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6. Mai 2024

Mitarbeiterbeteiligung über Hurdle-Shares: Bringen BFH-Urteile Klarheit?

Kategorien: Steuerberatung

Mitarbeiterbeteiligungen sind ein wichtiger Aspekt moderner Unternehmensführung zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften. In diesem Kontext haben sich in jüngerer Zeit innovative Beteiligungsinstrumente wie Hurdle-Shares etabliert. Auch bekannt als NLP-, Growth- oder Zero-Shares zielen sie darauf ab, den Mitarbeitenden einen Anreiz zu bieten, am langfristigen Erfolg des Unternehmens teilzuhaben, ohne hierbei bedeutenden Summen an Eigenkapital einzusetzen oder Arbeitslohn als  Dry-Income zu generieren. Hier erfahren Sie das Wichtigste zu Mitarbeiterbeteiligungen über Hurdle-Shares.

Die Idee hinter Hurdle-Shares: Vermeidung von Dry-Income

Hurdle-Shares sind so konzipiert, dass sie den Mitarbeitenden einen Anteil am Unternehmenserfolg gewähren. Das greift jedoch erst, wenn bestimmte Grenzen oder Hürden (engl. hurdles) überschritten sind.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Geschäftsanteilen erhalten die Mitarbeitenden keine Beteiligung am Unternehmenswert, sofern zu definierende Unternehmenswerte nicht überschritten werden. Diese negative Liquidationspräferenz wird im Gesellschaftsvertrag und dem Gesellschaftervertrag (Shareholder Agreement) definiert. In der Regel wird die Hurdle am aktuellen Unternehmenswert bei Ausgabe dieser Anteile bemessen.

Diese Struktur zielt darauf ab, Dry-Income zu vermeiden. Das sind Situationen, in denen Mitarbeitende Anteile am Unternehmen bekommen, aber aufgrund mangelnder oder zu geringer Gegenleistung einen sogenannten geldwerten Vorteil im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses erhalten. Dieser ist lohn-, einkommensteuer- und sozialversicherungspflichtig, obwohl den Mitarbeitenden keine liquiden Mittel als Arbeitslohn zufließen. Entsprechend erfolgt ein erhöhter Abzug vom Bruttolohn, der jedoch nicht durch den Zufluss liquider Mittel kompensiert werden kann.

So werden Hurdle-Shares steuerlich eingeordnet

Die steuerliche Behandlung von Hurdle-Shares war lange Zeit ausschließlich Gegenstand der Fachliteratur. Weder Finanzverwaltung noch Rechtsprechung haben sich zu diesem Konstrukt bisher ausführlicher geäußert. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jedoch am 16.11.2022 (X R 17/20) geurteilt, dass Liquidationspräferenzen bei der Bewertung von Geschäftsanteilen unter bestimmten Voraussetzungen zu berücksichtigen sind.

Nach den Grundsätzen dieses Urteils können Hurdle-Shares so ausgestaltet werden, dass ihr Wert durch eine sogenannte negative Liquidationspräferenz gemindert wird und nicht mehr als den Nominalwert in Höhe von 1,00 Euro beträgt. Dadurch kann auch bei hohen Unternehmenswerten ein geldwerter Vorteil beim Mitarbeitenden verhindert werden. Das gilt auch, wenn diese nur einen geringen Betrag für den Erwerb der Beteiligung aufbringen.

Darüber hinaus stellte der BFH mit Urteil vom 14.12.2023 jüngst klar, dass der Gewinn aus der marktüblichen Veräußerung einer Mitarbeiterbeteiligung keinen Arbeitslohn darstellt. Der steuerlichen Anerkennung der Mitarbeiterbeteiligung als selbständiges Sonderrechtsverhältnis stehen auch vertraglich vereinbarte Vesting-Perioden nicht entgegen. Laut BFH sind solche Klauseln üblich. Zwar verknüpfen sie das Beteiligungsverhältnis mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Dadurch wird der Beteiligung jedoch nicht der eigenständige Rechtscharakter genommen. Ein Veräußerungsgewinn im Rahmen des Verkaufs der Unternehmensanteile an eine Kapitalgesellschaft führt danach zu Einkünften aus Kapitalvermögen und nicht zu Einkünften aus Nichtselbständiger Tätigkeit. Letztere unterliegen grundsätzlich dem Lohnsteuer- und Sozialversicherungsabzug.

