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26. November 2024

Steuerliche Fallstricke und Optimierungsmöglichkeiten bei der Übertragung verpachteter Gewerbebetriebe

Kategorien: Steuerberatung

Inhaltsverzeichnis

Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. August 2024 (Az.: IV R 1/20) hat den steuerlichen Rahmen für die unentgeltliche Übertragung von verpachteten Gewerbebetrieben neu definiert. Im Zentrum stehen dabei die Regelungen zum Vorbehalt des Nießbrauchs und die Zahlung von Versorgungsleistungen. Bei der unentgeltlichen Übertragung verpachteter Gewerbebetriebe ergeben sich komplexe steuerliche Fallstricke, die das Urteil des BFH verdeutlicht. 

Hintergrund und Bedeutung des BFH-Urteils zur unentgeltlichen Übertragung von Gewerbebetrieben 

Das BFH-Urteil betrifft den Fall einer unentgeltlichen Übertragung eines Grundstücks in Form eines verpachteten Hotelbetriebs. Die Kinder hatten im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge das verpachtete Grundstück von ihrem Vater als Eigentümer zu je 50 Prozent Miteigentumsanteil unentgeltlich unter Vorbehalt eines Nießbrauchs zugunsten des übertragenden Vaters übernommen. Später verzichtete der Vater auf das Nießbrauchsrecht und erhielt stattdessen eine monatlich zu zahlende Rente. Dieses Urteil betrifft nicht nur gewerblich verpachtete Betriebe, sondern hat auch Auswirkungen auf andere Arten von Immobilien oder Grundstücken, die unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen werden. Der BFH musste hier insbesondere über die Frage entscheiden, bei welcher vertraglichen Ausgestaltung die unentgeltliche Betriebsübertragung mit der Folge der Buchwertfortführung angenommen werden kann.  

Eine besondere Herausforderung bei der Übertragung verpachteter Betriebe entsteht, wenn Mitunternehmeranteile betroffen sind. In solchen Fällen gelten spezielle Regelungen hinsichtlich der steuerlichen Behandlung, da bei der Übertragung von Mitunternehmeranteilen nicht nur die Übernahme des Betriebs, sondern auch die steuerliche Bewertung von Bedeutung ist. Das Urteil des BFH schafft hier Klarheit hinsichtlich der Voraussetzungen für eine unentgeltliche Übertragung bei Nießbrauchgestaltungen. 

Vorbehaltsnießbrauch: Steuerliche Behandlung bei unentgeltlicher Übertragung

Der vierte Senat entschied, dass eine unentgeltliche Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs unter Vorbehaltsnießbrauch weder zu einer Buchwertfortführung des Gewerbebetriebs bei den Übernehmer:innen führt, noch als steuerbegünstigte Betriebsaufgabe für den/die Übertragenden anzusehen ist. Der Gewinn aus der Übertragung des Hotelbetriebs hätte nur auf Grundlage der fortgeführten Buchwerte berechnet werden dürfen, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) – entspricht dem heutigen § 6 Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz EStG – erfüllt gewesen wären. Die Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehaltsnießbrauch führt dazu, dass die Wirtschaftsgüter nicht automatisch zum Betriebsvermögen der Erwerberin oder des Erwerbers gehören und stattdessen als Privatvermögen behandelt werden. Dabei wird die Übertragung nur dann als unentgeltlich anerkannt, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen einheitlich übertragen werden und der/die Veräußerer:in seine/ihre gewerbliche Tätigkeit aufgibt. Wenn ein verpachteter Betrieb unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen wird, überführt der/die Übertragende die Wirtschaftsgüter jedoch in sein/ihr Privatvermögen. Dadurch ist keine Übertragung unter Fortführung der Buchwerte möglich. Der/die Vorbehaltsnießbrauchende betreibt mangels tatsächlicher Einstellung die Verpachtung weiterhin selbst und erzielt gewerbliche Einkünfte. Infolgedessen müssten die stillen Reserven im Vermögen des verpachteten Betriebs durch die Privatentnahme aufgedeckt und versteuert werden.  

