
16. September 2025
Genussrechte & § 19a EStG – flexible Mitarbeiterbeteiligung
Inhaltsverzeichnis
- Genussrechte erklärt: Beteiligung ohne Gesellschafterrecht
- Wie lassen sich Genussrechte praktisch gestalten? Vesting, Rückzahlung, Rangordnung
- Welche steuerlichen Voraussetzungen müssen erfüllt bei Genussrechten und § 19a EStG erfüllt sein?
- Wie funktioniert die Steuerstundung nach § 19a EStG?
- Genussrechte gestalten: Spielräume nutzen, steuerliche Grenzen beachten
- Wertermittlung bei Genussrechten – Methoden und Praxis
- Welche Risiken und Fallstricke sollten Unternehmen bei Genussrechten beachten?
- Warum Genussrechte gegenüber ESOP/VSOP oft praktikabler sind
- Unsere Einschätzung: Steuerstundung nach § 19a EStG – so nutzen Unternehmen Genussrechte optimal
- Kontaktformular
Genussrechte bieten jungen und etablierten Unternehmen eine flexible Möglichkeit zur Mitarbeiterbeteiligung. Richtig ausgestaltet, können sie unter den Voraussetzungen des § 19a EStG eine lohnsteuerliche Steuerstundung ermöglichen. So kann die Steuerbelastung für Mitarbeitende bis zur Realisierung des wirtschaftlichen Vorteils aufgeschoben werden. Dieser Beitrag erklärt praxisnah die steuerlichen Kernanforderungen, vertragliche Gestaltungsspielräume, welche Bewertungsfragen bestehen und wie Lohnsteueranrufungsauskünfte helfen.
Genussrechte erklärt: Beteiligung ohne Gesellschafterrecht
Genussrechte sind schuldrechtliche Vereinbarungen, durch die Inhaber:innen an Gewinnen, Liquidationserlösen oder anderen wirtschaftlichen Erfolgen des Unternehmens partizipieren, ohne notwendigerweise Gesellschafterrechte wie Stimmrechte zu erhalten. Im Vergleich zu klassischen Aktien bzw. Anteilen am Unternehmen bieten Genussrechte größere vertragliche Freiheit: Gewinnbeteiligung, Rückzahlungsmodalitäten, Vesting, Nachschusspflichten oder Nachrangsregelungen lassen sich flexibel vereinbaren. Gegenüber VSOP/ESOP sind Genussrechte näher an einem echten Anteil am Unternehmen und können auch als handelbarer Genussschein ausgestaltet werden.
Wie lassen sich Genussrechte praktisch gestalten? Vesting, Rückzahlung, Rangordnung
Typische Elemente einer Genussrechts-Struktur für Mitarbeitende sind:
- Zuteilung mit Vesting (z. B. vier Jahre mit Cliff): Schutz vor vorzeitigem Austritt, steuerlich relevante Entstehung des geldwerten Vorteils.
- Gewinn- und Liquidationsbeteiligung: pro rata oder mit Liquidationspräferenzen ausgestaltet
- Rang und Rückzahlung: häufig nachrangig gegenüber Fremdkapital; Rückzahlung erst bei Exit.
- Übertragungsbeschränkungen: Zustimmungspflichten, Vorkaufsrechte oder Buy‑Back‑Mechanismen.
- Ausschluss von Stimmrechten oder eingeschränkte Mitbestimmung, um unternehmerische Kontrolle zu wahren.
Wichtig: Die vertragliche Freiheit ist groß, jedoch entscheidet die konkrete vertragliche Ausgestaltung über die steuerliche Einordnung als „Vermögensbeteiligung“ i.S.d. § 19a EStG.
Welche steuerlichen Voraussetzungen müssen erfüllt bei Genussrechten und § 19a EStG erfüllt sein?
19a EStG zielt darauf ab, die unmittelbare Lohnbesteuerung von Beteiligungszuwendungen zu mildern bzw. auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Entscheidend sind dabei mehrere Punkte:
- Einordnung als Vermögensbeteiligung: Die Zuwendung muss wirtschaftlich als Beteiligung an den Erträgen und/oder am Substanzwert verstanden werden. Die Ausgestaltung von Genussrechten (Partizipation an Gewinn/Liquidation) ist hierfür zentral.