Hurdle-Shares: So wirkt sich das BFH-Urteil auf die steuerliche Praxis aus

Die Rechtsprechung des BFH hat große Bedeutung für die steuerliche Praxis in Bezug auf die Behandlung von Hurdle-Shares. Sie gibt Antworten zu bedeutenden Fragestellungen und Unternehmen eine klare Orientierung bei der Gestaltung ihrer Mitarbeiterbeteiligungsprogramme. Durch die Vermeidung eines Dry-Incomes im Zeitpunkt der Ausgabe von Hurdle-Shares werden Liquiditätsnachteile für Unternehmen und Mitarbeitende vermieden. Gleichzeitig bieten Hurdle-Shares Mitarbeitenden die Möglichkeit, echte Geschäftsanteile zu erwerben und von Steuervorteilen bei zukünftiger Gewinnpartizipierung zu profitieren.

Unsere Einschätzung: So sichern sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen bei Hurdle-Shares ab

Auch wenn wir die genannten Urteile des BFH als wichtige Schritte in Richtung Rechtssicherheit bei der Gestaltung von Mitarbeiterbeteiligungen sehr begrüßen, bleibt die Auffassung der Finanzverwaltung zu vielen Fragen unbekannt. Da es dort noch keine Richtlinien zu Mitarbeiterbeteiligungen über Hurdle-Shares gibt, sollte eine solche Gestaltung vorab über eine verbindliche Abfrage beim Finanzamt abgesichert werden.

Hierfür stehen für die Prüfung einer Verpflichtung zum Einbehalt von Lohnsteuer die sogenannte Lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42e EStG) zur Verfügung. Diese kann sowohl vom Unternehmen als auch vom Mitarbeitenden gestellt werden. Wichtig ist jedoch, dass diese Auskunft nur für den Lohnsteuereinbehalt des Arbeitgebers bindend ist. Die endgültige steuerliche Würdigung über die Versteuerung als Arbeitslohn ist dem für die Veranlagung des Mitarbeitenden zuständigen Finanzamtes vorbehalten. Um die steuerliche Behandlung des Sachverhaltes bei der Veranlagungsstelle des Arbeitnehmers vorab abzusichern, kann ein Antrag auf verbindliche Auskunft (§ 89 AO) gestellt werden. Dieser ist jedoch gebührenpflichtig. Die Höhe der Gebühr richtet sich nach der potenziellen Einkommensteuer auf den geldwerten Vorteil im Rahmen der Ausgabe der Mitarbeiterbeteiligung.

Die ständige Rechtsprechung schafft eine solide Grundlage für die weitere Verbreitung von Hurdle-Shares als Instrument der Mitarbeiterbeteiligung. Durch die günstige steuerliche Einordnung und die Vermeidung von Dry-Income-Situationen werden Hurdle-Shares zu einer attraktiven Option für Unternehmen, die ihren Mitarbeitern einen echten Anreiz bieten möchten, am langfristigen Erfolg des Unternehmens teilzuhaben. Insgesamt sind Hurdle-Shares ein vielversprechendes Instrument, das sowohl Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgeber:innen gleichermaßen anspricht und langfristig positive Auswirkungen auf die Unternehmensentwicklung haben kann.

Die steuerliche Behandlung von Hurdle-Shares sollte jedoch vorab unbedingt mit den beteiligten Finanzämtern abgestimmt werden. Ansonsten drohen Risiken auf der Ebene des Arbeitnehmers und des Unternehmens. Diese können durch die Einholung verbindlicher Auskünfte und Lohnsteueranrufungsauskünfte verhindert werden, was im Hinblick auf eine mögliche Überprüfung bei einem etwaigen Unternehmensverkaufs im Rahmen einer Due Diligence unbedingt zu raten ist. Alternativ kann eine Ausgabe von Optionen in Form eines ESOP/VSOP vorteilhaft oder die Beteiligung von Mitarbeitern unter Ausnutzung der Stundungsregelungen für Mitarbeiterbeteiligungen nach § 19a EStG in Betracht zu ziehen sein.

Haben Sie Fragen zum Thema Mitarbeiterbeteiligungen oder benötigen Sie ein passendes Konzept für Ihr Unternehmen? Sprechen Sie unser Team gerne an.

 

Raphael Niederstraßer

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. Taxation

Tim Weyers

Prokurist, Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation)

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