Erlischt der Nießbrauchsvorbehalt, z. B. durch Tod des/der Vorbehaltsnießbrauchenden, geht der bestehende gewerbliche Verpachtungsbetrieb nach § 7 Abs. 1 EStDV bzw. § 6 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) auf die Erbenden über. Zwar ist der/die Erwerber:in zu diesem Zeitpunkt bereits Eigentümer:in des Betriebs. Aufgrund des Vorbehaltsnießbrauchs befinden sich die Wirtschaftsgüter jedoch im steuerlichen Privatvermögen des/der Erwerbers/Erwerberin. Sie werden zum Zeitpunkt des Todes auf der Seite des/der Erwerbers/Erwerberin zum notwendigen Betriebsvermögen. Der/die Erwerber:in setzt die Wirtschaftsgüter ab diesem Zeitpunkt zur Durchführung der gewerblichen Verpachtungstätigkeit ein und legt sie damit mit dem sogenannten Teilwert (entspricht dem Verkehrswert) nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in das Betriebsvermögen ein. Hieraus entstehen keine unmittelbaren steuerlichen Konsequenzen. Gegebenenfalls entsteht bei den eingelegten Wirtschaftsgütern dann zukünftiges Abschreibungspotential, sodass die Steuerlast des Betriebes durch künftige Abschreibungen gemindert wird.  

Steuerliche Behandlung bei Vermögensübergabe gegen private Versorgungsleistungen 

Das Urteil zeigt auf, dass bei verpachteten Betrieben eine Übertragung gegen private Versorgungsleistungen steuerliche Vorteile gegenüber einem Vorbehaltsnießbrauch bieten kann.  Im Fall des Vorliegens von privaten Versorgungsleistungen ist von einer unentgeltlichen Übertragung im Sinne des § 7 Abs. 1 EStDV (alte Fassung) bzw. § 6 Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) (neue Fassung) auszugehen. Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen sind keine stillen Reserven aufzudecken und zu versteuern. Daher ist die vertragliche Ausgestaltung bei dieser Variante steuerlich günstiger.

Praktische Konsequenzen 

Für Unternehmer:innen, die eine ähnliche Übertragung planen, betont das Urteil die Bedeutung einer sorgfältigen Vertragsausgestaltung. Ohne die Einhaltung der steuerlichen Anforderungen droht eine Aufdeckung stiller Reserven, was zu erheblichen Steuerlasten führen kann. Es wird auch deutlich, dass Fehler in der Dokumentation oder Missverständnisse über die steuerliche Einordnung der Vermögensübertragung langwierige und kostspielige Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen können. 

In vielen Fällen kann die Übertragung von verpachteten Gewerbebetrieben im Rahmen einer Schenkung erfolgen. Eine Schenkung kann steuerlich begünstigt sein, erfordert jedoch eine präzise steuerliche Planung, insbesondere, wenn ein Vorbehaltsnießbrauch oder andere Nutzungsrechte berücksichtigt werden müssen. Die steuerliche Behandlung unterscheidet sich hier deutlich von einer unentgeltlichen Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt. 

Unsere Einschätzung zur unentgeltlichen Übertragung verpachteter Gewerbebetriebe 

Das BFH-Urteil hat den steuerlichen Umgang mit verpachteten Gewerbebetrieben bei Nießbrauchskonstellationen und Versorgungsleistungen präzisiert. Es zeigt, dass steuerliche Begünstigungen nur dann greifen, wenn alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind, und verdeutlicht die Risiken bei unzureichender Vertragsausgestaltung. Steuerpflichtige sollten daher die Details ihrer Übertragungen sorgfältig prüfen und sich frühzeitig steuerlich beraten lassen, um Nachteile zu vermeiden und steuerliche Chancen optimal zu nutzen.  

Haben Sie Fragen zur unentgeltlichen Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs, zum Vorbehaltsnießbrauch oder Nießbrauchsrecht? Wenden Sie sich gerne an unsere Steuerberater Julian Heesemann und Akram Juja. Sie freuen sich auf Ihre Anfrage.

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