- Ausgabe durch den Arbeitgeber bzw. verbundenes Unternehmen: Um arbeitsrechtliche und lohnsteuerliche Voraussetzungen zu erfüllen, muss die Ausgabe in einem klaren Verhältnis zum Arbeitsverhältnis stehen und von einem begünstigten Arbeitgeberunternehmen vollzogen werden.
- Zeitpunkt der Besteuerung und Zustimmungsregelungen: § 19a EStG bietet Mechanismen zur Verschiebung der Lohnbesteuerung bis zur Veräußerung/Realisation; in der Regel ist eine Zustimmung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zur späteren Besteuerung erforderlich.
Die konkrete Umsetzung ist einzelfallabhängig, daher empfiehlt sich eine frühzeitige Abstimmung mit Ihren steuerlichen und rechtlichen Berater:innen und der Finanzverwaltung.
Wie funktioniert die Steuerstundung nach § 19a EStG?
Wenn ein Genussrecht lohnsteuerlich als begünstigte Vermögensbeteiligung anerkannt wird, entsteht zwar der geldwerte Vorteil im Zeitpunkt der Zuteilung, die Lohnsteuer kann jedoch bis zur Veräußerung oder sonstigen Realisierung aufgeschoben werden. Damit werden Mitarbeitende nicht schon beim Zuteilungszeitpunkt, an dem noch kein Liquiditätszufluss vorliegt, mit voller Lohnsteuer belastet – ein entscheidender Vorteil für junge Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen.
Eine Nachversteuerung erfolgt jedoch grundsätzlich auch nach Ablauf von 15 Jahren seit der Ausgabe oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses. Durch Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber kann die Steuerstundung jedoch mittlerweile auch über diese Zeitpunkte gewährleistet werden und damit für Planungssicherheit bei den Mitarbeitenden sorgen.
Genussrechte gestalten: Spielräume nutzen, steuerliche Grenzen beachten
Bei Genussrechten bestehen vertragliche Gestaltungsspielräume. So können Genussrechtsbeteiligungen grundsätzlich als fixe Zahlungen, als prozentuale Anteile oder performance-abhängig durch Knüpfung an bestimmte Kennzahlen ausgestaltet werden. Vesting-Modelle sowie differenzierte Good-/Bad-Leaver-Regeln lassen sich zur Mitarbeiterbindung vereinbaren und Rückzahlungsmodalitäten und Nachrangklauseln können liquiditäts- und kreditwirtschaftliche Aspekte berücksichtigen. Ebenso sind Übertragungsbeschränkungen, Vorkaufsrechte oder Sanktionen für einen vorzeitigen Austritt üblich und praktikabel.
Diese Freiheit endet dort, wo steuerliche und arbeitsrechtliche Anforderungen an die Substanz der Vereinbarung verlangen. Unvorsichtige Konstruktionen können zudem zu verdeckten Gewinnausschüttungen führen und damit ertragsteuerliche ungewollte Folgen nach sich ziehen. Schließlich sind sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen stets mitzudenken. Praktisch bedeutet dies: Vertragsfreiheit ja — jedoch nur, solange die Vereinbarungen Substanz besitzen und den steuer- und arbeitsrechtlichen Vorgaben entsprechen.
Wertermittlung bei Genussrechten – Methoden und Praxis
Die Bewertung von Genussrechten ist entscheidend für die Lohnsteuerfolge (Bemessung des geldwerten Vorteils) und für die spätere Besteuerung bei den Mitarbeitenden. Auch wenn die Steuer zunächst gestundet ist, bleibt die Bewertung im Zeitpunkt der Ausgabe der Vermögensbeteiligung entscheidend. Diese ist auch durch den Arbeitgeber in der Lohnbuchhaltung zu dokumentieren.
Typische Bewertungsansätze bei Genussrechten können sein:
- Ertragswertverfahren: Diskontierung künftiger erwarteter Zahlungen (Dividenden/Profit Shares).
- Relativer Substanz-/Marktwertansatz: bei Beteiligungs‑ bzw. Liquidationsteilen ohne Dividendenzufluss
- Optionsbewertungsmethoden: Wenn das Genussrecht optionsähnliche Elemente enthält.
