
19. Mai 2025
Unwirksamkeit des ausschließlichen Gerichtsstands im internationalen Transportgewerbe
Das internationale Transportgewerbe unterliegt komplexen rechtlichen Vorgaben, insbesondere im Hinblick auf die Festlegung des Gerichtsstandes. Mit seinem Urteil vom 21. Dezember 2023 (Az.: 18 U 127/23) hat das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) klargestellt, dass ausschließliche Gerichtsstandsklauseln im Transportvertrag unwirksam sein können, sofern sie gegen die Vorgaben des Art. 31 Abs. 1 S. 1 CMR (Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr) verstoßen.
Hintergrund des Falles
In dem vom OLG Hamm zugrundeliegenden Fall beauftragte ein in Deutschland ansässiger Spediteur ein polnisches Transportunternehmen mit der Durchführung eines Transportes von Belgien nach Polen. Während des Transportes wurde das Transportgut durch einen Brand vollständig zerstört.
Der Spediteur erhob daraufhin Klage vor dem Landgericht Arnsberg und berief sich auf eine vertraglich vereinbarte Gerichtsstandsklausel, die ausschließlich „Arnsberg” als zuständigen Gerichtsstand festlegte.
Das OLG Hamm wies die Klage als unzulässig ab, mit der Begründung, dass die Klausel gegen Artikel 31 Abs. 1 CMR verstieß. Nach dieser Vorschrift wären die Gerichte in Polen oder Belgien international zuständig gewesen.
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Rechtsgrundlagen und die zentrale Problematik
Die Parteien vereinbarten für den Transport die Anwendung deutschen Rechts. Da sowohl der Absende- als auch der Empfangsort in einem Vertragsstaat des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) liegen, war die CMR als Bestandteil des deutschen Rechts maßgeblich.
Zusätzlich vereinbarten die Parteien die Anwendung der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen 2017 (ADSp 2017), die in Ziffer 30.0 alternative Gerichtsstände zulassen. Gemäß Ziffer 30.3 ADSp 2017 bestimmt sich der Gerichtsstand für Streitigkeiten aus dem Verkehrsvertrag entweder nach dem Sitz des Auftraggebers oder nach dem Standort derjenigen Niederlassung des Spediteurs, an welche der Auftrag oder die Anfrage gerichtet wurde. Diese Regelung ist insoweit von Bedeutung, als sie im Falle der Anwendbarkeit von Art. 31 CMR als ergänzende Gerichtsstandsvereinbarung gilt.
Die internationale gerichtliche Zuständigkeit wird durch Art. 31 Abs. 1 CMR normiert und unterliegt dem zwingenden Recht. Danach dürfen vertragliche Gerichtsstandsvereinbarungen lediglich ergänzend getroffen werden, sofern sie keinen der gesetzlich vorgesehenen Gerichtsstände ausschließen.
Die streitgegenständliche Gerichtsstandsklausel erwies sich daher als unwirksam, da sie ausschließlich den Sitz des Klägers als Gerichtsstand bestimmte und somit sämtliche andere nach Art. 31 Abs. 1 CMR vorgesehene Gerichtsstände ausschloss. Dies widersprach der zwingenden Natur der Vorschrift, die gemäß Art. 41 Abs. 1 CMR nicht durch Parteivereinbarung abbedungen werden kann. Nach deutschem Recht gehen Zweifel an der Wirksamkeit einer ausschließlichen Gerichtsstandsklausel zulasten des Verwenders, was hier eine Unwirksamkeit der Klausel zur Folge hatte.
Bedeutung des Urteils für Unternehmen im internationalen Transportgewerbe
Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Unternehmen im internationalen Transportsektor. Insbesondere gilt:
- Ausschließliche Gerichtsstandsklauseln sind nicht zulässig, wenn sie die in der CMR vorgesehenen alternativen Gerichtsstände ausschließen.
- Im Anwendungsbereich der CMR dürfen Gerichtsstandsvereinbarungen nur ergänzend getroffen werden und müssen die zwingenden Regelungen des Art. 31 CMR berücksichtigen.
Konsequenzen für Verträge mit ausschließlichem deutschem Gerichtsstand
Unternehmen, die bestehende Transportverträge mit einer ausschließlichen Gerichtsstandsklausel zugunsten eines deutschen Gerichts haben, sollten diese dringend prüfen und gegebenenfalls anpassen. Andernfalls besteht das Risiko, dass Gerichte außerhalb Deutschlands die Zuständigkeit ablehnen und Klagen als unzulässig abgewiesen werden.
Das Urteil des OLG Hamm verdeutlicht, dass Vertragsparteien im internationalen Transportwesen bei der Gestaltung von Gerichtsstandsklauseln sorgfältig vorgehen müssen.
Es gilt Folgendes:
- Zusätzlich statt ausschließlich: Gerichtsstandsvereinbarungen dürfen nur ergänzend getroffen werden. Ein Ausschluss der gesetzlich vorgesehenen Gerichtsstände gemäß der CMR ist unzulässig.
- Beachtung zwingender Vorgaben der CMR: Art. 31 Abs. 1 Satz 1 CMR legt die international zwingende Zuständigkeit fest, die weder durch nationale Regelungen wie die EuGVVO noch durch individuelle Vereinbarungen umgangen werden darf.
- AGB-Konformität prüfen: Die Formulierung von Gerichtsstandsklauseln muss mit deutschem AGB-Recht in Einklang stehen, insbesondere im Hinblick auf Transparenz und Verständlichkeit.
Unsere Einschätzung
Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm verdeutlicht, dass ausschließliche Gerichtsstandsklauseln in Transportverträgen unwirksam sind, wenn sie die in Art. 31 CMR vorgesehenen Gerichtsstände ausschließen. Unternehmen im internationalen Transportgewerbe müssen daher sicherstellen, dass ihre Gerichtsstandsklauseln die zwingenden internationalen Vorgaben der CMR berücksichtigen und keine der vorgesehenen Zuständigkeiten ausschließen.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass bestehende Verträge regelmäßig auf die Wirksamkeit ihrer Gerichtsstandsklauseln überprüft und gegebenenfalls angepasst werden sollten, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Besonders im internationalen Kontext ist es ratsam, bei Unsicherheiten rechtlichen Rat einzuholen.
Bei Fragen zur Gestaltung von Gerichtsstandsklauseln im internationalen Transport steht Ihnen unsere Expertin Paola Koudela jederzeit gerne zur Seite und unterstützt Sie bei der Prüfung und Anpassung Ihrer Verträge.