
6. Juni 2025
Verzinsung bei Rückerstattung der Kapitalertragsteuer – BFH Urteil sorgt endlich für Klarheit
Inhaltsverzeichnis
- Was für eine Steuerart ist die Kapitalertragssteuer und unter welchen Voraussetzungen wird sie zurückerstattet?
- Warum musste das BZSt die zunächst verweigerte Rückerstattung auszahlen?
- Unionsrechtswidrige Steuerpraxis: Warum der BFH den Anspruch der Klägerin auf Verzinsung bestätigt
- Auf welchem Recht basieren etwaige Zinsansprüche?
- Altfälle und offene Verfahren: Welche Folgen hat das BFH-Urteil in der Praxis?
- Nach dem BFH-Urteil: Besteht steuerlicher Handlungsbedarf und welche Chancen ergeben sich?
- Sie möchten prüfen, ob ein Zinsanspruch in Ihrem Fall besteht? Unsere Einschätzung
Bei der Rückerstattung von Kapitalertragsteuer standen ausländische Anteilseigner:innen deutscher Kapitalgesellschaften lange vor einer Rechtsunsicherheit: Muss das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) neben der Steuererstattung auch Zinsen zahlen, wenn die Einbehaltung auf einer unionsrechtswidrigen Regelung beruht?
Mit Urteil vom 25. Februar 2025 (Az.: VIII R 32/21) bringt der Bundesfinanzhof (BFH) Licht ins Dunkel. Für viele Unternehmen – insbesondere Holdinggesellschaften und institutionelle Investor:innen mit Sitz im EU-Ausland – kann diese Entscheidung große finanzielle Vorteile bedeuten.
Was für eine Steuerart ist die Kapitalertragssteuer und unter welchen Voraussetzungen wird sie zurückerstattet?
Die Kapitalertragsteuer ist eine sogenannte Abzugsteuer, die in Deutschland typischerweise auf Dividendenzahlungen anfällt. In grenzüberschreitenden Fällen – etwa bei Beteiligung ausländischer Gesellschaften an deutschen Kapitalgesellschaften – kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Freistellung oder Rückerstattung erfolgen, z. B. nach § 43b Einkommensteuergesetz (EStG) oder auf Basis von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).
Die Praxis zeigt jedoch: In der Vergangenheit verweigerte das BZSt die Erstattung häufig unter Verweis auf § 50d Abs. 3 EStG a. F., der einen Gestaltungsmissbrauch verhindern sollte – oftmals ohne ausreichenden Nachweis konkreten Missbrauchs. Eine missbräuchliche Gestaltung ist nach dem EUGH nämlich nur anzunehmen, wenn das Ziel einer Gestaltung die Verhinderung von Verhaltensweisen ist, die künstlich und allein mit dem Zweck errichtet wurden, Steuervorteile zu erlangen.
Der Streitfall vor dem BFH: Zinsforderung einer österreichischen Kapitalgesellschaft
Warum musste das BZSt die zunächst verweigerte Rückerstattung auszahlen?
Im entschiedenen Fall war eine österreichische Kapitalgesellschaft an einer deutschen AG beteiligt und beantragte beim BZSt die Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer. Das BZSt lehnte ab – mit dem Vorwurf einer missbräuchlichen Gestaltung (§ 50d Abs. 3 EStG a. F.).
Erst nach Klarstellung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 20.12.2017 – C-504/16 und C-613/16), dass die Regelung gegen EU-Recht verstößt, erfolgte die Rückzahlung. Die Klägerin verlangte nun auch Zinsen auf die lange einbehaltene Steuer – was das BZSt wiederum verweigerte. Nach erfolgloser Einspruchs- und Klagephase landete der Fall vor dem BFH – und endete mit einem Paukenschlag.
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Unionsrechtswidrige Steuerpraxis: Warum der BFH den Anspruch der Klägerin auf Verzinsung bestätigt
Der BFH stellte klar: Wird eine Steuer unionsrechtswidrig einbehalten, besteht nicht nur ein Rückzahlungsanspruch, sondern auch ein Anspruch auf Verzinsung.
Wesentliche Eckpunkte des Urteils:
- Voraussetzung: Keine missbräuchliche Gestaltung erkennbar
- Zinsbeginn: Drei Monate nach ordnungsgemäßem Erstattungsantrag
- Zinsende: Zeitpunkt der tatsächlichen Auszahlung
- Zinssatz: 6 % jährlich, tagesgenau berechnet
- Sonderregelung: Bei zu Unrecht widerrufener Freistellungsbescheinigung beginnt der Zinslauf bereits mit Steuerabzug
Auf welchem Recht basieren etwaige Zinsansprüche?
Besonders wichtig: Die Zinsen resultieren nicht aus der nationalen Abgabenordnung (§ 233a AO), sondern unmittelbar aus dem Primärrecht der EU, welches die effektive Rückzahlung unrechtmäßig erhobener Abgaben einschließlich Verzinsung verlangt.
Altfälle und offene Verfahren: Welche Folgen hat das BFH-Urteil in der Praxis?
Das Urteil betrifft zunächst Fälle nach alter Rechtslage (§ 50d Abs. 3 EStG a. F.), die zwischen 2007 und 2017 besonders häufig strittig waren. Für betroffene Unternehmen mit bereits erfolgter Rückerstattung eröffnet sich nun die Möglichkeit, nachträglich Zinsen geltend zu machen.
Auch wenn § 50d Abs. 3 EStG inzwischen überarbeitet wurde, ist unklar, ob die neuen Regelungen dem Unionsrecht genügen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass ähnliche Konstellationen auch in Zukunft erneut vor dem EuGH landen – was eine entsprechende Verzinsungspflicht auch für neuere Fälle begründen könnte.
Nach dem BFH-Urteil: Besteht steuerlicher Handlungsbedarf und welche Chancen ergeben sich?
Aus steuerlicher Sicht ist das BFH-Urteil ein wegweisender Schritt zugunsten der Steuerpflichtigen:
- Rückwirkende Zinsforderungen prüfen: Unternehmen, die in der Vergangenheit Kapitalertragsteuer auf Dividenden aus Deutschland zurückerhalten haben, sollten prüfen lassen, ob die Voraussetzungen für einen Zinsanspruch erfüllt sind.
- Fristen und Verfahren einhalten: Auch wenn es sich um einen Anspruch aus Unionsrecht handelt, sollte die Antragstellung sorgfältig dokumentiert und ggf. rechtlich begleitet werden – insbesondere, wenn die Rückzahlung länger zurückliegt.
- Zukunftssicherheit schaffen: Unternehmen mit laufenden Quellensteuer-Erstattungsprozessen sollten sich frühzeitig beraten lassen, wie sie potenzielle Zinsansprüche strategisch sichern können.
Insgesamt stärkt die Entscheidung des BFH die Position von ausländischen Investor:innen und Holdinggesellschaften gegenüber der deutschen Finanzverwaltung. Der zusätzliche Zinsanspruch sorgt für eine faire Kompensation von Liquiditätsverlusten, die durch unionsrechtswidrige Verwaltungspraxis entstanden sind.
Sie möchten prüfen, ob ein Zinsanspruch in Ihrem Fall besteht? Unsere Einschätzung
Wir unterstützen Sie bei der Analyse und Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegenüber dem BZSt – rechtlich fundiert und mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung. Wenden Sie sich bei Fragen an unseren Steuerberater Christian Kappelmann.