Da Bewertungsannahmen (z. B. Diskontsatz, Prognosehorizont) das Ergebnis stark beeinflussen, empfehlen wir eine gemeinsame Bewertung mit Wirtschaftsprüfer:innen. Auf Wunsch stimmen wir das Bewertungsmodell vorab mit dem Finanzamt im Rahmen einer Lohnsteueranrufungsauskunft (LStAA) ab. Dadurch werden die lohnsteuerliche Behandlung und die Ansatzbasis des geldwerten Vorteils vorab belastbar geklärt. Eine konkrete Bewertung zum Ausgabezeitpunkt hat das Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers nach der im Rahmen einer Anrufungsauskunft als nicht besteuerten Vorteil im Sinne des § 19a EStG verbindlich zu bestätigen.
Welche Risiken und Fallstricke sollten Unternehmen bei Genussrechten beachten?
Unternehmen und Arbeitnehmer:innen sollten mehrere Risiken und Fallstricke im Blick behalten. Eine fehlerhafte Einschätzung der steuerlichen Einordnung des Genussrechts, z. B. mangels Dokumentation oder bei nicht geeigneter Ausgestaltung, kann zur unmittelbaren Lohnsteuerpflicht führen.
Steuerliche und bilanzielle Risiken
Auch bilanziell und ertragsteuerlich können Genussrechtsgestaltungen bedeutende Effekte haben. Im Blick gehalten werden müssen Rückstellungen, der Betriebsausgabenabzug oder grenzüberschreitende Fragestellungen.
Bewertungsstreitigkeiten mit dem Finanzamt
Schließlich drohen Bewertungsstreitigkeiten mit dem Finanzamt, wenn Bewertungsgrundlagen unklar oder nicht nachvollziehbar sind. Daher sind eine Lohnsteueranrufungsauskunft und eine belastbare Bewertung durch Wirtschaftsprüfer:innen regelmäßig sinnvolle Instrumente, um die lohnsteuerliche Behandlung und die Bewertungsbasis vorab abzusichern.
Warum Genussrechte gegenüber ESOP/VSOP oft praktikabler sind
Genussrechte können eine bessere Wahl gegenüber ESOP/VSOP sein, wenn das Unternehmen eine sofortige echte wirtschaftliche Beteiligung ermöglichen, die Gesellschafterstruktur und Stimmrechtsverhältnisse jedoch unangetastet lassen möchte.
Sie bieten hohe Gestaltungsflexibilität und lassen sich meist mit geringerem administrativem Aufwand vergleichsweise einfach implementieren. Ein weiteres wesentliches Argument für Genussrechte ist die Möglichkeit, steuerliche Stundungsmechanismen nach § 19a EStG zu nutzen und damit die lohnsteuerliche Belastung der Mitarbeitenden bis zur Realisierung des wirtschaftlichen Vorteils zu verschieben und zu optimieren.
Dabei sind bei idealer Gestaltung nur die Werte bei Ausgabe aufschiebend bedingt als Lohn zu versteuern und Wertsteigerungen nach Ausgabe der Genussrechte unterliegen einer begünstigten Besteuerung bei den Mitarbeitenden.
Unsere Einschätzung: Steuerstundung nach § 19a EStG – so nutzen Unternehmen Genussrechte optimal
Genussrechte bieten echte Chancen für Mitarbeiterbeteiligung – vorausgesetzt, die vertraglichen Vereinbarungen und die steuerliche Abstimmung passen.
Wir begleiten Unternehmen praxisorientiert bei der Strukturierung und Implementierung von Genussrechtsprogrammen, von der rechtlichen Gestaltung über steuerliche Fall‑ und Gestaltungsprüfungen bis hin zur Wertermittlung und Abstimmung mit dem Finanzamt.
Dabei unterstützen wir bei der vorherigen Wertfeststellung, der Vorbereitung und Begleitung der Lohnsteueranrufungsauskunft zur vorweggenommenen Abstimmung mit der Finanzverwaltung, dem Vertragsentwurf (inkl. Vesting, Good/Bad‑Leaver, Übertragungsregelungen), einer steuerlichen Risikoprüfung und der Begleitung in Lohnsteuer- oder Betriebsprüfungen.
Möchten Sie prüfen, ob Genussrechte für Sie und Ihre Mitarbeiter:innen das richtige Instrument sind? Wir prüfen die rechtliche und steuerliche Machbarkeit, erstellen mit unseren Wirtschaftsprüfer:innen eine belastbare Bewertung und klären die lohnsteuerliche Behandlung vorab mit einer Lohnsteueranrufungsauskunft. Sprechen Sie unseren Steuerberater Tim Weyers einfach direkt an und lassen Sie sich beraten!