Welche Steuern zahlen selbständige Physiotherapeut:innen?
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13. Oktober 2023

Welche Steuern zahlen selbständige Physiotherapeut:innen?

Je genauer man hinschaut, desto komplexer werden die steuerlichen und organisatorischen Aufgaben in der Heilmittelbranche. Freiberufliche Physiotherapeut:innen müssen sich um Verordnungs-, Rechnungs- und Patientenverwaltung ebenso kümmern wie um steuerliche und buchhalterische Aufgaben. Hier finden Sie wissenswertes zu den Steuerarten.

Zahlen selbstständige Physiotherapeut:innen Einkommensteuer?

Wer seine Praxis als Einzelpraxis führt, erwirtschaftet Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit und die sind gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz EStG einkommensteuerpflichtig. Selbstständige müssen jährlich eine Einkommensteuererklärung beim Finanzamt einreichen. Dazu wird eine Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) erstellt, in der die Praxisgewinne und mögliche weitere Einkünfte erfasst werden. Normalerweise werden vierteljährliche Vorauszahlungen an das Finanzamt geleistet.

Basis dafür ist die voraussichtlich zu entrichtende Einkommensteuer. Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer fallen ggf. zusätzlich an.

Muss eine Physiotherapie-Praxis Umsatzsteuer zahlen?  

Umsätze, die Therapeut:innen generieren, gelten als Heilbehandlung und die sind laut § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UstG) umsatzsteuerbefreit.

Voraussetzung für die Umsatzsteuerbefreiung in der Physiotherapie ist eine ärztliche Verordnung. Ohne diesen Nachweis unterliegt die Behandlung der Umsatzsteuer.

Wellness-Anwendungen wie Massagen oder Gerätetraining unterliegen immer der Umsatzsteuer. Physiotherapeut:innen, die umsatzsteuerpflichtige Behandlungen anbieten, sollten wissen:

Einige Behandlungen unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent. Er gilt für Behandlungen mit bestimmten Heilzwecken, die grundsätzlich verordnungsfähig sind, bei denen die Verordnung aber fehlt. Fango-Packungen sind ein häufiges Beispiel dafür.

Der Regelsteuersatz von 19 Prozent gilt für gesundheitsfördernde Behandlungen, zum Beispiel für Massagen, Fitnesstraining oder Tape-Anlage. 

Umsatzsteuerbefreiung in der Physiotherapie

Therapeut:innen können bei umsatzsteuerpflichtigen Behandlungen auf die Ausweisung der Umsatzsteuer verzichten. Basis dafür ist die Kleinunternehmerregelung nach §19 Umsatzsteuergesetz (UStG).

Dafür gibt es zwei Bedingungen: Unter die Kleinunternehmerregelung fällt,

  •   dessen Umsätze aus umsatzsteuerpflichtigen Behandlungen im vorherigen Kalenderjahr einen Nettowert von 22.000 Euro nicht überschritten
  •   und im aktuellen Kalenderjahr 50.000 Euro netto voraussichtlich nicht übersteigen werden.

Wer diese Bedingungen erfüllt, muss keine Umsatzsteuer auf eigentlich umsatzsteuerpflichtige Umsätze erheben. 

Müssen selbstständige Physiotherapeut:innen Gewerbesteuer zahlen?

Als Freiberufler:innen unterliegen Therapeut:innen nicht der Gewerbesteuer. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Wer neben der Praxistätigkeit noch eine nicht therapeutische Nebentätigkeit ausübt, wird in den Augen des Fiskus zusätzlich gewerblich tätig. Das kann beispielsweise der Verkauf von Tapes oder Büchern sein. Wer das tut, muss bei der zuständigen Gemeinde ein Gewerbe anmelden. Der erzielte Gewinn aus der zusätzlichen Tätigkeit unterliegt sowohl der Gewerbesteuer als auch der Einkommensteuer.

Allerdings gibt es für gewerbliche Nebentätigkeiten einen Freibetrag von 24.500 Euro netto pro Jahr. Unterhalb des Freibetrags fällt keine Gewerbesteuer an. Wird Gewerbesteuer fällig, wird sie im Rahmen einer Steuerermäßigung auf die private Einkommensteuer angerechnet. Die Einkommensteuer mindert sich dann.

Heilberufe: Gewerbliche Nebentätigkeit im Rahmen einer Einzelpraxis

Wird die gewerbliche Nebentätigkeit im Rahmen einer Einzelpraxis ausgeübt, erzielen Therapeut:innen sowohl Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) als auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG). Die EInkünfte werden dann aufgesplittet.  

Wird die gewerbliche Nebentätigkeit im Rahmen einer Personengesellschaft (GbR) betrieben, ist Vorsicht geboten. Unter Umständen wird dann die grundsätzlich freiberufliche Gesellschaft gewerblich infiziert. Steuerlich heißt es dann, dass die Gesellschaft mit den Praxisleistungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Das ist die sogenannte gewerbliche Infizierung, die auf § 15 Abs.3 Nr.1 Einkommensteuergesetz (EStG) zurückgeht.

Der einfachste Weg eine gewerbliche Umqualifizierung bei Personengesellschaften zu umgehen, ist die Unterschreitung von Bagatellgrenzen:

  •   Nettoerlöse aus der gewerblichen Nebentätigkeit betragen weniger als 3 Prozent der Gesamterlöse der Gesellschaft
  •   und die Nettoerlöse aus der gewerblichen Nebentätigkeit liegen unterhalb von 24.500 Euro netto.

Unsere Einschätzung

Die Abgrenzung zwischen umsatzsteuerpflichtigen und -freien Umsätzen ist für Steuerlaien nicht immer plausibel. Ebenso tricky sind die gewerbesteuerlichen Details bei Einkünften zusätzlich zur therapeutischen Tätigkeit. Vieles ist möglich, es ist auch Einiges machbar, wenn Sie Ihre angebotenen Behandlungsleistungen sorgfältig mit Steuer-Expert:innen prüfen und dann die notwendigen Schritte einleiten. Eine gute Vorbereitung ist immer günstiger und besser. Wir stehen Ihnen mit Rat und Tat gerne zur Seite.

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit thevea entstanden. Ihre Plattform für Praxisverwaltung und digitale Abrechnungen.

Stefanie Anders

Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin Gesundheitswesen (IBG/ HS Bremerhaven), Fachberaterin für Controlling und Finanzwirtschaft (DStV e.V.)

Expert:innen zu diesem Thema

Stefanie Anders

Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin Gesundheitswesen (IBG/ HS Bremerhaven), Fachberaterin für Controlling und Finanzwirtschaft (DStV e.V.)

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