), der steuerfreie Erträge aus der Vergangenheit enthält. Wird dieser Eigenkapitaltopf verringert, führt dies gemäß § 38 KStG zur Steuerpflicht. Konkret sieht § 38 Abs. 2 Satz 1 KStG vor, dass die Körperschaftsteuer um 3/7 der Leistungen erhöht wird, durch die sich das EK 02 reduziert. 

Eine Körperschaftsteuererhöhung erfolgt, wenn die ausgeschütteten Leistungen die Differenz zwischen ausschüttbarem Gewinn und Steuererhöhungsbetrag übersteigen. Rückzahlungen von Nennkapital an ausgeschiedene Genossenschaftsmitglieder sind von dieser Regelung ausgenommen. 

Auswirkung des BFH-Urteils auf den Streitfall 

Der BFH stellte klar, dass unter dem Begriff der „Leistung“ im Sinne von § 38 Abs. 1 und 2 KStG alle Auszahlungen fallen, die im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsverhältnis stehen. Dazu zählen auch Zahlungen, die aufgrund der Herabsetzung des Anteilswerts an Genossenschaftsmitglieder erfolgen. 

Nach der Rechtsauffassung des BFH wollte der Gesetzgeber auch Rückzahlungen von Nennkapital und Einlagenrückgewähr als steuerpflichtig behandeln. Ausdrücklich ausgenommen ist nur der Fall, wenn ein Mitglied aus der Genossenschaft austritt und sein Geschäftsguthaben zurückerhält (§ 38 Abs. 1 Satz 6 KStG). Da im vorliegenden Fall kein Austritt der Mitglieder erfolgte, sind die Auszahlungen aufgrund der Anteilsherabsetzung körperschaftsteuerpflichtig. 

Unsere Einschätzung

Das BFH-Urteil verdeutlicht, der Gesetzgeber sämtliche Rückzahlungen an Gesellschafterinnen und Gesellschafter, unabhängig von der Rechtsform, der Körperschaftsteuer unterwerfen wollte. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift, also eine Einschränkung des Gesetzeszwecks, ist nicht vorgesehen. Für Genossenschaften bedeutet dies, dass auch Rückzahlungen aufgrund einer Reduzierung des Geschäftsanteilswerts steuerpflichtig sind, sofern keine Ausnahmeregelungen greifen. Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an unsere Steuerberater Wilhelm Kollenbroich oder Christian Kappelmann.

Kontaktformular

Expert:innen zu diesem Thema

Keine passenden Personen gefunden.

Das könnte Sie auch interessieren

  • In einem Urteil vom 19.09.2024 setzte sich das Bundesarbeitsgericht mit den Grenzen des Entschädigungsanspruchs nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auseinander. Der Fall eines sogenannten “AGG-Hoppers”, der das Gesetz als Geschäftsmodell nutzen wollte, verdeutlicht, wann eine Entschädigung ausgeschlossen ist.   [...]

    Marcus Büscher

    17. Okt. 2024

  • Der BFH hat mit Urteil vom 27.11.2024 entschieden: Forderungsverluste bei mittelbarer Beteiligung unter 25 % bleiben nach § 8b Abs. 3 S. 4 KStG steuerlich abziehbar. Dabei geht es um die Frage, ob bei der Darlehensvergabe durch eine vermögensverwaltende, zwischengeschaltete Kommanditgesellschaft [...]

    Raphael Niederstraßer

    23. Juli 2025

  • Ertragsteuerliche Organschaft: Grundlagen, Chancen und Herausforderungen für Unternehmen 

    Wer mehrere Kapitalgesellschaften im Verbund führt, sollte die körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organschaft kennen. Dieses steuerliche Gestaltungsinstrument ermöglicht es, Gewinne und Verluste innerhalb einer Unternehmensgruppe zu verrechnen und damit den Konzern steuerlich optimal zu gestalten. Was zunächst technisch klingt, kann für [...]

    Tim Weyers

    25. Aug. 2025